Sohn von US-Vizepräsident profitiert von Ukraine-Politik
Gazprom liefert mehr Gas in die EU, Wirtschaftswachstum in Russland bricht ein, US-Politik gerät noch stärker ins Zwielicht
Hämisch, auch wenn sehr zurückhaltend, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti, dass Gazprom trotz der gespannten Lage, des ungewöhnlich milden Winters und der Ankündigung, unabhängiger von Russland werden zu wollen, seine Gasexporte gesteigert hat.
Im ersten Quartal stiegen die Gasexporte nach Angaben von Gazprom um 2,6 Prozent, während die Importe aus Algerien, Katar oder Libyen zurückgingen oder gleich blieben. "Gazprom baut seinen Marktanteil in Europa faktisch aus - und das ungeachtet der (von der EU) verkündeten Politik der Verringerung der Abhängigkeit", sagte Sergej Komlew, Abteilungsleiter von Gazprom Export. Allerdings ist klar, dass sich so schnell auch nichts ändert, zumal der Konflikt mit Russland auch erst nach dem Sturz von Janukowitsch und mit der Ablösung der Krim begann. Gut möglich, dass nun erst einmal in der EU die Lager aufgefüllt werden, um das Gas dann womöglich in die Ukraine zurückzuleiten, wie es geplant ist, falls Ukraine und Russland sich nicht über weitere Gaslieferungen einigen können.
Unklar ist weiterhin, wie es mit dem Bau der Pipeline South Stream von Russland nach Bulgarien unter Umgehung der Ukraine weiter gehen wird. Hier herrscht auch Uneinigkeit in der EU. Kürzlich machte EU-Energiekommissar Günther Oettinger jedoch klar, dass er nicht grundsätzlich gegen die Pipeline sei, die 2017 ihren Betrieb aufnehmen soll. Oettinger spricht sich auch gegen die von Polen vorgeschlagene Energieunion aus, will einen Ausbau der Pipelines und fordert die Ukraine auf, die Gasrechnungen an Russland zu bezahlen. Gazprom liefert ab Juli Litauen billiger Gas, das dürfte auch den Druck der baltischen Staaten, auf den sich wiederum die USA stützt, mindern.
Auch russische Medien berichten jetzt allerdings, dass Russland im Konflikt mit dem Westen nicht unbeschädigt davonkommt. Es ist nicht nur der Rubel gefallen und viel Kapital ins Ausland abgewandert, sondern das russische Wirtschaftsministerium hat nun erklärt, dass das Wirtschaftswachstum einknicken und es vielleicht im ersten Halbjahr zu einer Rezession kommen wird. Die Staatseinnahmen werden sinken, allerdings werden die Verluste durch die Abwertung des Rubels teilweise ausgeglichen. Die Inflation liegt nun bei 7,5 Prozent, in Juni soll sie auf 6 oder 6,5 Prozent zurückgehen. Im April ging man noch von einem Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent aus, jetzt rechnet man mit einem Minus von 0,2 oder 0,3 Prozent. Falls der Westen tatsächlich Wirtschaftssanktionen verhängen sollte, müsse man mit Schlimmerem rechnen.
Zwar könne Russland kurz- und mittelfristig die Verluste ausgleichen, langfristig würde es aber düster aussehen, wenn Investitionen ausbleiben und erforderliche Technikimporte zurückgehen. Russland hat zu lange nur auf den Export von Rohstoffen gesetzt und Forschung und Wissenschaft sowie die Modernisierung der Industrie vernachlässigt. Vor allem auch in der Rüstung droht Russland den Anschluss zu verlieren, weswegen Putin gestern noch einmal betonte, dass Russlands Rüstung von Importen unabhängig werden müsse. Die Regierung hat dies zwar schon seit einiger Zeit erkannt und Programme angeschoben, aber schnell wird sich daran nichts ändern, zumal auch die Korruption, die Oligarchenherrschaft und eine Politik, die Freiheiten zunehmend einschränkt, notwendige Veränderungen verhindern.
Bekannt ist nun geworden, dass ausgerechnet der Sohn von Vizepräsident Biden, Vertreter einer scharfen antirussischen und proukrainischen Politik im Weißen Haus, Vorstandsmitglied von Burisma Holding. Burisma ist der größte privatwirtschaftliche Gasproduzent der Ukraine und hat Rechte für mehrere große Gasfelder. Hunter Biden ist in der Rechtsabteilung vor allem als Lobbyist für internationale Beziehungen zuständig. Auch erst im April wurde Devron Archer in den Vorstand aufgenommen, ein enger Freund von US-Außenminister Kerry, woraus auch gar kein Hehl gemacht wird. In dem vierköpfigen Vorstand gibt es keinen Ukrainer, 2013 wurde der amerikanische Investmentbanker Alan Apter aufgenommen und 2014 noch schnell der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski.
Das sieht auch schon zeitlich danach aus, dass man schnell im Zuge der zu erwartenden, von der US-Regierung und vornehmlich von Kerry und Biden unterstützten Umwälzung die Finger im Spiel haben wollte. Die Vermutung ist nicht verwegen, dass man auf die Privatisierung des staatlichen Konzerns Naftogas setzt. Schließlich kam im Gepäck mit der Unterstützung der Maidan-Bewegung auch das Versprechen, dem Pleitestaat Ukraine mit Krediten zu helfen, was vornehmlich durch den IWF geschehen wird, der eine übliche neoliberale Strategie fährt und damit ausländischen Investoren gute Schnäppchen verheißt, während im Inland gespart werden muss.
Hinter der Unterstützung der Maidan-Bewegung und dann der Übergangsregierung in Kiew seitens der US-Regierung mögen also auch private Interessen stehen, aber das Weiße Haus hat auch schon klar gemacht, dass mit der Anti-Russland-Politik die Dominanz der USA in der EU und in der Nato gestärkt werden soll, was auch Auswirkungen auf das geplante Freihandelsabkommen haben soll, zudem will man Europa mit amerikanischem Schiefergas beglücken, vermutlich dürfte aber auch die Ukraine, die "Kornkammer Russlands" interessant für Investoren in der Landwirtschaft und amerikanische Saatgutkonzerne wie Monsanto sein. Das US-Außenministerium jedenfalls sieht nach seinem Sprecher keine Probleme mit dem Engagement den Bides-Sohns. Das sei eine private Angelegenheit.
Die Energie könnte aber auch direkt eine große Rolle gespielt haben, da die Ukraine zwar trotz eigener Produktion weitegehend von Gasimporten aus Russland abhängig ist, aber vor der Krim liegen im Schwarzen Meer riesige, noch unerschlossene Öl- und Gasfelder. Ein Konsortium unter der Führung des US-Konzerns ExxonMobil hatte unter Janukowitsch bereits den Zuschlag für die Erschließung eines Feldes erhalten (Und auch bei der Krim geht es ums Öl). Daraus wurde aber dummerweise nichts, weil Russland die Halbinsel mitsamt der Ressourcen vor der Küste nach dem Sturz von Janukowitsch übernommen hat. Vermutlich wird nun Gazprom anstatt Exxon die Felder ausbeuten können, sollte die Krim bei Russland bleiben.
Erwartungsgemäß brachte das erste Treffen des Runden Tisches nur ein Ergebnis, dass man weiter reden will. Die Separatisten blieben außen vor, das soll nach dem Willen der Übergangsregierung in Kiew auch so bleiben, auch wenn sie vorgibt, eigentlich mit allen sprechen zu wollen.