Sojaexporte aus den USA nach China eingebrochen
Sind die Chinesen genauso abhängig von US-amerikanischer Soja wie US-amerikanische Landwirte von ihren chinesischen Abnehmern?
Die US-amerikanischen Sojaexporte nach China sind im Vergleich zum Vorjahr um 94 Prozent eingebrochen. Wie die New York Times Anfang November 2018 berichtete, belegen Daten von Mitte Oktober einen dramatischen Rückgang des Absatzes Richtung China, mit Abstand der größte Soja-Importeur auf dem Planeten. Eine Schlüsselfrage, die sich dabei stellt: Sind die Chinesen von US-amerikanischen Sojalieferungen genauso abhängig wie umgekehrt die US-amerikanischen Landwirte von ihren chinesischen Abnehmern?
Soja war noch 2017 mit 12 Milliarden US-Dollar die einträglichste Export-Feldfrucht der Vereinigten Staaten im Handel mit China - Soja machte 60% der landwirtschaftlichen Exporte der USA nach China aus. Die Anbaufläche in den USA belief sich 2018 auf über 35 Millionen Hektar. 94 Prozent der US-Soja sind dabei GMO-Pflanzen. In den letzten zehn Jahren hatte die rasch steigende Nachfrage aus China den Anbau von Soja in den USA stark ansteigen lassen. China kauft inzwischen fast zwei Drittel der Welt-Soja-Exporte auf.
Fast 90 Prozent der mehr als 100 Millionen Tonnen Soja, die 2017 in China konsumiert wurden, waren importiert. Der überwiegende Teil der Importe stammte aus Brasilien (53 Prozent) und den USA (34 Prozent). Argentinien steuerte 7 Prozent bei.
Präsident Donald Trump hatte 2017 die Unterstützung des ländlichen Amerikas zur Chefsache gemacht Trump setzt auf Gentechnik, hier lebt ein beträchtlicher Teil seiner Unterstützer. Obwohl viele Sojabauern nach wie vor Vertrauen in seine protektionistische Handelspolitik haben, sind andere mit den Auswirkungen der Vergeltungszölle ganz und gar nicht zufrieden: sie sehen sich vom Markt abgeschnitten. Viele Landwirte haben begonnen, ihre Sojabohnen einzulagern, die Hoffnung: dass die Preise wieder anziehen, bevor die Bohnen verfaulen.
Das Landwirtschaftsministerium will das eigens für die von Trumps Agenda betroffenen Landwirte aufgelegte Hilfsprogramm im Volumen von bis zu 12 Milliarden US-Dollar nicht bis 2019 verlängern. Nach Überzeugung offizieller Stellen seien die Landwirte sehr belastbar und würden ihre Planungsentscheidungen aufgrund der aktuellen Marktlage treffen. Die Trump-Regierung hatte im August 2018 erklärt, von der ausgelobten Summe 3,6 Milliarden Dollar nur an Sojabauern verteilen zu wollen, um den Rückgang der Marktpreise auszugleichen. Die Subventionsrate deckt unter Berücksichtigung aktueller Marktpreise jedoch weniger als die Hälfte der Verluste der Landwirte ab. Die planen nun die nächste Saison: Im nächsten Jahr wird aller Voraussicht nach weniger Soja auf die Felder kommen.
Soja in North Dakota, ohne China so nicht denkbar
Die Sojaindustrie in North Dakota war vor allem erst aufgrund der chinesischen Nachfrage entstanden. Und während die Bohnen im gesamten Mittleren Westen angebaut werden, liegen die Sojafelder von North Dakota im westlichsten Teil der Sojalandschaft, der dem Pazifik am nächsten liegt - die hier angebauten Bohnen werden hauptsächlich nach China geschickt.
Mitte der 1990er Jahre wurden auf einer Fläche von 182.000 Hektar Sojabohnen angebaut - 2018 waren es bereits 2,8 Millionen Hektar. Als die Produktion von Sojabohnen zunahm, gaben die Unternehmen Millionen von Dollar für größere Getreidesilos und für die Züge mit 110 Waggons aus, die die Sojabohnen westwärts an die Pazifikküste bringen, zu den großen Getreideterminals in den Überseehäfen.
Sojabauern hatten auch Millionen von US-Dollar in die Urbarmachung des chinesischen Marktes investiert. So wandert ein fester Prozentsatz der Einnahmen der US-Landwirte in einen Bundesfonds mit dem Namen "Soy Checkoff", der vom United Soybean Board (USB) verwaltet wird. Das Marketing-Instrument soll chinesische Landwirte davon überzeugen, dass Schweine, die sich von US-amerikanischen Sojabohnen ernähren, schneller wachsen und fetter werden.
Doch nun droht der Industrie langfristiger Schaden. Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens in North Dakota, die sich bereits mit einem Anstieg der Selbstmordrate auf dem Lande konfrontiert sehen, sind besorgt über die Auswirkungen sinkender Preise, insbesondere für jüngere Landwirte mit hoher Verschuldung.
Während China das weltweite Angebot nichtamerikanischer Sojabohnen aufnimmt, kaufen andere Länder mehr Bohnen aus den Vereinigten Staaten, insbesondere europäische Länder, die ihre Bohnen sonst normalerweise aus Brasilien importieren. So hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erst im Juli 2018 in Washington für Beobachter überraschend zugesagt, dass Europa nun mehr Soja aus den USA importieren werde. Taiwan, ebenso um US-amerikanische Gunst bemüht, hat für die nächsten zwei Jahre einen Vertrag über zusätzliche Sojalieferungen aus den USA unterzeichnet. Einige Nationen, die Sojabohnen anbauen, wie etwa Kanada, liefern nun ihre eigenen Bohnen zu hohen Preisen nach China und kaufen dann amerikanische Bohnen zu niedrigeren Preisen, um die Binnennachfrage zu befriedigen.
Doch keine dieser Marktumstrukturierungen wird ausreichen, um die Lage der US-Sojabauern zu entschärfen. Die neuen Abnehmer können die Folgen des Ausfalls des bisherigen Großkunden China bestenfalls lindern.
Die Industrie sucht deshalb nach neuen Märkten. So will man die Bewohner Indiens davon überzeugen, mehr Hühnchen zu essen - die Inder werden mit zunehmender Wirtschaftsleistung mehr Protein zu sich nehmen, eine seit einiger Zeit zu beobachtende Tendenz. Die Soja-Lobby sieht ihre Aufgabe nun vor allem darin, diesen Prozess zu beschleunigen.
Deckung des Sojabedarfs in China
Der bilaterale Handelsstreit ist für China ein Anreiz, die Einfuhren von Sojabohnen aus den USA und den Sojaverbrauch für Futtermittel zu reduzieren. Das treibt Chinas heimische Sojabohnen- und Sojamehlpreise in die Höhe und bewirkt stärkere Abverkäufe aus der staatlichen Sojareserve als gewöhnlich gehandhabt.
Neben dem Handelszwist schickt sich noch ein weiteres Ereignis an, den Sojabedarf der Chinesen zu drosseln. Seit August 2018 breitet sich der Erreger der afrikanischen Schweinepest weiter in China aus. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass sich die Krankheit kurzfristig auf die Schweinefleischproduktion auswirken wird, doch dürfte dies langfristig zu einer Verringerung der Größe der Herden führen, wodurch das Wachstum der Futtermittelnachfrage und die Nachfrage nach Sojaschrot gedämpft wird. Mehr als 40 Prozent aller Hausschweine weltweit werden heute in Chinas Landwirtschaft gehalten.
China hat die entstandene Sojalücke bisher größtenteils durch Ankäufe aus Brasilien geschlossen. Unabhängig davon plant die Ukraine, ein bedeutender Agrarexporteur und größter Sojaproduzent Europas, Lieferungen nach China auszuweiten.
Bei der Suche nach Ersatz für US-amerikanische Sojabohnen wendet sich China nun auch an Russland. Russland plant, die Produktion von Sojabohnen im Fernen Osten für Lieferungen nach China zu erhöhen, sagte Ministerpräsident Dmitri Medwedew gegenüber Reportern in Peking. Beide Länder planen darüber hinaus, auch bei anderen landwirtschaftlichen Produkten, darunter Reis, Schweinefleisch, Geflügel und Fisch, künftig enger zusammenzuarbeiten.
Obwohl Russlands Sojalieferungen nach China im einzelnen bisher nicht ins Gewicht fallen, zeigt der Schritt, dass eine Nebenwirkung des Handelsstreits mit den USA engere Beziehungen zwischen China und Russland sind. China bemüht sich zudem, seine Nahrungsmittelversorgung im Rahmen der Belt and Road-Initiative zu diversifizieren.
Die Sojaproduktion in Russland hat in den letzten zehn Jahren zugenommen. Die Landwirte werden voraussichtlich in der Saison 2018/19 einen Rekord von 3,9 Millionen Tonnen Soja ernten, von denen nach Prognosen des US-Landwirtschaftsministeriums 700.000 Tonnen in den Export gehen werden. Zum Vergleich: Brasilien wird voraussichtlich in dieser Saison 75 Millionen Tonnen exportieren.
Einige russische Beamte sehen besonders im russischen Fernen Osten das Potential für eine Ausweitung der Sojaproduktion. Hier herrsche das perfekte Klima für den Anbau, und aufgrund der Nähe zu China wären die Transportentfernungen wesentlich kürzer als im Falle von Brasilien, dem wichtigsten Ersatzproduzenten. China ist dabei selber in den Top 10 der weltgrößten Sojaproduzenten vertreten. Ein bedeutender Teil der chinesischen Soja wird in der nördlichen Provinz Heilongjiang im Nordosten der Volksrepublik angebaut, nahe der russischen Grenze.
Anreize sollen nun Investitionen in den Fernen Osten holen - auch in die Landwirtschaft. Russland rechne mit einem Anstieg der Auslandsinvestitionen, von denen etwa 50 Prozent aus China kommen würden, mit denen dann eine Million Hektar Ackerland erschlossen werden sollen.
Agrarexperten vor Ort sind skeptisch. Zwar sei die Gegend für den Sojaanbau geeignet, wie die zahlreichen Sojafelder beweisen. In der meist bergigen und sumpfigen Region gibt es jedoch wenig zusätzlich verfügbares Ackerland, ein großer Teil des fruchtbaren Landes liegt in Flussgebieten und wird bei häufigen Taifunen schnell überschwemmt. So gibt es kaum eine Möglichkeit, die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere bei Sojabohnen, hier erheblich zu steigern.
Handelskrieg: Geopolitisches Nullsummenspiel am Horizont
Trump hatte chinesische Waren in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar mit Zöllen belegt. Und es steht die Drohung im Raum, sämtliche US-Exporte Chinas im Wert von etwa 500 Milliarden US-Dollar zu besteuern. China hat als Reaktion Zölle auf US-Waren im Wert von 110 Milliarden US-Dollar erhoben und könnte seine Vergeltungsmaßnahmen auf strengere Investitionsauflagen für amerikanische Unternehmen ausdehnen.
Obwohl die Handelsgespräche zwischen den USA und China Anfang dieses Jahres zum Stillstand gekommen waren, hatten beide Länder kürzlich signalisiert, dass noch im November produktive Diskussionen stattfinden könnten.
Anfang November hatte sich der chinesische Präsident Xi Jinping am Rande der China International Import Expo-Messe in Shanghai dahingehend geäußert und versprochen, die Zölle zu senken, den Marktzugang und die Importe zu erhöhen. Trump hatte seinerseits bemerkt, dass Amerikaner und Chinesen kurz vor einer Einigung stünden. Danach sieht es nun nicht mehr aus.
Jüngste Spitzentreffen in Singapur und Papua-Neuguinea gaben wenig Anlass zur Annahme, dass es einen Deal geben wird, wenn sich die Beteiligten Ende November auf dem Gipfel der G20 in Argentinien treffen. Der APEC-Gipfel zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit im asiatisch-pazifischen Raum war am 18. November 2018 ergebnislos zu Ende gegangen, nachdem sich die Staats- und Regierungschefs auf keine gemeinsame Erklärung einigen konnten.
Vizepräsident Mike Pence hat seine Rhetorik gegen China jüngst verschärft, vor allem mit der Forderung an Staaten, Kredite zu vermeiden, mit denen sie sich in Peking verschulden würden. Er sagte zudem, die USA seien nicht in Eile, den Handelskrieg zu beenden, und man würde den Kurs nicht ändern, bis China ein anderes Verhalten an den Tag lege.
Analysten sehen nun die Gefahr des Abdriftens in einen "kalten Wirtschaftskrieg". Der Handelskonflikt habe die Aussichten erhöht, dass sich vor allem kleinere Nationen jetzt für eine Partei entscheiden müssten, zumal höhere US-Zölle die seit langem bestehenden Lieferketten des globalen Handels umkrempeln könnten.