Solarenergie trifft Landwirtschaft: Wenn Bauern nebenbei Strom produzieren
Seite 2: Testanlagen im Solarpark Dirmingen
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Deutschlandweit sind fünf Agri-PV-Anlagen zu Forschungszwecken in Betrieb. Eine davon ist eine Anlage im saarländischen Dirmingen/Landkreis Neunkirchen, die seit 2018 auf einer Fläche von zehn Hektar eine Leistung von 2,4 Megawatt erzeugt. Laut Einschätzung des Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme liegt das Potenzial der Agri-PV in Deutschland bei rund 1.700 Gigawatt.
Die bifaziale Solarmodule sammeln auf beiden Seiten Sonnenstrahlen und wandeln diese in Elektrizität um. Aufgrund der doppelseitigen Nutzung werde 15 bis 25 Prozent mehr Strom gewonnen als bei herkömmlichen schräg stehenden Panels. Zwischen den weit auseinanderstehenden Panels können landwirtschaftliche Maschinen durchfahren und somit zum Beispiel als Mähweide genutzt werden. Betreiber ist die Next2Sun Technology GmbH aus Dillingen. Darüber hinaus wird der Einsatz von farbigen Modulen und deren Auswirkungen auf die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Anlage getestet.
Die EU fördert die Tests über das "Interreg-Projekt PV follows function" mit rund 815.000 Euro. Insgesamt stehen vierzehn dieser Pilotanlagen in Luxemburg, Frankreich, Belgien und dem Saarland. Die Mittel stammen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Das Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES gGmbH) aus Saarbrücken übernimmt die Gesamtkoordination und wird dafür vom Land mit rund 144.000 Euro gefördert.
In Trockenperioden profitieren Wurzelgemüse und Beerenobst
Im Rahmen des Forschungsprojektes "Synergetische Integration der Photovoltaik in die Landwirtschaft als Beitrag zu einer erfolgreichen Energiewende" (SynAgri-PV) erforscht Andreas Schweiger den Einfluss der Agri-Photovoltaik auf die Erträge und Ertragsqualitäten von Nutzpflanzen.
Versuchsstandort ist die Hofgemeinschaft Heggelbach am Bodensee. Hier wurde 2017 eine Agri-Photovoltaik auf einer Fläche von 3.000 Quadratmeter errichtet und darunter diverse Kulturen angebaut.
Während der vergangenen Jahre untersuchte der Pflanzenbau-Experte die Effekte der Photovoltaik-Anlage auf Erträge etwa von Winterweizen, Kartoffel oder Sellerie. Bei ausreichenden Niederschlägen waren die Erträge unter der Anlage niedriger, wobei der Weizen besonders empfindlich reagierte.
In Jahren mit anhaltender Trockenheit hingegen waren die Pflanzen sogar produktiver als auf den Freiflächen, wobei Sellerie und Kartoffel stärker profitierten als Winterweizen. Einerseits beeinträchtigen die lichtundurchlässigen Module die Pflanzen in ihrer Photosynthese.
Das wirkt sich gerade dann negativ auf die Produktivität aus, wenn genug Wasser zur Verfügung steht. Andererseits führt die Beschattung zu weniger Verdunstung, so dass die Pflanzen gerade in langen Trockenperioden weniger trockengestresst sind, erläutert der Experte im Interview.
Die Integration von Photovoltaik in die landwirtschaftlichen Nutzflächen hält Schweiger schon allein deshalb für sinnvoll, weil die Agri-Photovoltaik einen Beitrag dazu leistet, von fossilen Energieträgern unabhängig zu werden. Indem sie die Effekte von Extremjahren abmildert und gleichzeitig Energie erzeugt, könne diese die Landwirtschaft resilienter machen, ist er überzeugt.
Unterm Strich scheint die Anlage die Resilienz der Kulturen gegenüber Extremen sogar zu fördern. Auf der anderen Seite werde die Bewirtschaftung dadurch anspruchsvoller. Besonders geeignet sind Kulturen, die sensitiv gegenüber Trockenheit und gleichzeitig schattentolerant sind, wie etwa Kern- oder Beerenobst. Im Extremfall könnte sogar Mais von den Effekten der Anlage profitieren. Dies hänge jedoch vom Standort und den jeweiligen klimatischen Bedingungen ab.
Nachteil: Gefördert werden nur große Anlagen
Mit der Novelle im Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) gilt seit Kurzem, dass Agri-PV-Anlagen auf allen Ackerflächen zugelassen sind, unter der Voraussetzung, dass die installierte Anlage die landwirtschaftlich nutzbare Fläche um höchstens 15 Prozent verringert und die Bewirtschaftung mit üblichen landwirtschaftlichen Methoden und Maschinen nicht ausschließt.
Nach Ansicht der Wissenschaftler der Arbeitsgruppe "Begleitforschung Agri-Photovoltaik" sind jedoch gerade kleinere Anlagen noch ausbaufähig. So können Landwirtschaftsbetriebe die notwendigen Investitionen von kleinen Anlagen im Bereich einiger 100 Kilowatt eher stemmen als für große von einem Megawatt und darüber.
Sie setzen sich dafür ein, dass auch kleinere Anlagen gefördert werden, denn dann würde die Akzeptanz vor Ort erhöht und die Hürden für den Einstieg in Agri-PV gesenkt werden, sind sie überzeugt.
Eine weitere Hürde ist das aufwendige Genehmigungsverfahren. Denn anders als alle anderen erneuerbaren Energien gelten Agri-PV-Anlagen nicht als privilegierte Bauvorhaben. Das bedeutet, dass ein Bebauungsplan durch die örtliche Kommune nötig ist. Hierfür muss zunächst der Flächennutzungsplan geändert werden. Diese Verfahren dauern sehr lange, weshalb sich der Ausbau der Anlagen verzögert.
Die Wissenschaftler fordern, dass Agri-PV-Anlagen in landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieben künftig ebenfalls als privilegiert eingestuft werden. Dadurch wären Genehmigungen einfacher und schneller möglich.
Für Interessierte, die sich mit dem Thema intensiver beschäftigen wollen, bieten die Öko-Feldtage am 14. und 15. Juni 2023 auf dem Biohof Grieshaber & Schmid in Ditzingen bei Stuttgart Gelegenheit zum Austausch rund um das Thema Agri-Photovoltaik.
Das Ministerium für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg präsentiert zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme, der Universität Hohenheim und weiteren Landesanstalten auf 200 Quadratmetern Ergebnisse aus diversen Forschungsprojekten in Baden-Württemberg.
So werden am Beispiel einer Modellanlage pflanzenbauliche, betriebswirtschaftliche und baurechtliche Aspekte veranschaulicht. Auf weiteren 400 Quadratmetern werden Photovoltaikanlagen von diversen Unternehmen präsentiert.
Auch Pflanzenexperte Andreas Schweiger und Florian Reyer von der Hofgemeinschaft Hesselbach werden vor Ort sein und von ihren Erfahrungen mit Gemüseanbau unter Solarpaneelen berichten.
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