Soli-Aus: 65 Milliarden Euro Geschenk für deutsche Unternehmen?
Der Solidaritätszuschlag steht vor Gericht. Deutsche Firmen könnten bei einem Aus 65 Milliarden Euro sparen. Doch der Preis dafür könnte höher sein als gedacht.
Der Solidaritätszuschlag steht auf dem Prüfstand: Am Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Abgabe. Die Entscheidung der Richter, die erst in einigen Monaten erwartet wird, könnte weitreichende Folgen haben – sowohl für die Wirtschaft als auch für den Bundeshaushalt.
Unternehmen könnten um 65 Milliarden Euro entlastet werden
Nach einer Berechnung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnten die Unternehmen in Deutschland durch eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags knapp 65 Milliarden Euro sparen. "Vom Soli abzulassen, würde die Unternehmen endlich etwas entlasten und ihnen dringend benötigten Spielraum für neue Investitionen geben", sagte IW-Ökonom Tobias Hentze. Die Abgabe müsse weg, dieser Schritt sei überfällig.
Zuletzt zahlten laut IW noch rund sechs Millionen Menschen den Soli sowie rund 600.000 Kapitalgesellschaften. Die Einnahmen des Bundes daraus belaufen sich laut Hentze zwischen 2020 und 2028 auf rund 122 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte davon kommt demnach von den Unternehmen.
Abschaffung könnte Loch in Bundeshaushalt reißen
Eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags hätte aber auch Folgen für den Bundeshaushalt. Für das kommende Jahr hat die Bundesregierung Soli-Einnahmen in Höhe von 12,75 Milliarden Euro fest eingeplant. Sollten die Richter den Soli kippen, würde dies ein zusätzliches Loch in den Haushalt reißen.
Noch gravierender wären die Folgen, wenn das Gericht entscheiden würde, dass der Bund die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag der vergangenen Jahre zurückzahlen müsste. Das wären ab 2020 rund 65 Milliarden Euro.
Konjunkturschwäche als Argument für Soli-Abschaffung
Die aktuelle wirtschaftliche Lage sei Grund genug, den Soli infrage zu stellen, argumentiert das IW. "Die Konjunktur schwächelt, die Wirtschaft stagniert, in vielen Branchen drohen Nullrunden oder sogar Entlassungen."
Die Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht halten es für verfassungswidrig, dass der Soli seit dem Auslaufen des sogenannten Solidarpakts II im Jahr 2019 weiter erhoben wird. Die Große Koalition hatte damals beschlossen, dass nur noch Besserverdiener – die oberen zehn Prozent der Einkommen – den Zuschlag zahlen müssen.
Hohe Belastung für Erwerbseinkommen und Unternehmen
Doch auch wenn der Soli gesenkt oder abgeschafft wird, sollten nach einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Entlastungen für Spitzenverdiener vermieden werden. Deutschland stehe vor großen wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen, argumentiert das DIW. "Demografie und abnehmendes Potenzialwachstum belasten die öffentlichen Einnahmen. Bei öffentlichen Investitionen, Klimaschutz und Landesverteidigung haben sich große Ausgabenbedarfe aufgestaut."
Hinzu kämen Ungleichgewichte in den sozialen Sicherungssystemen sowie bei Steuern und Sozialabgaben, die Arbeitseinkommen und Unternehmen stark belasten. Steuerentlastungen sollten sich daher auf Arbeitnehmer mit niedrigen und mittleren Einkommen sowie auf Unternehmen konzentrieren, empfiehlt das DIW.