Sollte Deutschland wirklich die Entwicklungshilfe einstellen?

Junge Mädchen zeigen stolz ihren Tablet-Computer in einem ländlichen Ort im äthiopischen Hochland

Entwicklungshilfe kommt an – und fördert auch die deutsche Wirtschaft.

(Bild: rvdw images / Shutterstock.com)

Knappe Kassen lassen die Idee aufkommen, die Entwicklungshilfe für andere Länder zu streichen. Das könnte Deutschland aber schwer schaden.

Mit dem deutschen Entwicklungshilfeengagement in China versuchte die Bundesrepublik viele Jahre hindurch deutsche Strukturen im Reich der Mitte zu etablieren, um den Riesenmarkt für deutsche Exporteure vorzubereiten. Nicht zuletzt wollte man ein mit dem System in Deutschland kompatibles Rechtssystem in China etablieren.

Die chinesischen Partner haben das von Deutschland angebotene Wissen auch erfolgreich übernommen, allerdings nicht so, wie von Deutschland intendiert. Man hat nicht nur die aus chinesischer Sicht im deutschen System inhärenten Fehler analysiert, sondern auch gelernt, wie man bei Investitionen in den deutschen Markt vorgehen muss, also die Wirkung umgedreht.

Deutsche Entwicklungshilfe war traditionell ein Schaufenster der deutschen Wirtschaft und zusammen mit den Studienangeboten an ausländische Studenten eine sehr effiziente Werbung für deutsche Produkte. Das ist in reduziertem Umfang auch heute noch so. Deutschland muss dabei jetzt allerdings auch mit den einschlägigen Aktivitäten anderer Länder kämpfen, welche inzwischen mehr Geld für Entwicklungshilfe aus dem eigenen Haushalt abzweigen können.

Warum Fahrradwege in Peru sinnvoll sein können

Wer in anderen Ländern etwas bewegen will, ist vielfach gezwungen, sich als gutes Vorbild zu etablieren. Ein solches Beispiel ist auch die zur Zeit des aus den Gefilden der CSU stammenden ehemaligen Entwicklungsminister Gerd Müller stammenden Radwege-Projekt in Peru. Die Zusagen für Zuschüsse und Kredite für Radwege und Busse in Peru stammen aus dem Jahr 2020.

Da war von der Ampelkoalition noch nichts zu sehen. Diese führt nur die Zusagen der Vorgängerregierung fort. Diese Verlässlichkeit, dass Zusagen auch von der Nachfolgeregierung eingehalten werden, galt bislang als Vorteil des deutschen Engagements. In anderen Ländern haben europäische Anbieter mit Schmerzen erfahren, dass Verträge von einer neuen Regierung nicht mehr eingehalten werden.

Wenn jetzt CSU-Generalsekretär Martin Huber im Fahrwasser der AfD der Regierung vorwirft, deutsches Geld weltweit zu verteilen, statt heimische Bauern zu unterstützen, ist dies besonders schräg. Denn Deutschland hat sich im Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet, weltweit den CO2-Ausstoß zu minimieren.

Jahrelang war man davon überzeugt, dass man diese Einsparungen zuerst möglichst dort vornimmt, wo sie am wenigsten kosten. CO2-Einsparungen in Peru sind in diesem Zusammenhang deutlich billiger als in Deutschland und bieten der deutschen Industrie ein wenig Zeit, bis sie für ihre deutschen Standorte CO2-Einsparungen realisieren muss.

Vorteile für die deutsche Exportindustrie

Von den Entwicklungsprojekten in Peru, welche zum Großteil nicht als Zuschüsse geleistet werden, sondern als Darlehen, profitiert also nicht nur Peru, sondern auch Deutschland. Und bekommt dabei Schützenhilfe von hiesigen Exportunternehmen. Deutschlands Wirtschaft stehe global in einem steigenden Wettbewerb um Märkte, Rohstoffe und strategische Partnerschaften und dabei spiele die Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle.

Der Wettbewerb mit Staaten wie China oder Russland wird in Zukunft noch deutlich zunehmen. Damit wird der Aufwand für die deutsche Exportförderung gewaltig steigen. Wenn die FDP jetzt mit der Idee, das Entwicklungsministerium zu streichen, in den Ring steigt, ist die daraus resultierende Diskussion, die sich ja nicht nur in Berlin verbreitet, ein optimaler Ansatz für den von anderen Staaten angeregten Wettbewerb um künftige Märkte.

Was in Deutschland jetzt als Sommerlochdebatte bezeichnet wird, könnte jedoch eine gewaltige Explosionskraft entwickeln, wenn in den derzeitigen Empfängerländern das Vertrauen in die deutsche Entwicklungshilfe erodiert. Warum sollte man sich dann künftig auch noch an Verträge mit Deutschland halten, das bis auf Weiteres auf Rohstoffeinfuhren angewiesen ist?

Nicht nur die Exportindustrie wendet sich gegen die neu aufgekochten freidemokratischen Ideen. Auch Bernd Bornhorst, der Geschäftsführer beim katholischen Hilfswerk Misereor bezeichnete den aktuellen Vorschlag ein weiteres Beispiel, wie unter dem Vorwand von Effizienzsteigerung und knappen Mitteln versucht wird, wichtige Politikbereiche abzuräumen, die offensichtlich Teilen der FDP nicht mehr ins Weltbild passen.

Subventionen für deutsche Landwirte gegen Exporthilfen für die deutsche Industrie

Der ehemalige Exportweltmeister Deutschland ist heute nicht nur zu mehr als 40 Prozent vom Export abhängig, sondern im Bereich der landwirtschaftlich erzeugten Lebensmittel auch zu 70 Prozent vom Gemüseimport. Die deutsche Landwirtschaft kann die heimische Bevölkerung schon lange nicht mehr ernähren. Da helfen auch zusätzliche staatliche Subventionen nicht.

Ganz offensichtlich stehen die politischen Parteien noch immer unter dem Eindruck der Bauernproteste im Frühjahr, als ganze Traktorkolonnen mit eindrückliche oft geleasten Fahrzeugen nach Berlin gerollt sind und an den Marsch der Bergleute nach Bonn erinnerten. Der Erfolg der Bergleute war jedoch nicht sehr nachhaltig und heute ist der Steinkohlebergbau nur noch durch seine Senkungen und die daraus resultierenden Folgelasten präsent.

Für eine langfristige Überlebensstrategie ist das Ausspielen der meist kleinräumigen, kaum industrialisierbaren Landwirtschaft gegen die Exportindustrie kaum geeignet. Ist sie doch im Süden der Republik eher kleinräumig strukturiert und leidet unter dem schlechten Ruf der Anbindehaltung, während sie im Osten zwar aus der DDR-Tradition über größere Flächen verfügt, aber zunehmend unter Wassermangel leidet.

Deutschland wird noch lange Zeit vom Außenhandel abhängig sein und kann damit auf die Entwicklungshilfe als Türöffner wohl dauerhaft nicht verzichten.