Sondergipfel in Brüssel: Zuckerbrot und Peitsche

Seite 2: Parteifreund Oettinger droht mit Sanktionen

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Das heißt jedoch nicht, dass der Budgetstreit nun schon beendet ist - ganz im Gegenteil. Polen, Ungarn und andere Länder wie Tschechien versuchen offenbar, der drohenden Konfrontation auszuweichen.

Gleichzeitig spielt Merkel mit Zuckerbrot und Peitsche. Während sie in Berlin immer wieder um Polen wirbt - sogar der Koalitionsvertrag mit der SPD spricht sich für eine Annäherung aus - soll ihr Parteifreund Oettinger in Brüssel mit Sanktionen drohen.

Es ist ein Spiel mit verteilten Rollen - und ein Versuch, die eigene Mitschuld an der europäischen Misere zu verdrängen. Schließlich war es Merkel, die beim laufenden EU-Budget eine massive Kürzung durchsetzte, damals noch gemeinsam mit dem ehemaligen britischen Premier David Cameron. Und es war ebenfalls Merkel, die jahrelang jede Solidarität mit Spanien, Italien und Griechenland verweigerte, die schon lange Flüchtlinge aufnehmen.

Erst mit der großen Krise 2015 und der - europaweit nicht abgestimmten - deutschen Grenzöffnung änderte sich die deutsche Haltung. Seither versucht Merkel, eine "europäische Lösung" der Flüchtlingsfrage zu erzielen, bisher freilich ohne Erfolg. Zuletzt musste sie eine Niederlage im Streit um die Umverteilung durch EU-Quoten hinnehmen: Das Reizthema wurde auf den EU-Gipfel im Juni vertagt.

Das Ringen um finanzielle Solidarität dürfte sogar noch länger andauern. Beim informellen Freitags-Gipfel in Brüssel wurde keine Einigung erzielt, es wurden nur (taktische) Positionen ausgetauscht.

Zur Sache dürfte es erst bei der Europawahl im Frühjahr 2019 gehen, eine Entscheidung wird aber auch dann noch nicht erwartet. Wahrscheinlicher ist, dass der Streit verschleppt wird, etwa bis zum deutschen EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2020.

Dann läge der Schlüssel zur Lösung des Budgetstreits in Berlin - und Merkel könnte ihre Vorstellungen vielleicht doch noch durchsetzen.