"Sorgen und Nöte der Menschen in Klimapolitik einbringen"

Seite 2: "Wir haben keine Stimmen von den Grünen geholt"

Wenn wir uns nun die andere Seite der Akteure ansehen, die Industrie, so haben Sie gefordert, Anreize zu schaffen, statt Verbote zu erlassen. Haben Sie Beispiele wann und wie Anreize, die ja auf freiwillige Selbstverpflichtungen hinauslaufen, funktioniert haben?

Klaus Ernst: Anreize klappen dann, wenn es Alternativen gibt, die besser sind als das, was man gegenwärtig hat. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Wenn wir im öffentlichen Fernverkehr, den auch ich absolut befürworte und den wir dringend ausbauen müssen, schneller unterwegs sind und wenn das eine wirkliche Alternative zum Flieger darstellt, dann werden die Leute die Bahn nutzen, das merke auch an mir selber. Dann brauche ich Kurzstreckenflüge nicht verbieten.

Den Leuten über hohe Preise für Treibstoff das Autofahren zu erschweren, ohne dass es bereits preiswerte und gute Alternativen gibt, ist kontraproduktiv. Sind diese Alternativen vorhanden, werden Pendler, die auf das Auto angewiesen sind, auf den öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen.

Und dann gibt es natürlich Punkte, die müssen wir regeln. Ein Beispiel ist die Abschaffung der Atomkraft, deren Wiederbelebung nicht mehr infrage kommt.

Sie schrieben einmal, die Linke solle nicht grüner sein als die Grünen. Führen Sie das kurz aus, was meinen Sie damit?

Klaus Ernst: Das bezieht sich nicht auf konkrete ökologische Positionen, die wir im Ausschuss behandeln, sondern auf den Wahlkampf und der Parteistrategie. Selbst der Spiegel hat uns bestätigt, dass wir in unserem Programm die Forderungen zur Klimaneutralität der Grünen übertreffen.

Das hat uns im Wahlkampf aber nichts genutzt, wir haben keine Stimmen von den Grünen geholt, sondern Stimmen an die Grünen verloren.

Und da ist meine Position eben klar: Wenn man als Partei angetreten ist, die Interessen der abhängig Beschäftigten, der Rentnerinnen und Rentner, von deren Kindern, das Spektrum der normalen Leute also zu vertreten, dann aber plötzlich Forderungen vertritt, für die es schon eine Partei gibt, die speziell in diesem Bereich eine hohe Zustimmung der Bürger genießt, und wir diese Themen voranstellen, dann ist ganz klar was passiert: dann wird diese Partei gewählt und nicht wir.

Unser Ziel muss sein, im Rahmen der Klimapolitik die Sorgen und Nöte der Menschen aufzugreifen und in die Klimapolitik einzubringen.

Sie haben die Wählerwanderung schon angesprochen: Die Linke hat unterm Strich die meisten Stimmen an SPD (640.000) und Grüne (480.000) verloren, rund 110.000 sogar an die FDP. Inwiefern haben sich also diese Parteien glaubwürdiger um die "kleinen Leute" bemüht?

Klaus Ernst: Das ist logisch: Wenn Sie Politik machen und dabei das, was andere fordern bestätigen, dann kommt das dieser Partei zugute. Wenn wir also Politik in der Kernkompetenz der Grünen machen, dann werden die Grünen gewählt.

Wenn wir aber eine Klimapolitik betreiben, welche die Interessen der abhängig Beschäftigten bei diesem Prozess ins Zentrum stellt, dann wäre das eine Möglichkeit gewesen, einen Teil unserer Klientel zu halten. Es hat mehr Ursachen gegeben, dass wir verloren haben, aber das war ein Grund.

Sie haben indes ja aber die Proteste gegen die Internationale Automobilausstellung kritisiert, weil doch die Autoindustrie schon verstärkt auf klimafreundliche Antriebe setze. Glauben Sie, eine reine Antriebswende ist der Hauptteil der nötigen Verkehrswende, wenn man auch den Ressourcenverbrauch, den aktuellen Strommix und den bisher stockenden Ausbau der erneuerbaren Energien berücksichtigt?

Klaus Ernst: Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass die Mobilitätswende auf eine Weise gelingt, dass wir in absehbarer Zeit den CO₂-Ausstoß zumindest deutlich reduzieren und CO₂-frei werden. Auch die klimaneutrale Produktion von Fahrzeugen schreitet voran. Das ist ein wichtiger Punkt, weil an der Automobilproduktion eine Vielzahl von Arbeitsplätzen und auch Mobilitätwünsche hängen.

Viele Leute brauchen das Auto auch. Wenn sie auf dem Land wohnen, können sie nicht einfach sagen: Wir fahren jetzt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit oder in die Stadt. Wenn es gelingen soll mehr Leute in den öffentlichen Verkehr zu bringen, müssen wir ihn erst mal haben. Deshalb ist unsere Forderung nach einem Ausbau des ÖPNV zentral.

In den Städten haben wir tatsächlich aber zu viel Individualverkehr. Das ist nicht nur durch Elektroantriebe zu lösen, dort brauchen wir andere Verkehrskonzepte.

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