"Sorgenkind" Verkehrspolitik: Wissing tut, was von ihm zu erwarten war

Stand bei mir nicht drauf, was drin ist? Das muss sich Volker Wissing (FDP) angesichts grüner Erwartungen fragen. Foto: Steffen Prößdorf / CC BY-SA 4.0

Fortgesetzte Arbeitsverweigerung: Grüne hoffen immer noch, dass das Ressort des FDP-Mannes einen Plan zur Einhaltung der Klimaziele vorlegt. Aber hat er das ernsthaft versprochen?

Eine Hochzeit will gut überlegt sein: Von einem Kandidaten, der schon in der Kennenlernphase in Blumenvasen pinkelt und während der Verlobungszeit die Frau zum Bierholen schickt, um sich mit der Nachbarin zu vergnügen, kann nach der Trauung nicht plötzlich gutes Benehmen erwartet werden.

Vor allem nicht, wenn er das nicht mal glaubhaft versprochen hat, weil er ganz genau weiß, dass auf der anderen Seite Torschlusspanik im Spiel ist. Wer so einen trotzdem heiratet, darf nicht überrascht sein, wenn er sich nicht ändert.

Ähnlich verhält es sich in Regierungskoalitionen, die manchmal auch "Ehen zu dritt" sind: Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und seine Partei haben nie ernsthaft den Eindruck erweckt, einen Plan vorlegen zu wollen, wie die Klimaziele im Verkehrssektor einzuhalten sind. Im Wahlprogramm der FDP stand nichts, was auch nur entfernt danach aussah, dass sie die Absicht hätte, dies verbindlich innerhalb einer bestimmten Frist zu tun.

Vage Luftschlösser im FDP-Programm

Stattdessen stand da auf Seite 24: "Wir setzen auch beim Umwelt- und Klimaschutz auf den Entwicklergeist von Firmen und Ingenieurinnen sowie Ingenieuren." Mit anderen Worten: auf Erfindungen, die es noch nicht gibt.

Wann es sie gibt, darauf hat das Spitzenpersonal der FDP wenig Einfluss, denn es besteht zum größeren Teil aus Juristen (wie Wissing), Ökonomen und Politikwissenschaftlern – und bis der erhoffte technologische Durchbruch gelingt, wollen sie vor allem auf End-of-the-Pipe-Maßnahmen wie die CO2-Bepreisung und den Handel mit Verschmutzungsrechten setzen.

Die Grünen hätten zwar gerne einen realistischen Plan gesehen, aber wichtiger war ihnen nun mal die Regierungsbeteiligung – sie hatten nicht genug Stimmen erhalten, um allein an der Seite der SPD zu regieren; und die Hoffnung auf einen Sinneswandel bei der FDP wollten sie nie ganz aufgeben, obwohl sie in dieser Frage offensichtlich nicht sehr tough verhandelten. Stattdessen waren sie während der Koalitionsverhandlungen so nett, von einem allgemeinen Tempolimit Abstand zu nehmen.

Grünen-Chefin Ricarda Lang erwartet nun, dass Wissing das zu würdigen weiß, indem er doch noch einen Plan vorlegt:

Wenn Deutschland seine Klimaziele zukünftig erreichen will, müssen alle Bereiche liefern: vor allem auch der Verkehrssektor. Das Verkehrsministerium muss dringend einen Plan vorlegen, wie die Klimaziele im Verkehrssektor erreicht werden sollen.


Ricarda Lang, Ko-Parteichefin der Grünen

"Wir sprechen von Arbeitsverweigerung"

Bereits im August 2022 hat der Klima-Expertenrat der Ampel Wissings Ministerium ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt: Die Pläne zur Emissionsminderung im Verkehrssektor seien "schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch".

"Wir sprechen nicht mehr von schlechtem Klimaschutz. Wir sprechen von Arbeitsverweigerung. Und das muss Konsequenzen haben", kommentierte damals die Aktivistin Luisa Neubauer, sowohl Grünen-Mitglied als auch bekanntestes Gesicht der Jugendbewegung Fridays for Future in Deutschland.

Verkehrsbereich als "Sorgenkind"

Grüne in höheren Partei- oder gar Ministerämtern sprachen deutlich weniger Klartext. Zu beschäftigt waren sie mit ihrer "wertebasierten Außenpolitik" und damit, fossile Energieträger aus anderen fragwürdigen Quellen zu organisieren, um nicht mehr von russischen Lieferungen abhängig zu sein.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wählt als Spitzen-Grüner bis heute Formulierungen, mit denen er Wissing nicht direkt angreift, kommt aber wegen der umweltbewussten Stammwählerschaft der Grünen nicht umhin, dessen Politik zu kritisieren: "Unser Sorgenkind ist der Verkehrsbereich, in dem die CO2-Emissionen erneut gestiegen sind", teilte Habeck am Mittwoch in Berlin mit.

Letztendlich bleibt Wissing aber dem eigenen Parteiprogramm treuer als die Grünen zur Zeit dem ihren. Umweltverbänden bleiben im Zweifel nur noch der Gang vor Gericht und Aktionen des zivilen Ungehorsams, wenn sie wirksamen Klimaschutz noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen wollen.