Soros: Der Milliardär als Mäzen und Messias der Märkte

Seite 2: Soros und die Asienkrise

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Milliardäre wollen zuweilen ihre Wirtschaftskompetenz auf die Gesellschaft anwenden, etwa der Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn, als er die Reform des deutschen Bildungswesens plante.5 Soros fühlt sich dagegen vor allem berufen, das globale Finanzsystem neu zu gestalten.

Er befürwortet in seinem zuweilen von Börsenjournalisten als "Globalisierungskritik" bezeichneten Buch "Der Globalisierungsreport"6 die Arbeit des IWF, wenn er auch gelegentlich linksliberale Kritik an Details übte. Im Globalisierungsreport will er sogar den IWF und andere Finanzinstitutionen (WTO, Weltbank) verteidigen und reformieren - teilweise nach dem Vorbild seiner OSF. Soros' Vorschläge wurden zwar nicht umgesetzt, aber mit Respekt und Bewunderung von der Presse aufgenommen. Das entspricht der heute allgemein verbreiteten Haltung gegenüber erfolgreichen Wirtschaftsführern, die der Elite-Forscher C.W.Mills, der den Begriff der "Macht-Elite" prägte, so kommentiert:7

Es ist amüsant, zu beobachten, wie die Wissenschaftler und Forscher ihre Ansichten über die großen Geschäftsleute... im Laufe der Zeit geändert haben... Im Gefolge der konservativen Nachkriegsströmung sind aus den ‚Räuberbaronen‘ ‚weitblickende Industriekapitäne‘ geworden. Die großen Konzerne, sehr auf ihre Wirkung in der Öffentlichkeit bedacht, lassen sich neue, wissenschaftlich fundierte Biographien schreiben, in denen der Unternehmer als Pionier der Wirtschaft verherrlicht wird. Man stellt ihn als einen Wirtschaftsführer dar, dessen großartige Leistung allen zu Gute kam und von dessen edlem Charakter die heutigen Generaldirektoren ihr gutes Recht auf unumschränkte Herrschaft ableiten können

C.W.Mills

Echte Globalisierungskritik, wie sie ATTAC gegen viele Widerstände populär gemacht hat, will Soros dabei offenbar trickreich ins Leere laufen lassen. Die für ATTAC namensgebende Tobin-Tax auf Währungsspekulation will der Währungsspekulant, wenn sie denn schon eingeführt wird, lieber auf alle Finanztransaktionen ausweiten.8 Soros merkt aber an, dass dies wohl in der Praxis nie gelingen würde und setzt einen raffinierten Vorschlag dagegen, der mit Sonderziehungsrechten des IWF arbeitet und wohl letztlich die Verantwortung auf die Zentralbanken und Regierungen abschieben soll. Damit würden Soros und sein Hedgefonds ihre Hände weiter in Unschuld waschen können.

Soros warnte 2002 in seinem Globalisierungsreport vor den krisenhaften Turbulenzen der Finanzmärkte; er gab sogar zu, dass die neoliberale Deregulierungswelle des Finanzsektors nicht ganz unschuldig daran ist. Seine eigene Rolle als Nutznießer und zuweilen sogar Mitverursacher dieser Turbulenzen erwähnt er dort jedoch nicht. Auch die Rolle des IWF malt Soros sehr rosig.

Immerhin werfen (echte) Kritiker dem IWF vor, er schüre die Krisen und sorge zugleich dafür, dass Spekulanten wie Soros ungeschoren ihre Profite auf Kosten der betroffenen Länder und ihrer Bevölkerung in Sicherheit bringen können. Die Asienkrise von 1998 gilt als prominentes Beispiel für desaströse Krisenverschärfung durch IWF-Politik. Soros erwähnt diese Krise zwar, vergisst dabei aber auf seine in der Finanzwelt viel gerühmte Spekulation gegen den thailändischen Bath hinzuweisen, die manche als Auslöser der Krise sehen. Auch der in seinen Maßnahmen gescheiterte IWF kommt bei Soros gut weg:9

Nun kann man behaupten, der IWF habe in der Asienkrise das falsche Rezept angewandt... Es ist allerdings fraglich, ob der IWF überhaupt eine andere Wahl hatte. Meiner Meinung nach wäre die richtige Lösung ein Schuldenmoratorium gewesen... Natürlich muss ich zugeben, dass ein Moratorium das internationale Finanzsystem hätte schädigen und zu einer Ausweitung der Krise hätte führen können. Und da die Hauptaufgabe des IWF darin besteht, das Finanzsystem zu sichern, konnte er ein solches Risiko nicht eingehen.

George Soros

Der IWF hat nach Aussage von Soros also die Krise weder durch seine Deregulierungspolitik vorbereitet, noch durch seine Austeritätspolitik verstärkt und auch die Spekulanten (allen voran Soros selbst) nicht durchgefüttert, indem er ihre vordringliche Auszahlung zur Bedingung für seine (im Endeffekt nutzlosen) "Hilfsprogramme" machte. Das Vermögen, das Soros als treibender Akteur bei dieser Krise "verdiente", scheint dem Milliardär auch nicht der Rede wert zu sein.

Etwas kritischer sieht Ernst Wolff die Rolle des Währungsfonds in seinem Buch "Weltmacht IWF. Chronik eines Raubzugs". Der IWF hat nach seiner Auffassung10 versäumt, vor den lauernden Gefahren der asiatischen Finanzmärkte zu warnen, und die krisenhafte Entwicklung eher noch gefördert - sogar, als sich das kommende Unheil bereits abzeichnete.

"Private Kapitalflüsse haben für das internationale Geldwesen größte Bedeutung bekommen, und ein zunehmend offenes und liberales System hat sich für die Weltwirtschaft als vorteilhaft erwiesen", hieß es in einer Erklärung des IWF vom 21. September 1997 - zu einem Zeitpunkt, da US-Milliardär George Soros und andere Spekulanten bereits gegen die thailändische Währung Baht wetteten und der Startschuss für eine verheerende länderübergreifende Kettenreaktion längst gefallen war.

Ernst Wolff: Weltmacht IWF

Nun könnte man einwenden, Ernst Wolff sei wohl einer jener "linksextremen Kritiker", vor denen Soros den IWF mit seinen Reformvorschlägen schützen wollte11, und die Wahrheit über Thailand, Soros und den IWF liege wohl irgendwo in der Mitte. Ziehen wir jedoch einen weiteren Zeugen hinzu, erweist sich Soros IWF-Verteidigung als substanzlos. Der Finanzwissenschaftler Joseph Stiglitz vertritt Thesen, die Wolff stützen und Soros nicht gut aussehen lassen:12

Thailand hatte seine Währungsreserven erschöpft, weil es sie 1997 zur Abwehr von Spekulanten eingesetzt hatte. Nachdem entschieden worden war, Thailand müsse seine Währungsreserven rasch auffüllen, war eine schwere Rezession unvermeidlich... Wenn die Länder Ostasiens "extrem krisenanfällig" waren, wie der IWF und das US-Finanzministerium behaupteten, dann war es eine neu erworbene Anfälligkeit, die nicht auf erhöhter Intransparenz, sondern auf anderen Faktoren beruhte: der übereilten Liberalisierung der Kapital- und Finanzmärkte, die der IWF diesen Ländern aufgezwungen hatte.

Stiglitz: Schatten der Globalisierung

Dabei stammen der keynesianische Stiglitz und der neoliberale Soros in gewisser Hinsicht aus dem selben Stall - aus der Finanzwelt rund um die von Bill und Hillary Clinton dominierte Demokratische Partei, die Soros mit großzügigen Spenden bedenkt. Professor Joseph Stiglitz bekleidete Ämter im Stab von US-Präsident Bill Clinton, er war zudem Chefvolkswirt der Weltbank und seine Expertise ist durch einen Wirtschaftsnobelpreis ausgewiesen.

Allzu "linksextrem" kann Stiglitz also kaum sein, auch wenn er die Rolle des IWF ähnlich sieht wie Wolff, wobei er Soros zwar nicht namentlich erwähnt, aber die Spekulanten allgemein als treibende Kraft und Nutznießer der Asienkrise brandmarkt. Sein Vorwurf an den IWF lautet, dieser verfolge nicht mehr nur die Ziele, die in seinem ursprünglichen Mandat festgelegt sind; er sei auch Sachwalter der Interessen der Finanzwelt geworden.13

Wenn heute durch TTIP, TTP und CETA Globalisierung bedeutet, dass immer mehr Macht an Konzerne und Geldelite übertragen wird, wird Globalisierungskritik zu einem genuin demokratischen Anliegen. Diese angeblichen "Freihandelsabkommen" sind notorische Angriffe der Geldeliten, die fortsetzen, was 1998 mit der Niederlage ihres Überraschungscoups, des "Multilateral Agreement on Investments" (MAI) abgewehrt werden konnte (Globale Regulierung).

Eine neue Weltwirtschaftsordnung sollte auch schon das MAI werden, von der OECD, dem Club der 30 reichsten Länder, unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit in Hinterzimmern ausgekungelt -wie heute TTIP & Co. Man wollte auch schon im MAI "den Investoren" in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag auf Jahrzehnte hinaus pauschal Herrschaftsrechte übertragen - inklusive dubioser "Schiedsgerichte". Doch das MAI flog auf und wurde durch die Internet-Subkultur weltweit wenigstens einer politisch informierten Minderheit bekannt gemacht.

Heute scheint die Macht der Finanzeliten stärker zu sein: Die pure Enthüllung genügt nicht mehr. Wie diese Machtzunahme im Rahmen eines als "Globalisierung" beschönigten Prozesses von statten ging, lässt sich auch am komplizierten Fall Soros aufzeigen.

Wie wir sehen werden, geht Stiglitz in seiner Globalisierungskritik noch weiter, aber nicht so weit, wie der Schweizer Professor Jean Ziegler, der auch die sozialen Folgen der globalen Finanzsysteme detailliert benennt und Schulden als "Massenvernichtungswaffe" brandmarkt. Soros weltanschaulich enge Beziehung zu neoliberalen Deregulierungen wird sich auch über seinen intellektuellen Ziehvater Karl Popper zeigen.

Die "Offene Gesellschaft" Poppers, die Soros' Open Society Foundation verficht, spiegelt auch Ideen der Mont Pèlerin Society. Gegründet wurde diese neoliberale Denkfabrik, deren wohl prominentestes Mitglied Popper war, durch August von Hayek, einen Nestor des Neoliberalismus. Für Thailand waren die "Offenen Märkte" eine Katastrophe -ebenso für viele weitere Länder Asiens- und die Verstrickung von Soros darin verdient weitere Analyse.

(Mehr darüber in Teil 3: Soros und der IWF: Ziemlich beste Freunde)

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