Spanien: Mit Spam gegen Kritisches im Internet
Ein neues E-Commerce-Gesetz könnte die Meinungsfreiheit im Internet stark einschränken
Spanien wird vermutlich morgen einen großen Schritt auf den Weg in Richtung Abschaffung der Meinungsfreiheit gehen. Die spanische Regierung will eine der letzen Bastionen der pluralistischen Mediengesellschaft, die noch nicht unter ihrer direkter Kontrolle stehen, mit dem sogenannten "Ley de Servicios de la Sociedad de la informacion y de Comercio Electronica" (LSSI) schleifen.
Wenn alles wie geplant verläuft, soll der Ministerrat morgen das Gesetz für die Dienste der Informationsgesellschaft und des E-Commerce verabschieden, damit es seinen Weg durch die parlamentarischen Gremien antreten kann. Dann steht seiner Verabschiedung angesichts der absoluten Mehrheit der konservativen Volkspartei nichts mehr im Wege. Die Gesetzesinitiative der Regierung zeigt anschaulich, wie ein positives Anliegen in ein antidemokratisches Kontrollmittel verwandelt wird.. Es sollte eigentlich, eine Rechtsgrundlage für den elektronischen Handel schaffen die EU-Norm 2000/31/CE umsetzen und darin nervige Spam-Mails verbieten (Die spanische Regierung legt ein E-Commerce-Gesetz vor).
Dessen jedenfalls rühmt sich weiterhin das zuständige Ministerium für Wirtschaft und Technik. Gleichzeitig gibt es sich demokratisch und betont die "breite öffentliche Befragung" der Gesellschaft, von betroffenen Gruppen, Firmen etc, die zu 50 Einwendungen gegen das LSSI geführt habe. Doch wie die Zeitschrift Kriptópolis am Dienstag berichtete, hat der Gesetzestext ohne nennenswerte Veränderungen den Staatsrat passiert und soll morgen vom Kabinett verabschiedet werden.
Allen voran Kriptópolis und die spanischen Internetbenutzer, die sogenannten Internautas, laufen nun Sturm gegen die das LSSI. Der Anwalt und Autor von Kriptópolis, Javier A. Maestre, erklärte gegenüber Telepolis, es gebe deutliche Zeichen dafür, dass die Regierung angesichts des massiven Protestes das Vorhaben erneut verschiebt: "Es ist fast sicher, dass das Vorhaben erneut verschoben wird", sagte er.
Maestre weist auf wesentliche Bedenken hin, die Internautas und Demokratiefreunde gegen das Gesetz vorbringen und unterstreicht den antidemokratischen Charakter des Vorhabens. "Es erlaubt der Verwaltung eine Webseite zu schließen, ohne dafür eine richterliche Anweisung zu haben", wenn sich darauf "inkorrekte Inhalte" befänden. Unter Strafe würden dabei sogar einfache Links gestellt und die Provider müssten dafür Sorge tragen, entsprechende Seiten in Spanien nicht zugänglich zu machen. Im Falle der Nichtbeachtung drohen Strafen bis zu etwa 100.000 Euro. Dabei seien die Kriterien nur äußerst vage formuliert.
Maestre sieht darin sogar eine Verletzung der Verfassung, weil die Meinungsfreiheit drastisch eingeschränkt werde. Fragwürdig ist für ihn deshalb auch die Vorgehensweise der Regierung. Die versucht das LSSI als einfaches Gesetz einzubringen, doch nach Ansicht von Maestre handelt es sich hierbei um eine Verfassungsänderung, für die natürliche andere Mehrheiten erforderlich wären. Seine Ansicht teilt er auch mit Alfons López Tena, Mitglied des Generalrats für Justizgewalt, ein Organ zur Kontrolle der Justiz.
Doch damit nicht genug des Horrors. Sollte das Gesetz tatsächlich einmal in Kraft treten, wäre jede Information im Netz gleich E-Commerce. Das ist jedenfalls die Auffassung des spanischen Sekretärs für "Informationdienste". Egal, ob es sich dabei um ein Weblog handelt, eine Mailinglist oder eine Website mit Strickmustern. Selbst der Hinweis auf eine Website in einer Email wird nach dem LSSI als Werbung verstanden. Das hat die entsprechenden Konsequenzen: die Betroffenen müssen sich ins Handelsregister eintragen, sind juristisch greifbar und müssen Steuern zahlen.
Für Maestre sind das extrem Entwicklungen. Meinungsfreiheit gibt es dann nämlich in Internet nur noch für die, die Steuern bezahlen. Damit sollen unzweifelhaft auch kleine kritische NGO's, Gruppen oder Einzelpersonen getroffen werden, die entweder über die Steuern oder über die Strafen verdrängt werden.
Es handelt sich bei der Initiative unzweifelhaft um den Versuch die Staatskassen weiter zu füllen und gleichzeitig auch die Kontrolle über die Medien auszuweiten. In Spanien kontrollieren vier große Unternehmen nahezu alle Medien, die dazu überwiegend der Regierung nahe stehen oder von ihr wie die öffentlich-rechtlichen Medien direkt kontrolliert werden. So verwundert es zum Beispiel nicht, dass bisher in den Medien nahezu nicht über das LSSI berichtet wird. In der regierungsnahen Zeitung El Mundo, sucht man vergeblich. Nur die den oppositionellen Sozialisten nahestehende Gruppe Prisa (z.B. El Pais) berichtet zaghaft.
Immer wieder kam es in den letzten Jahren zu versuchten oder durchgeführten Schließungen von kritischen Medien. So wurde 1998 die baskische Zeitung und das gleichnamige Radio Egin geschlossen. Unrechtmäßig, wie sich später herausgestellt hat. Die angebliche Verbindung mit einer bewaffneten Bande, die zur Schließung eines Kommunikationsmediums noch notwendig ist, konnte nicht bewiesen werden. Doch die beiden Medien haben logischerweise die monatelange "vorläufige Schließung" von Ermittlungsrichter Baltasar Garzón nicht überlebt. Im vergangenen Jahr drohte er der Zeitschrift "Ardi Beltza" mit einem Verbot, weil die in einem Video die direkten Verbindungen zwischen dem Innenministerium und verschiedenen Medien aufgedeckt hat. Auch hier verschwand erneut ein Journalist unrechtmäßig monatelang auf Garzóns Befehl hinter Gittern, wie der Nationale Gerichtshof später feststellte. Doch auch Ardi Beltza knickte wirtschaftlich ein. Erst vor wenigen Tagen mussten sich die Direktoren von zwei baskischen Zeitschriften erneut vor Garzón verantworten. Anstiftung zum Mord und Unterstützung der ETA hatte er ihnen vorgeworfen, weil sie ein Interview mit der ETA veröffentlicht hatten.