Spanien: Regierung will Mieter entlasten

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Sozialdemokraten präsentieren neues Wohnungsgesetz. Es verspricht zahlbare Mieten und Sozialwohnungen. Dennoch werden die Mieten steigen.

Das umstrittene Wohnungsgesetz ist am Donnerstag im spanischen Parlament mit einer eher knappen Mehrheit beschlossen worden. Gut 13 Monate hatten sich Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern der Minderheitsregierung hingezogen, in denen die Sozialdemokraten (PSOE) reale Verbesserungen für Mieter weitgehend auszubremsen versuchten.

Ohnehin hatte die Regierung zuvor zwei Jahre der Legislaturperiode nutzlos verstreichen lassen, statt sich an die versprochenen Verbesserungen für die Bevölkerung zu machen. Auch in dieser Frage konnte sich die Linkskoalition Unidas Podemos (UP) nicht gegen die Sozialdemokraten durchsetzen, die bei realen sozialen Verbesserungen meist auf der Bremse stehen.

So war bis zum Jahresanfang sogar befürchtet worden, dass es in dieser Legislaturperiode – im November stehen Neuwahlen an –, nicht einmal zu minimalen Verbesserungen kommen würde.

Plötzlich sollte es dann aber schnell gehen, denn das Gesetz soll noch vor den Kommunal- und Regionalwahlen am 28. Mai auch den Senat passieren und im Gesetzesblatt veröffentlicht werden.

Angesichts der wirtschaftlichen Lage, dem starken Kaufkraftverlust durch die hohe Inflation und der Zerstrittenheit der Regierungskoalition brauchen die Regierungsparteien und ihre Unterstützer vor den Wahlen angesichts schlechter Umfrageergebnisse etwas, um ein wenig bei der einfachen Bevölkerung punkten zu können.

Es gibt allerdings von allen Seiten Kritik. So stimmte etwa die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), die eigentlich zu den Unterstützern der sozialdemokratischen Regierung unter Pedro Sánchez gehört, gegen das Vorhaben, weil es Autonomierechte aushebele.

Der Präsident der großen Unternehmervereinigung CEOE, Antonio Garamendi, nannte das Gesetzesvorhaben "interventionistisch" und "populistisch". Er befürchtet, es werde "genau das Gegenteil" von dem bewirken, was eigentlich beabsichtigt sei, und spielt damit auch auf die verunglückte Sexualstrafrechtsreform an. Die hatte dazu geführt, dass inzwischen wegen handwerklicher Fehler gut 100 Sexualstraftäter vorzeitig freigekommen sind, bei Hunderten wurden die Strafmaße gesenkt.

Einige Ökonomen schlagen in eine ähnliche Kerbe wie Garamendi und verweisen darauf, dass einst der Diktator Franco die Mieten gedeckelt hatte, ein zentraler Bestandteil des Gesetzes. Der Schuss sei damals nach hinten losgegangen, argumentiert etwa der Wirtschaftswissenschaftler Gonzalo Bernardos. Die Zahl der verfügbaren Mietwohnungen sei in Barcelona deshalb zwischen 1950 und 1990 von gut 80 Prozent auf nur noch 20 Prozent gesunken.

Die reale Deckelung und Null-Erhöhungen haben in einigen Fällen dazu geführt, dass auch heute noch einige Mietverhältnisse bestehen, bei denen man nur 100 Euro bezahlt. Diese Mietverhältnisse, die im besten Fall sogar über zwei Generationen vererbbar waren, gibt es aber nur noch selten.

Bernados befürchtet, dass auch das neue Gesetz zu einem Rückgang von Mietverhältnissen führen wird. Er meint, dass nicht Vermieter für den "Sozialschutz" verantwortlich seien, "sondern die Regierung".

Die verschiedensten Regierungen, ob sozialdemokratisch oder konservativ, haben aber seit dem Ende der Diktatur für den sozialen Wohnungsbau kaum etwas getan. Der fristet hier ein stiefmütterliches Dasein. Die hohen Mieten, vor allem in Ballungszentren, könnten nach Ansicht von Experten über eine billige Konkurrenz als Sozialwohnungen gesenkt werden.

Nur 2,5 Prozent der Wohnungen hier im Land sind Sozialwohnungen. Spanien ist damit europäisches Schlusslicht, wie sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk RTVE herausstreicht. Demnach liegt aber auch Deutschland unter dem Durchschnitt von gut neun Prozent. In den Niederlanden sind es nach Darstellung des Senders dagegen 30 Prozent, in Österreich 24 Prozent oder Dänemark 21 Prozent.

Auch Mietervereinigungen sehen im neuen Gesetz wenig Fortschritte. Ein zentrales Problem beim Wohnungsgesetz ist, dass die Mieten nicht wirklich gedeckelt werden, auch wenn das zum Beispiel die taz in einem Titel behauptet hatte: "Mehrheit für Mietpreisdeckel steht".

Real dürfen die Mieten nämlich weiter steigen. Nur soll die Steigerung für zwei Jahre limitiert werden. Für 2024 sollen sie drei Prozent steigen dürfen. Im Jahr darauf soll die Steigerung auf die allgemeine Inflationsrate begrenzt werden.

In Stadtteilen mit einer "angespannten Wohnungslage" sollen besondere Bedingungen herrschen, welche die zuständigen Regionalregionen ausweisen können. Hier kann es deutliche Steuererleichterungen geben, wenn die Mieten um fünf Prozent gegenüber dem Vorvertrag gesenkt werden.

Auch Mietervereinigungen sehen in dem Gesetz kaum Fortschritte, was aber Sánchez verschmerzen kann, da das vor allem zuungunsten des Juniorpartners UP geht. Von der Linkskoalition hatten sich viele versprochen, dass sie deutliche Verbesserungen durchsetzen kann. Die sind allerdings auch in vielen anderen Bereichen nicht gekommen; wie etwa zu sehen bei der Arbeitsmarktreform.

Experten, die sich näher mit der Lage beschäftigt haben, sprechen längst davon, dass die Mieten vor allem in den Ballungszentren so explodiert sind, dass sie längst "unbezahlbar" geworden sind. Das erklärt Pablo Carmona, der sich seit vielen Jahren für Mieterrechte einsetzt.

Er war einst Spitzenkandidat für eine Bürgerkandidatur in der Hauptstadt Madrid, die Podemos nahestand. Aus der ging schließlich das erfolgreiche Konkurrenzprodukt Más Madrid (Mehr Madrid) hervor.

Der Historiker, der auch Bücher zum Thema veröffentlicht hat, macht deutlich, dass die "Mieten in den letzten Jahren um 50 Prozent" gestiegen sind. Viele Haushalte müssten zudem längst mehr als 50 Prozent des Einkommens für die Miete aufbringen.

Das Mietproblem wird andauern, wenn das Wohnungsgesetz nicht zu einer drastischen Senkung der Preise führt.

Pablo Carmona

Auch Jaime Palomera, der in der Mietergewerkschaft aktiv ist, führt zentrale Kritikpunkte an dem Gesetz an, auch wenn er zum Beispiel positiv herausstreicht, dass die Mieter nun nicht mehr Dienstleistungen – wie Vermittlung – bezahlen müssten, welche Immobilienmakler für die Vermieter erbringen.

Auch der Wissenschaftler am Institut für Stadtforschung führt als zentralen Kritikpunkt, dass explosionsartig angestiegene Mieten nicht gesenkt werden. Er verweist darauf, dass das um bis zu sechs Prozent über das katalanische Gesetz geschafft worden war. Das Gesetz, das auch andere reale Verbesserungen gebracht hatte, war zwischen 2020 und 2022 in Kraft. Es wurde aber durch das spanische Verfassungsgericht auf Antrag der Regierung gekippt.

In seinem Blogeitrag für die Onlinezeitung Publico unterstreicht Palomera, dass auch Saisonverträge nicht angekratzt werden. Vermieter könnten darüber weiterhin jegliche Regulierung umgehen. Er sieht deshalb als "absehbares Ergebnis" eine ähnlich kontraproduktive Wirkung wie der Ökonom Bernados. Der Wissenschaftler vermutet, dass "das Angebot auf dem Wohnungsmarkt stark zurückgehen wird", da es zunehmend in den Teilmarkt der Saisonverträge umgeleitet werden wird.

Er kritisiert die vagen Formulierungen im Gesetz. Sie böten sogar den Anreiz, Mieter auf die Straße zu setzen. Denn mit neuen Mietern könne die Limitierung faktisch umgangen und die Mieten wieder unbegrenzt erhöht werden. "Für den neuen Mieter ist es schwer, den Mietpreis im vorherigen Vertrag zu beweisen", unterstreicht Palomera.

Dass ein zentrales Problem im Land der fehlende soziale Wohnungsbau ist, weiß auch die Regierung. Sánchez hat, nach fast vier Jahren völliger Untätigkeit, deshalb angekündigt ("Ich verpflichte mich"), den Anteil an Sozialwohnungen in nur zwei Jahrzehnten auf 20 Prozent zu erhöhen: "Das will ich für mein Land."

Dies nimmt der Regierung allerdings niemand ernsthaft ab und auf Nachfrage von Journalisten spricht sie nun nur noch davon, dies für "Gemeinden mit einer angespannten Situation" vorzusehen. Aber auch das wäre noch ein sehr ehrgeiziges Ziel und ist kaum umsetzbar.

Sánchez hat im Wahlkampf ankündigt, 50.000 Sozialwohnungen zu mobilisieren, die sich in den Händen der staatlichen Bad Bank (Sareb) befinden. Das erzürnt aber den Koalitionspartner Podemos, der sich mit der Regulierung der vielen Touristenwohnungen nicht durchsetzen konnte.

Der Juniorpartner spricht von "Wahlkampfspektakel". Fast vier Jahren hatte Podemos erfolglos versucht, die Wohnungen auf den Markt zu bringen.

Viele der angekündigten 50.000 Wohnungen sind in keinem bewohnbaren Zustand, 15.000 müssten sogar erst gebaut werden, gibt sogar die Regierung zu.

Das sei zwar eine gute Initiative, meint der Chef der größten Gewerkschaft CCOO, die der Regierung nahesteht. Aber auch Unai Sordo kritisiert, dass es nicht um Zehntausende, sondern um "Millionen Wohnungen" gehen müsse. Schon heute hätten Millionen Menschen "enorme Probleme", eine Miete zu bezahlen oder an einen Kredit für den Wohnungskauf zukommen.