Spanien entschuldigt sich bei den Vereinten Nationen

Der UN-Sicherheitsrat muss erstmals eine Resolution korrigieren, weil die mittlerweile abgewählte spanische Regierung unbedingt die ETA für die Anschläge in Madrid verantwortlich machen musste

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In einem offiziellen Schreiben hat sich die spanische Regierung wachsweich bei der UN entschuldigt und damit unterschwellig eingeräumt, die gesamte Welt über die Urheberschaft der Anschläge am 11. März in Madrid belogen zu haben. In dem Brief des spanischen Botschafters bei der UN versucht Inocencio Arias aber weiter die Ehrenrettung seiner konservativen Ex-Regierung: "Wir waren voreilig", schreibt der spanische Botschafter an den französischen Vorsitzenden des Sicherheitsrats: "In gutem Glauben haben wir auf etwas gesetzt, was nun mit einem Fragezeichen behaftet ist." Dass die baskische Untergrundorganisation ETA "hinter den Anschlägen gesteckt hat, davon waren wir überzeugt".

Auf Drängen der spanischen Regierung hatte der UN-Sicherheitsrat am 11.3., wenige Stunden nach dem Attentat, die Resolution 1530 in einer kurzen Sitzung verabschiedet, in der "die von der ETA verübten Anschläge in Madrid" auf schärfste verurteilt werden.

Eigentlich müsste dieses Schreiben erneut als Frechheit aufgefasst werden. Schon abgewählt, versucht die PP die Öffentlichkeit weiter an der Nase herumzuführen und gibt nicht einmal jetzt zu, dass bislang an der ETA-These nichts dran ist. (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien) Von Beginn an gab es große Zweifel daran. Nun ist auch klar, dass es sogar eine Lüge war, die Anschläge seien mit dem selben Sprengstoff ausgeführt worden, den die ETA normalerweise benutzt. Ohnehin handelt es sich bei deren Sprengstoff derzeit meist um ein Chloratgemisch, dessen Grundstoff in fast jedem Gartencenter erhältlich ist.

Jedenfalls gab es schon bei der Abstimmung im Sicherheitsrat größere Widerstände von etwa der Hälfte der Mitglieder. Algerien, Pakistan, Brasilien, Russland und Deutschland sollen dagegen gewesen sein, der ETA sofort die Verantwortung zuzuschieben. Darum verwundert, warum Innenminister Otto Schily tagelang an einer möglichen ETA-Täterschaft oder deren noch absurderen möglichen Zusammenarbeit mit al-Qaida festgehalten hat. Liegt das nur an der fragmentarischen Informationsübermittlung, über die sich der deutsche Geheimdienst in Spanien beschwert. Es ist sicher einfach, jetzt die Schuld auf die abgewählte Regierung Aznar zu schieben, doch warum man zuließ, die Vereinten Nationen für den Wahlkampf der PP einzuspannen, sollte noch einer genaueren Betrachtung unterzogen werden.

Jedenfalls steht die UN nun vor der Frage, wie erstmals in ihrer Geschichte eine Resolution rückgängig gemacht werden kann. Da dies nicht vorgesehen ist, muss wohl eine neue Resolution erstellt werden, welche die falsche 1530 ersetzt.

Spanien konzentriert seine Ermittlungen nun auf sechs Marokkaner, die von Jamal Zougam geführt worden seien. Dabei handele es sich um ein Mitglied von al-Qaida in Europa. Zougam soll eines der Mobiltelefone gekauft haben, die als Zünder für einen der Sprengsätze gedient haben, erklärte die Polizei. Sechs Mitglieder der Terrorzelle seien bereits identifiziert, fünf Personen würden gesucht. Doch auch diese Informationen sind mit Vorsicht zu genießen. Zu oft schon wurde großspurig die Verhaftung von angeblichen al-Qaida Zellen verkündet. Nicht selten stellte sich das als Schlag ins Wasser heraus, wie im Fall des Kommando Dixan (Spanien will "Präventivschläge" auch im Innern ausführen).