Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien
Vor allem die ganz auf Parteiinteressen ausgerichtete Informationspolitik der Aznar-Regierung im Hinblick auf die Anschläge dürfte zum Sieg der Sozialisten beigetragen haben
Die Wähler in Spanien hatten es satt, sich von der regierenden Volkspartei (PP) an der Nase herumführen zu lassen, und haben sie deshalb abgestraft. Statt der erhofften absoluten Mehrheit ist die PP auf nur noch 37,64 Prozent geschrumpft und wird damit nur noch 148 Sitze im Parlament erhalten. Großer Gewinner der Wahl sind die Sozialisten (PSOE) die 42,64 der Stimmen erreichen konnten und mit 164 Sitzen im Parlament vertreten sein. Nicht der Terrorismus hat damit gewonnen, sondern verloren hat eine Politik, die zu offensichtlich die öffentliche Meinung manipulieren wollte und sich gegen die Mehrheit des Volkes am Irak-Krieg beteiligt hat.
Als Gewinner muss auch die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) bezeichnet werden. Die Partei, die nur in Katalonien zur Wahl antritt, konnte sich von 0,84 Prozent auf 2,54 Prozent verbessern. Sie hat damit statt einem Sitz gleich acht Sitze im Parlament und ist damit viertstärkste Kraft. Die Wähler in Katalonien haben damit den Kurs des Parteichefs Josep Lluis Carod-Rovira gestärkt, der erst kürzlich von seinem Posten in der Regionalregierung zurücktreten musste, weil er sich im Januar mit der baskischen Untergrundorganisation ETA getroffen hatte, um sie von einer Waffenruhe oder dem Ende des bewaffneten Kampfs zu überzeugen (Spaniens Geheimdienste erneut im Fadenkreuz).
Die Stimmen für die ERC kamen im wesentlichen von der katalanischen Regionalpartei "Konvergenz und Einheit" (CiU), die jahrelang sowohl in Madrid als auch in Katalonien im Bündnis mit der PP stand und nur noch 10 statt 15 Sitze erhielt. Auf ihrem Niveau halten konnten sich auch alle baskischen Regionalparteien, wobei auch hier die Linke gestärkt wurde und die sozialdemokratische Solidaritätspartei (EA) einen Sitz erreicht hat, genauso wie das neue Wahlbündnis aus der Provinz Navarra, Nafarroa Bai. Hierzu dürften auch die Trauer und die Wut darüber beigetragen haben, nachdem ein Polizist am Samstag einen Ladenbesitzer erschossen hat, der sich geweigert hatte, ein Plakat mit dem Slogan "ETA Nein" aufzuhängen.
Sonderbar ist allerdings, dass die "Vereinte Linke" (IU) ebenso eingebrochen ist. Statt 5,54 Prozent hat sie nur noch 4,96 Prozent erhalten. Verständlich wird dies, weil die von den Kommunisten dominierte Partei zerstritten ist und nur eine wenig klare und eigenständige Politik macht.
Ohne die Terroranschläge, die auch zu einer 10 Prozent höheren Wahlbeteiligung als vor vier Jahren führten, lässt sich das Wahlergebnis jedenfalls nicht erklären. Alle Umfragen gingen vor den Attacken davon aus, dass die PP die Wahl gewinnen wird (Spanische Wahlen). Unsicher war nur, ob sie eine absolute Mehrheit erhalten wird oder nicht. Doch die Strategie, die ETA für den Anschlag verantwortlich zu machen, ging schief. Zu offensichtlich war, dass diese Version nicht stimmen kann und so stellten nach dem Dementi der ETA immer mehr Menschen einen Zusammenhang zum Irak-Krieg her, der von einer überwältiegnden Mehrheit der Spanier abgelehnt wurde. Ohnehin hatte man noch die Lügen vor Augen, mit denen Aznar die Beteiligung gerechtfertigt hat.
Als dann immer mehr Meldungen, auch in den von der PP weitgehend kontrollierten spanischen Medien, über Hinweise auf al-Qaida auftauchten, platzte vielen Menschen der Kragen und sie organisierten Demonstrationen gegen die PP (Flashmobs gegen die spanische Regierung). Als dann der PP-Kandidat Mariano Rajoy auch noch juristische Schritte gegen die "illegalen" Demonstranten androhte, war sein Ende besiegelt und der Weg frei für den Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero. Schließlich musste der Innenminister in der Nacht von Samstag auf Sonntag vor die Presse treten und einräumen, dass es, neben dem Bekennerschreiben, nun auch ein Bekennervideo gäbe ("Ihr wollt das Leben, wir den Tod"). Dabei hat Angel Acebes, so sagen Kollegen der Radiokette Ser, erneut gelogen. Er hatte behauptet, das Video wäre gerade gefunden worden. Doch aus Kreisen der Sicherheitsdienste hatte das Radio schon viel früher über die Existenz des Bekennervideos erfahren.
Zapatero muss jetzt, um eine stabile Regierung zu erhalten, Bündnisse mit kleineren Regionalparteien eingehen. An der Tatsache, ob er lieber das Modell Katalonien wählt, also ein Bündnis mit der ERC, oder mit der IU zusammenarbeitet, wird sich zeigen, ob er tatsächlich zu einem inhaltlichen Schwenk bereit ist. Bis auf die Kritik gegen der Kriegsbeteiligung hatte die PSOE viele Gesetzesverschärfungen der PP mitgetragen. Zunächst einmal hat Zapatero aber angekündigt, alleine mit punktuellen Absprachen regieren zu wollen. Überdies versprach er, die spanischen Truppen aus dem Irak bis zum 30. Juni zurückzuziehen, sich stärker Europa, Lateinamerika und dem Mittelmeerraum zuzuwenden und eine neue Politik zu beginnen, die demokratisch ist, nicht mehr lügt und zuhört. Zapatero versucht auch, die Anschläge als Ursache für den Wahlausgang herunterzuspielen und bezeichnete ihn als Ergebnis der letzten vier Regierungsjahre der PP.