Spanien: Berlusconis Medienmacht als Vorbild?
Der spanische Ministerpräsident Aznar will mit einem neuen Rundfunkgesetz den "Fernehmüll" bekämpfen, während der dafür zuständige Minister 3.000 spanischen Wissenschaftlern "Dummheiten" vorwirft
Bei der Durchsetzung ihrer Politik spart Spaniens Regierung spart nicht mit Kraftausdrücken. So warf Ministerpräsident José María Aznar in der Diskussion um den Entwurf eines "Rundfunkgesetzes" den Verantwortlichen vor, "Fernsehmüll" zu produzieren. Der für den Gesetzesvorschlag zuständige Minister, Josep Piqué, erklärte dafür das Manifest für die Wissenschaft zu einer "Dummheit".
Fast 3000 Forscher hatten mit ihrer Unterschrift unter das Manifest kritisiert, die Regierung "führe die spanische Forschung in ein beispielloses Desaster". Die Mittel für Wissenschaft und Forschung würden gekürzt und es fehle an "Ideen für eine wissenschaftliche Planung. Kriterien, um an brennenden Fragen zu forschen, sind nicht existent, die knappen Gelder werden undurchsichtig und ineffizient durch das Ministerium für Wissenschaft und Technik verwaltet". Nur etwa ein Prozent des Bruttoinlandsprodukt werde für Forschung ausgegeben. Geplant waren 1,29 Prozent bis 2003. Die Forschung sei so quasi unmöglich.
"Nie war die Forschung besser als heute", konterte der Minister. Das Manifest, das aus dem "Obersten Rat für Wissenschaftliche Forschung" (CSIC) stammt, bezeichnete er als "Pamphlet" einer Minderheit. "Wer derartige Dummheiten sagt, wird schwerlich Aufmerksamkeit bekommen."
Die Reaktion Piqués hat damit zu tun, dass der Konflikt auch auf der internationalen Bühne ausgetragen wird. Piqué, der erst vor einem Jahr vom Außenminister zum Wissenschaftsminister mutierte, hatte in einem Interview mit dem Wissenschaftsmagazine Science von der Forschung in Spanien geschwärmt. Daraufhin demontierten ihn mehr als 2000 Forscher mit einem offenen Brief an das Magazin.
Wegen der Begrenzung auf 300 Worte wurde besonders seine Aussage geschliffen, "in Spanien forschen mehr ausländische Wissenschaftler als spanische Wissenschaftler im Ausland." Mit verschiedenen Programmen hätten in den letzten Jahren Hunderte Forscher Spanien verlassen, nicht einmal ein Drittel sind dafür nach Spanien gegangen, zeigten die Wissenschaftler auf.
Vom Fernsehmüll zur Medienherrschaft
Der spanische Ministerpräsident unterstrich unterdessen mit deutlichen Worten die Notwendigkeit von Piqués Rundfunkgesetz. Aznar sagte, er wolle damit gegen den "Fernsehmüll" vorgehen, den er mit einer Plage verglich. "Es ist nicht gut, wenn man glaubt, es sei normal, sich anzuschreien, zu beleidigen und allen möglichen Unfug über andere zu erzählen." Verantwortlich dafür seien die "Fernseh-Unternehmer".
Dass es viel "Fernsehmüll" gibt, teilen sicher einige in Spanien. Doch hinter dem Rundfunkgesetz vermuten viele einen Schritt in die Richtung, ein Fernsehen à la Berlusconi zu schaffen, das auf die Regierung zugeschnitten ist, wie der Abgeordnete der Vereinten Linken, Felipe Alcaraz, erklärte. Tatsächlich bauen die Konservativen seit der Machtübernahme 1996 ihren Einfluss auf die Medien ständig aus.
Man muss sich die "Verantwortlichen" für den "Fernsehmüll" ansehen, um Aznars Anliegen zu bezweifeln. Da ist der öffentlich rechtliche Sender TVE, den der Volksmund "Tele-Aznar" nennt. Die Vorwürfe von Zensur im öffentlich rechtlichen Rundfunk sind notorisch. Während des Irak-Kriegs wurde in TVE ein "Komitee gegen die Manipulation" gegründet. Wer nicht auf Aznar-Linie liegt, werde kalt gestellt, beklagen Journalisten.
Dann ist da Tele 5, der Sender von Aznars Freund Silvio Berlusconi, und der Telekommunikationsriese Telefonica, geführt von Juan Villalonga, einem Schulfreund von Aznar. Im Dienst der Regierung baut Telefonica seine führende Stellung in den Privatmedien ständig aus. Durch die Fusion von der Telefonica dominierten Via Digital und Sogecable, per Ministerbeschluss im letzten Winter genehmigt, kommt auch Sogecable nun als letzter Sender unter Aznars Fittiche. Dabei hat gerade erst der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) die besondere Einflussnahme der Regierung bei zwei privatisierten Ex-Staatsfirmen untersagt und die Berechtigung dafür bei der Telefonica stark angezweifelt. (http://www.jungewelt.de/2003/05-20/012.php)
Im Internet hat Aznars Volkspartei (PP/www.pp.es) gezeigt, wie unter dem Vorwand der Spam-Bekämpfung ein Kontrollgesetz geschaffen wird (Spanien: Mit Spam gegen Kritisches im Internet). Dass in den letzten fünf Jahren vier Zeitungen, Zeitschriften und Radios geschlossen wurden, die kritisch zur Regierung standen, spricht nicht für demokratische Pluralität (Baskische Zeitung und Website geschlossen).
Dass Aznar seine Äußerungen ausgerechnet bei Luis del Olmo in Onda Cero gemacht hat (von Telefonica kontrolliert), spricht auch gegen sein vorgebliches Anliegen. Del Olmo, der seine Radiokarriere schon als Propagandist der Franco-Diktatur begonnen hat, steht dafür, was Aznar zu bekämpfen vorgibt. Beschimpfungen sind in seinem Programm "Protagonistas" an der Tagesordnung. Ein Journalist, der über del Olmo recherchierte, wurde von dessen Freund, dem Ermittlungsrichter Baltasar Garzón, unrechtmäßig monatelang inhaftiert. Über den Äther wünschte del Olmo ihm, er möge im "Gefängnis vermodern".
Schaut man sich den Gesetzesvorschlag an, dann finden sich auch darin Hinweise für eine verstärkte Kontrolle der Regierung über die Medien. Demnächst soll ein von ihr ernannter Rat über die Pflichten der Sender wachen. Interessant ist auch, dass in den 73 Artikeln die Rolle des öffentlich rechtlichen Rundfunks nicht definiert wird. Auffällig ist auch, dass nach dem neuen Gesetz Radio und Fernsehen nicht mehr als öffentliche Dienstleistung angesehen werden, also völlig dem freien Spiel des Marktes unterworfen sind. Ob damit die Qualität steigt, muss bezweifelt werden.