Spanische Wahlen
In Spanien ist der Wahlkampf noch nicht richtig im Internet angekommen, auch wenn die Idee der liberalen US-Organisation MoveOn imitiert wird, einen Wettbewerb für den besten Anti-Aznar-Werbespot zu veranstalten
In Spanien wird wieder einmal gewählt und mit allen Bandagen, auch im Internet, gekämpft. Da wird der Noch-Ministerpräsident Aznar durch den Kakao gezogen, werden die merkwürdigsten Meinungsumfragen von offizieller Seite veröffentlicht und die Kandidaten quälen ihre Wähler zum Teil mit schlecht funktionierenden Webseiten.
Besonders ragt aus dem Seitendschungel, die sich mit den Parlamentswahlen am 14. März beschäftigen, die Seite Aznar en 30 Segundos heraus. Hier wird mit 30-Sekunden-Videos, abgekupfert von der Wahlkampfaktion gegen Bush in der USA, auf ernste oder satirische Art und Weise die acht Jahre Regierungszeit der ultrakonservativen Volkspartei und ihres Führers José María Aznar abgearbeitet.
Da es einen großen Ansturm gab, wurde der Einsendeschluss bis heute verlängert. Noch also kann man über die Beiträge abgestimmt. Natürlich finden sich fast alle Themen, welche die Bevölkerung seit der Machtübernahme der PP vor acht Jahren beschäftigt. Besonders ist die Beteilung Spaniens am Krieg zu nennen. Natürlich auch das Verhalten beim Untergang des Öltankers Prestige. Die so verursachte Ölpest von Portugal bis Frankreich kann auch 16 Monate Jahre danach noch an der Atlantikküste besichtigt werden. Sie beschert den Fischern minimale Fänge, weil die Fische oder deren Eier vernichtet wurden oder das Weite gesucht haben, aber der PP-Hochburg Galicien massive Subventionen, während andere Regionen bisher keinen Pfennig gesehen haben.
Natürlich findet sich auch der noch immer ungelöste Konflikt mit den Basken. Auch, dass man eine Oppositionspartei vom Geheimdienst überwachen lässt, wird genauso behandelt wie die große Wohnungsnot, die größte Arbeitslosigkeit in der EU und die fatale Lage für Frauen).
Zwar haben mittlerweile alle Parteien eine Website für den Wahlkampf, doch nach einer Begutachtung durch Experten des Internet Global Congress (IGC) seien nur die der regierenden Volkspartei PP und der katalonischen Regionalisten des Bündnisses Convergència i Unió (CiU) einigermaßen zufrieden stellend. Keine der Parteien habe aber wirklich eine Internetkampagne im Stil des inzwischen gescheiterten amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Howard Dean geführt oder verstanden, obgleich dessen Internetstrategien von anderen Präsidentschaftskandidaten zumindest teilweise übernommen wurden. So bieten alle Seiten nur geringe Interaktionsmöglichkeiten an, eine Email-Adresse zur Kontaktaufnahme gibt es beispielsweise nur bei den Vereinigten Linken und der baskischen Nationalpartei.
Als einzige bietet die PP ein Forum - bei der PP offenbar mit schnellen Zensureingriffen - sowie Chatmöglichkeiten an, bei der Coalicion Canaria gibt es hin und wieder einen Chat und Umfragen. Damit ginge, so die Gutachter von IGC, überhaupt erst die Interaktivität los. Die Möglichkeit, Informationen an Freunde weiter zu senden, gibt es nur bei der katalanischen CiU.
Vergleicht man die Seiten von Mariano Rajoy, der Aznar auf dem Posten des PP-Parteichefs und mutmaßlich auch als Ministerpräsident ablöst, und seinem größten Rivalen, mit denen des sozialistischen Oppositionsführers José Luis Rodríguez Zapatero, so wird von den Sozialisten sehr viel weniger angeboten, auch wenn IGC das bewusst einfache Design lobt. Allerdings wird neben den Multimedia-Elementen bei Rajoys Seite ebenfalls deren Grafik begrüßt. Kurios sei, dass die Websites beider Kandidaten die Auflagen des nach dem Ende des letzten Jahres in Kraft getretenen Internetgesetzes nicht erfüllen und keine Angaben über den Eigner und das Copyright machen.
Die regierende PP hatte sich auch zunächst bei Google eingekauft, um stets an erster Stelle bei der in Spanien beliebtesten Suchmaschine aufzutauchen, wenn ein Netizen etwas über "Wahlen", "Parteien" oder etwas ähnlichem sucht. Angeblich war dies auch bei der Suche nach "PSOE" der Fall. Das wurde aber wieder aufgegeben. Josep Antoni Duran i Lleida, Vorsitzender der katalanischen Christdemokraten (UDC), der bei den katalanischen Regionalwahlen antritt, verfolgt diese Strategie weiter, ebenso wie dies die PSOE für andalusischen Regionalwahlen, aber nicht auf nationaler Ebene macht.
Auch wenn die Opposition ihre Schwäche auch im Internet zeigt, stellt sich die Frage, warum die PP die Wahlen wieder gewinnen wird: Das sagen nicht nur alle Wahlprognosen, sondern selbst die Opposition geht davon aus. Zum einen lässt sich die Tatsache zu nennen, dass es seit dem Ende der Franco-Diktatur außerhalb Kataloniens, dem Baskenland und Andalusien nur wenig Auseinandersetzung mit den von dieser begangenen Verbrechen gegeben hat (Spanische Regierung zeigt erneut, wo sie steht). Autoritäre Denkmuster sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Die werden von der PP bedient, die vor allem mit dem Baskenkonflikt von den anderen Problemen ablenkt.
Dann ist da eine geballte Desinformationsmacht. Die Regierung kontrolliert direkt oder über den Ex-Staatsbetrieb Telefonica, mit Ausnahme der Prisa-Gruppe, die den Oppositionellen Sozialisten nahe steht, alle großen Medien (siehe z.B.: Spanien: Berlusconis Medienmacht als Vorbild?).
Zudem wird Politik über die offiziellen Wahlumfragen des "Zentrums für Soziologischen Studien" (CIS) gemacht. Das regierungsnahe CIS ist bekannt für eklatante Modifikationen an Umfragen, die auch vom Mitarbeitern öffentlich angeprangert wurden. Da werden zum Teil Ergebnisse veröffentlicht, die einem Wunschdenken entsprechen, aber keiner Realität und deshalb auch beim Wahlausgang widerlegt werden. Mit statistischer Streuung hat das nichts mehr zu tun. So sieht das CIS auch jetzt wieder eine absolute Mehrheit der PP. Die Absicht ist durchsichtig, die Wähler der Opposition sollen demotiviert werden, überhaupt zur Wahl zu gehen. Doch das CIS-Ergebnis wird durch keine andere Umfrage, ob sie von der kritischeren Zeitung El Pais, von der regierungsnahen El Mundo oder anderen Medien kommt, bestätigt. Fast alle gehen davon aus, dass die PP die absolute Mehrheit verliert, aber mit kleinen Rechtsparteien erneut regieren kann.