Spanien erneut Erdogans Helfershelfer

Nach den Schriftstellern Dogan Akhanli und Hamza Yalçin wurde auf Basis türkischer Anschuldigungen über Interpol in Spanien erneut einen Flüchtling festgesetzt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es hat länger gedauert, bis der Fall von Baris Ates an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Der Alevit aus dem kurdischen Gaziantep, der seit 2012 als anerkannter Flüchtling in Deutschland lebt, ist schon am 20. Juni am ersten Urlaubstag auf Basis von türkischen Anschuldigungen im südspanischen Torremolinos festgenommen worden. Da es sich nicht um einen prominenten Fall handelt, wie beim deutsch-türkischen Schriftsteller Dogan Akhanli oder beim schwedisch-türkischen Journalisten Hamza Yalçin, hat die spanische Presse über den Fall bisher praktisch nicht berichtet.

Wie Akhanli und Yalçin wirft die Türkei auch dem Busfahrer aus Tübingen, der in seiner kurdischen Heimat Lehrer war, "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" vor. Dabei hatte er nur den Kriegsdienst verweigert und sich im Jahr 2000 an Studentenprotesten beteiligt. Dafür saß er schon 30 Monate in einem türkischen Gefängnis. Der an Tuberkulose erkrankte Ates floh 2012 nach Deutschland, als ein türkisches Gericht entschied, dass er weitere 30 Monate ins Gefängnis soll. In Deutschland wurde er sofort als Flüchtling anerkannt.

Die Türkei hält aber an den Terrorismus-Anschuldigungen fest. Auf dieser Basis wurden der 43-Jährige, seine Frau und die beiden Kleinkinder mitten in der Nacht von der spanischen Polizei aus den Betten geworfen, nachdem sie erst nach Mitternacht ihr Hotel erreicht hatten. Alles sei "sehr schnell gegangen", erklärte seine Frau Ergül Ates dem Schwäbischen Tagblatt. Verstanden habe sie kein Wort. Erst im Laufe des Tages, nachdem der Anwalt Alfonso Sell aus dem nahegelegenen Málaga eingeschaltet worden war, klärte sich die Lage auf. Wie Akhanli und Yalçin steht auch Ates auf der roten Interpol-Liste.

Zwar erreichte Sell schon am folgenden Tag die Freilassung seines Mandanten unter Auflagen, doch seither sitzt der Alevit in Spanien fest und auch ihm droht die Auslieferung. Bis zur Entscheidung über das Hauptverfahren vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid kann zudem viel Zeit vergehen und es entstehen hohe Kosten. Für den Anwalt Sell ist klar, dass man seinen Mandanten "unter Kontrolle" haben will, der nun in einer Wohngemeinschaft lebt. Sell will beweisen, was Ates schon in Deutschland bewiesen hat, dass er in Türkei politisch verfolgt wird.

Spanien hat aus den Fällen Akhanli und Yalçin keinerlei Konsequenzen gezogen und versucht sich erneut als Erfüllungsgehilfe des türkischen Regimes. Wie Akhanli und Yalçin war auch Ates zuvor mit seinem Flüchtlingspass schon problemlos in anderen europäischen Ländern unterwegs. Erst in Spanien wurde er festgenommen. Das ist umso erstaunlicher, da der Oberste Gerichtshof des Landes im Fall Akhanli kürzlich bestätigt hat, dass ein anerkannter Flüchtling nicht an die Türkei ausgeliefert werden kann. Die Gewährung von Asyl in Deutschland bedeute eine "Verweigerung der Auslieferung".

Das Gericht führt dabei weiter aus, die Tatsache, dass Akhanli - wie Ates - als Flüchtling anerkannt ist, könne nicht "in Zweifel gezogen werden". Das sei nach dem Auslieferungsgesetz entscheidend. Auch Akhanli findet es deshalb "merkwürdig", dass sich ein solcher Fall wie seiner wiederholt. "Die spanischen Behörden müssen wissen, dass die türkischen Behörden willkürlich handeln." Er geht davon aus, dass auch Ates vermutlich wieder nach Deutschland zurückkehren kann, doch zwischenzeitlich werde ihm das Leben schwer gemacht.

Man darf gespannt sein, ob sich Bundeskanzlerin Angela Merkel auch in diesem Fall zu Wort meldet. Im Fall des deutsch-türkischen Schriftstellers wurde sogar darüber debattiert, dass die Türkei aus Interpol ausgeschlossen werden sollte. Merkel hatte erklärt, die grenzübergreifende Polizeibehörde dürfe "nicht für so etwas missbraucht" werden. Klar ist aber, dass das Problem nicht nur in der Türkei liegt, sondern offensichtlich auch bei willfährigen spanischen Behörden.

Seinen Job verliert der Alevit aus Kurdistan nicht. "Wir warten auf ihn", hat Stephan Kocher erklärt. Der Chef des Busunternehmens, für das Ates fährt, fügte als Hoffnung an, dass er "möglichst bald wiederkommt." Die Kosten für die Familie Ates sind hoch und ihre Ressourcen aufgebraucht. Deshalb hat die Bundestags-Abgeordnete der Linken Heike Hänsel ein Spendenkonto eingerichtet.