Spanien ist eher gleichgültig
Die Mehrheit der Wenigen, die am Referendum über die EU-Verfassung überhaupt teilgenommen haben, stimmte für deren Annahme, als Zustimmung ist das aber kaum auszulegen
Die Wähler im spanischen Staat haben sich dazu entschlossen, der europäischen Verfassung den Rücken zu kehren. Am ersten Referendum über die Verfassung haben sich nur 42 Prozent der Bevölkerung beteiligt. Wie erwartet, ist die Beteiligung damit noch geringer als bei der ohnehin schwachen Beteiligung zur Wahl zum Europaparlament im vergangenen Mai. Die Legitimität der Abstimmung wurde zudem durch massive Verstöße gegen Wahlauflagen untergraben. Ein Reinfall war die Probeabstimmung per Internet.
Obwohl etwa 75 % derer im spanischen Staat Ja zur EU-Verfassung gesagt haben, die ihre Stimme abgegeben haben, kann kaum von einer Zustimmung gesprochen werden. Denn nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung hat überhaupt sich an der Abstimmung beteiligt. Niemals zuvor seit dem Tod des Diktators Franco 1975 haben sich weniger Menschen an Wahlen oder Referenden beteiligt. Fast 58 % der gesamten Bevölkerung ist nicht an die Urnen getreten. Mit etwa 42 % lag die Beteiligung noch vier Prozent unter den Wahlen zum Europaparlament im vergangenen Mai. Von diesen Wählern haben sich noch einmal sechs Prozent aktiv der Stimme enthalten und knapp ein Prozent hat ungültig gewählt.
Ein Vergleich zur Beteiligung mit den Parlamentswahlen im vergangenen März ist wegen der besonderen Umstände um die Anschläge vom 11. März nicht sinnvoll. Diese haben zu einer besonders hohen Wahlbeteiligung geführt. Vier Jahre zuvor waren es etwa 67 Prozent (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien). Vergleicht man Referenden untereinander, dann fällt das Resultat vernichtend aus. 1986 haben sich etwa 60 Prozent an der Abstimmung beteiligt, als es um die Frage des Nato-Beitritts ging. 52 % haben zugestimmt. 1978 etwa 77 % der Bevölkerung über die spanische Verfassung abgestimmt und ihr mit fast 88 Prozent zugestimmt.
Wenige Tage vor der dem Referendums war nach Umfragen auch der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero davon überzeugt, dass sich ein Ja durchsetzen wird. So hatte Zapatero dann zugesichert, seine sozialistische Regierung werde das Ergebnis anerkennen. Denn einer der Besonderheiten des Referendums ist, das es nicht verbindlich für die Regierung ist. Selbst bei einer Ablehnung durch die Bevölkerung hätte die Regierung zustimmen können.
Doch das dürften viele nicht haben, denn die Mehrheit der Bevölkerung kannte die Verfassung nicht. Nach einer Studie des Zentrums für Soziologische Studien (CIS) gaben etwa 90 % an, die Verfassung nicht oder nur kaum zu kennen. Allerdings müssen die Studien des CIS, die stets für die Regierung arbeitet, mit Vorsicht genossen werden. Oft sind sie, vorsichtig formuliert, im Sinne der Regierung geschönt. Das kann man auch diesmal erkennen. Gegen alle Fakten sagte das Institut eine Beteiligung von 68,3 % voraus. Dabei hatten 42 % weniger Menschen eine Briefwahl beantragt hatten als im vergangenen Mai.
Das Ja hat nur eine zweifelhafte Legitimität. Die konservative Volkspartei (PP) und die Vereinte Linke (IU) hatten schon im Vorfeld angekündigt, sie würde Konsequenzen fordern, wenn kein Quorum von 50 % zu Stande käme. Die PP, die ein Ja forderte, hält die schwache Beteiligung für eine "persönliche Niederlage von Zapatero". Der IU-Chef Gaspar Llamazares zeigte sich erfreut darüber, dass gegen alle widrigen Umstände und einer "manipulierten Kampagne 2,5 Millionen Menschen ein progressives Votum" gegen diese Verfassung abgegeben hätten.
Tatsächlich hat die Regierung ständig gegen Auflagen des Zentralen Wahlrats (JEC) verstoßen. So machte sie weiter Werbung für ein Ja, obwohl der JEC verboten hatte, das "Votum in eine bestimmte Richtung lenken". Er hatte sie verpflichtet, neutral über die Verfassung zu informieren (Abstimmung über EU-Verfassung auf spanisch).
Doch Zapatero setzte sich darüber hinweg und erhielt dabei am vergangenen Mittwoch in Zaragoza auch Unterstützung durch Bundeskanzler Gerhard Schröder. Der lobte die "tolle Freundschaft" zu Zapatero und forderte ein "klares Ja" für eine Verfassung die "Europa entscheidungsfähiger" mache. Sogar der verbotene Slogan. "Die Ersten mit Europa" wurde weiter benutzt. Er prangte am Samstag sogar auf den Wahlscheinen der staatlichen Lotterie. Die IU und die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) hatten erneut beim Wahlrat auf den auf drastischen Verstoß hingewiesen und gefordert die Lotteriescheine einzustampfen. Doch der JEC bat die Lottogesellschaft nur, den Slogan nicht zu benutzen. Ein Verbot sprach er nicht aus, weil sie schon vor dem Verbot gedruckt worden seien. Diese Argumentation muss erstaunen, denn die Lotterie fiel zudem auf den Reflektionstag vor der Abstimmung, wo ohnehin keinerlei Werbung gemacht werden darf.
Weil der Wahlrat nichts dafür getan habe, um die Regierung zu zwingen, ihre Kampagne zurückzuziehen, hatte die "Plattform für ein Nein" Klage beim Obersten Gerichtshof gegen den JEC eingereicht. Doch auch das Gericht wollte sich offenbar nicht mit Zapatero anlegen und räumte dem JEC die maximale Zeitspanne von zehn Tagen für eine Erwiderung ein. So ergeht ein Urteil erst vier Tage nach der Abstimmung, was die Sprecherin des Linkbündnisses Ángeles Maestro als "Ungerechtigkeit" bezeichnete. Das Gericht kann das Verfahren dann auch einstellen, weil der Streitgegenstand nicht mehr existiert.
Als Niederlage dürften es viele im Baskenland ansehen, dass erstmals mehrheitlich bei einem Referendum ein Projekt der Zentralregierung eine Zustimmung erhalten hat. Nominal hat hier die EU-Verfassung aber weniger Ja-Stimmen erhalten als die spanische Verfassung 1978, obwohl diese im Baskenland abgelehnt worden war. Sowohl in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) wie in der Provinz Navarra (die historisch zum Baskenland gehört) war die Ablehnung am höchsten. In den drei Provinzen der CAV lehnten knapp 34 % ab, 4 % enthielten sich aktiv der Stimme und 61 Prozent gingen nicht zur Wahl. In Navarra lehnten 30 % ab, 5,5 % enthielten sich aktiv, fast 60 % blieben der Abstimmung fern. Auch in Katalonien war die Ablehnung mit knapp 29 % erwartungsgemäß hoch.
Update: Internet Wahl
Das Ergebnis ist noch schlimmer als erwartet. 0,54 Prozent haben insgesamt an der "versteckten" Abstimmung teilgenommen. 2 Millionen Wähler hätten es sein können, 6 % aller Wähler, davon haben ganze 10.543 in 52 Städten nur an der Probeabstimmung teilgenommen (Abstimmung über EU-Verfassung auf spanisch). Ausgerechnet in den afrikanischen Exklaven Ceuta y Melilla beteiligten sich
die meisten an dieser Abstimmung. Die Ergebnisse liegen im Rahmen der normalen
und gültigen Abstimmung.