Spaniens größtes Massengrab: Eilige Exhumierungen vor der Neuwahl

Monumentale Gedenkstätte: Das "Tal der Gefallenen" (neu: "Tal von Cuelgamuros") in der Sierra de Guadarrama. Bild: Abadía de la Santa Cruz del Valle de los Caídos. CC BY 2.0

Vor dem erwarteten Rechtsrutsch: Das Erbe der Franco-Diktatur neu im Fokus. Ist das Timing der sozialdemokratischen Regierung Wahlkampf oder die letzte Möglichkeit, den Opfern angemessene Würde zu geben?

Nach dem Diktator Franco wurde kürzlich auch der Gründer der faschistischen Bewegung der Falangisten, Primo de Rivera, aus der Gedenkstätte im "Tal der Gefallenen" geholt.

Für die Vereinigung zur Herstellung der historischen Erinnerung (ARMH) war dies Anlass, das Vorgehen der sozialdemokratischen Regierung bei der Aufarbeitung der dunklen Geschichte der Diktatur zu kritisieren.

Krasse Ungleichbehandlung und pikantes Timing

ARMH richtet den Blick auf eine krasse Ungleichbehandlung. So stand die "progressivste Regierung der spanischen Geschichte", wie sich die Regierung selbst bezeichnet, zwar sehr wohl im Dialog mit der Familie des Falangisten. Dieser Dialog steht aber im Gegensatz zum Umgang mit den Opfern des Franco-Faschismus, wie die Vereinigung kritisiert.

Diese Art von Dialog sei eben nicht mit den Angehörigen derjenigen geführt worden, die "infolge der Gewalt der bewaffneten Falangisten verschwunden sind".

Medienwirksam war der Falange-Gründer Primo de Rivera aus dem sogenannten "Tal der Gefallenen" exhumiert worden, wo 34.000 Opfer der Diktatur verscharrten wurden. Die Angehörigen der Opfer warten auf Exhumierungen.

Die Opfer des spanischen Faschismus sollen endlich eine "würdige Bestattung" erhalten, wie der Anwalt Eduardo Ranz fordert, der die Angehörigen vertritt. Ranz kritisiert eine "Diskriminierung" der Opfer und eine falsche "Fokussierung" durch die Regierung.

Im Oktober 2019 war in einer Art Staatsakt der Diktator Franco auf Staatskosten aus dem Mausoleum geholt worden, das er sich noch zu Lebzeiten hatte bauen lassen. Zehntausende Zwangsarbeiter wurden eingesetzt. Wer dabei das Leben verlor, wurde ebenfalls dort in Massengräbern verscharrt.

Pikant: Wurde Primo de Rivera vor den Regional- und Kommunalwahlen im Mai exhumiert, standen im Fall von Franco kurz darauf Parlamentswahlen an.

Dass nun nach dem Wahldebakel für die Sozialdemokraten vor den eilig vorgezogenen Neuwahlen damit begonnen wird, 128 Opfer aus dem inzwischen in "Cuelgamuros" umbenannten Ort zu exhumieren, hat erneut einen Propaganda-Geschmack.

Rechte wollen Gesetz zur Wiederherstellung der Würde der Opfer streichen

Die Chancen für eine Neuauflage der sogenannten "Linksregierung" sind angesichts der aufstrebenden Rechten und Rechtsradikalen und einer völlig gespaltenen Linken gering und sollen mit einem schwierigen Bündnis verbessert werden. Die Rechten wollen, sollten sie die Wahlen wie erwartet gewinnen, auch das von Opfern als nur "symbolisch" kritisierte Gesetz wieder streichen.

Nicht nur für die Angehörigen ist es aber von großer Bedeutung, dass nach "47 Jahren, sechs Monaten und 24 Tagen" endlich mit Opfer-Exhumierungen im Franco-Mausoleum begonnen wurde.

Anders als beim Umgang mit den Täter-Familien wurden mit ihnen aber kein Dialog geführt, sie wurden in den frühen Morgenstunden des Montags vom eiligen Beginn der Exhumierungen informiert

"Wir wollen, dass die Situation der Entführung beendet wird, die es niemals hätte geben dürfen", twitterte Ranz. Tatsächlich sollen nur die Gebeine von 18 Menschen geborgen werden. Erst danach sollen in weiteren Phasen weitere 59 Leichen exhumiert werden, darunter sind auch die Brüder Manuel und Antonio Ramiro Lapeña, die ebenfalls nach dem Putsch 1936 ermordet wurden. Ein Urteil hatte ihre Exhumierung schon 2016 angeordnet.

An dem Beispiel zeigt sich, wie rechtlos die Opfer bisher gestellt sind, auch nach zwei zaghaften Gesetzen zur "Wiederherstellung der Würde der Opfer". Noch 100.000 bis 150.000 Leichen befinden sich in Massengräber der Faschisten, die sich weiter gegen jede Veränderung sperren.

Sollten die Franco-Nachfahren die Wahlen gewinnen, ist mit den Exhumierungen, die gerade erst beginnen, ohnehin wieder Schluss, befürchten auch Angehörige des Basken Lucas Ugarte.

Auch dessen Gebeine sollen nun geborgen werden. Er fiel 1938 im Bürgerkrieg, kämpfte aufseiten der Franquisten. 1962 wurde seine Überreste im Friedhof von Tolosa ausgegraben und ins Franco-Mausoleum verbracht. Auch dessen Familie will endlich eine würdige Bestattung in seiner Heimatgemeinde.

Der Wahlgewinner bei den Regional- und Kommunalwahlen, die Volkspartei (PP), wurde von Franco-Ministern gegründet. Die ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf die ultrarechte Vox angewiesen, einer PP-Rechtsabspaltung, die offen als Anhänger der Diktatur auftritt. Beide lehnen ein Gesetz ab, dass die Umbettungen der Täter und auch die Exhumierung der Opfer vorgesehen ist. Es ist seit vergangenem Oktober in Kraft ist.

Demnach dürfen Putschisten gegen die Republik und Vertreter der Diktatur nicht länger an herausragenden Orten beerdigt sein. Mit dem Gesetz wurde auch der Name des Monuments geändert, das 45 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt liegt und ein Pilgerort für Ewiggestrige ist: Eine Felsenkathedrale, über der ein 152 Meter hohes und 46 Meter breites Kreuz thront.

Das Mausoleum gilt als das größte architektonische Zeugnis der Franco-Diktatur und soll in eine Gedenkstätte umgewandelt werden.