Spanische Neonazis mit sozialem Besetzer-Anstrich
Die rechtsradikale "Soziale-Republikanische Bewegung" besetzt Häuser, um geräumten Familien ein Obdach zu bieten - allerdings nur Spaniern
Auch spanische Neonazis versuchen, sich einen sozialen Anstrich zu geben, um Anhänger für ihre gefährlichen Ideen zu gewinnen. Verstärkt versuchen sie, die soziale Misere im Land zu nutzen, um unter den Betroffenen ihre Ideologie zu verbreiten. Nun besetzen sie auch Häuser wie in der Hauptstadt Madrid. Hier hat nun die Partei Movimiento Social Republica (MSR) ausgerechnet im Stadtteil Tetuán ein leerstehendes Industriegebäude besetzt, um ausschließlich Spaniern dort Wohnraum und Essen zu bieten.
Über soziale Netzwerke hatte die faschistische "Sozial-Republikanische Bewegung" eine Besetzung angekündigt, um "Spaniern Wohnraum zu bieten", die ihn besonders benötigen. In dem Gebäude sollen zudem auch "soziale und kulturelle Aktivitäten" stattfinden. Victor ist einer der Besetzer, der sich gegenüber der Tageszeitung El Mundo als MSR-Aktivist zu erkennen gibt. "Es gibt hier aber auch Mitglieder anderer Parteien, Vereinigungen und Leute, die keiner Partei angehören", versucht er eine gewisse Breite zu zeigen. "Wir bieten ein Dach über dem Kopf, Essen und Hilfe bei der Jobsuche." Er gibt sich so, als sei er kein Mitglied einer neofaschistischen Partei, sondern das einer Nichtregierungsorganisation, die nur Hilfe für Menschen bietet, die von der schweren Krise getroffen wurden.
Denn die gibt es in dem Land mit mindestens 5,6 Millionen Arbeitslosen in großer Zahl. Davon erhalten nur noch knapp zwei Millionen auch Arbeitslosengeld. Da auch das Sozialgeld nur sechs Monate gezahlt, gibt es etwa 2,6 Millionen Arbeitslose, die keinerlei staatliche Unterstützung mehr bekommen. In 740.000 Haushalten sind alle Mitglieder ohne Job und erhalten keinerlei Hilfe mehr. Die Tatsache, dass die Zahl der eingeleiteten Zwangsräumungsverfahren im ersten Quartal erneut um fast 14% gestiegen ist, macht deutlich, dass immer mehr Menschen aus den Wohnungen fliegen. Wobei diese Zahl nur die Vollstreckungen wegen nichtbezahlter Kredite berücksichtigt. Noch öfter wird in einigen Regionen inzwischen geräumt, weil die Miete nicht bezahlt werden konnte. In Katalonien war das in 63% der 4.276 Räumungen im ersten Quartal schon der Grund.
Hier setzen nun die Rechtsradikalen mit ihrem Strategiewechsel an, über den seit gut einem Jahr in ihren Reihen debattiert wird. Sie versuchen eher linken Organisationen aus der Empörten-Bewegung Konkurrenz zu machen und thematisieren die soziale Frage aus ihrem Blickwinkel. Seit Jahren haben sich die von Zwangsräumungen Betroffenen in der "Vereinigung der Hypothekenbetroffenen" (PAH) organisiert und ein "Sozialwerk" gegründet, das Häuser und ganze Wohnblocks besetzt (Wenn das "Sozialwerk" Wohnblocks besetzt). Doch sie machen keine Unterscheidung nach Herkunft oder Hautfarbe. So besetzen im katalanischen Salt 16 Familien mit 21 Kindern einen Wohnblock. Sie kamen aus Marokko, Gambia, Ekuador, Chile, Peru und aus Spanien (Siege gegen Zwangsräumungen in Spanien).
Mit Nationalsozialem und Grünem auf Stimmenfang
Die MSR versucht dagegen den Spaltungskeil anzusetzen, schürt Fremdenfeindlichkeit und tut letztlich so, als seien Einwanderer und Flüchtlinge für die fatale Lage im Land verantwortlich. Zudem versucht sie bewusst zu provozieren. Tetuán wurde nicht zufällig für die Besetzung gewählt, es handelt sich um einen der Stadtteile mit dem höchsten Ausländeranteil in der Hauptstadt. Dass es sich bei den Besetzern um Neofaschisten handelt, daran lassen sie auch über die Namensgebung keinen Zweifel. Sie nennen das Gebäude "Soziales Zuhause Ramiro Ledesma".
Sie ehren damit einen Sympathisanten deutscher Nationalsozialisten und Gründer der spanischen Nationalsyndikalistischen Offensive (Jons), die sich später mit der Falange vereinigte und zentraler Pfeiler des Faschismus und der Franco-Diktatur bis 1975 war. Ledesma predigte gegen die Linke einen nationalen Sozialismus. So ähnlich hört sich das auch an, wenn die MSR heute gegen die etablierten Parteien wettert, die unter der Kontrolle der "Finanzoligarchie" stünden. Sie spricht auch von einem "neuen laizistischen" Staat, obwohl ihre Vorbilder in der Diktatur den Nationalkatholizismus stützten.
Die Besetzung in Madrid hatte schon ein Vorbild. Schon im Juni wurde im nordspanischen Saragossa von der MSR das "Soziale Zuhause Saragossa" im Stadtteil Las Fuentes besetzt. Das wurde in Nazi-Kreisen gelobt, weil damit das "Monopol der Linken" aufgebrochen werde. Es sei bahnbrechend, da es Besetzungen von "patriotischen Gruppen" bisher nicht gegeben habe. Nachahmer gab es auch in Castellón (Valencia), wo dem "Beispiel Saragossa und Madrid". Und derlei Besetzungen sollen über ganz Europa ausgeweitet werden. Sie sind zentraler Inhalt in einem Workcamp von Rechtsradikalen im andalusischen Jaén am Wochenende, wo auch über ein "Grünes Hispanien" und eine rechtsradikale Umweltbewegung debattiert werden soll.
Das ist nicht die einzige populistische Initiative spanischer Faschisten. Kopiert werden auch Aktivitäten der Goldenen Morgenröte in Griechenland. Denn anders als dort kann die äußerste Rechte in Spanien aus der Krise bisher keine Wahlgewinne ziehen. Die regierende postfaschistische Volkspartei (PP) besetzt dieses Feld. Sie war von Regierungsmitgliedern der Franco-Diktatur gegründet worden und hat sich wie Falange, MSR und andere Rechtsradikale nie vom Putsch 1936 und der Diktatur distanziert.
Die Ultrarechte will der aufstrebenden radikalen Linken und Unabhängigkeitsbewegungen in Katalonien und im Baskenland mit ihrem "Patriotismus" etwas entgegensetzen und die Wut im Land auf die unsoziale Politik der PP auch in eine rechte Radikalisierung wie in Griechenland ummünzen. Denn anders als dort, wo die Faschisten schon drittstärkste Kraft sind, schickt sich in Spanien die Empörten-Partei Podemos (Wir können es) an, diesen Platz einzunehmen. Sie könnte nach neueren Umfragen sogar die Sozialdemokraten vom zweiten Platz verdrängen.
Im spanischen Süden versucht deshalb auch die rechtsradikale España 2000, zum Teil unterstützt von der MSR, mit der Verteilung von Lebensmitteln zu punkten. Auch die sollen nur Spanier nach Vorbild der Goldenen Morgenröte in Griechenland erhalten. Auch dabei zielt man auch auf Stadtteile mit einem hohen Ausländeranteil wie Orriols in Valencia. Gefruchtet hat das bei den Europaparlamentswahlen nicht. Die Ultrarechten wurden in Orriols nicht gewählt und die PP stürzte von einst gut 48% auf knapp 23% ab. Gleichzeitig wurde die radikale Linke klar gestärkt. Die Vereinte Linke (IU) erhielt statt knapp 4% fast 13% und Podemos kam aus dem Stehgreif mehr als 9%. Dazu kommen noch die gut 7% für das Linksbündnis Spanischer Frühling.
Die Aktionen der Rechtsradikalen werden von vielen in dem Stadtteil abgelehnt. Hier sind auch viele Spanier froh, dass die örtliche Moschee seit langem an alle Bewohner Lebensmittel und Kleider verteilt. Während es bei der Propagandaaktion der Neonazis nur 122 Tüten mit Lebensmitteln zu verteilen gab, waren es in der Moschee 19 Tonnen. Und der Bedarf ist groß in einem Stadtteil, in dem die Arbeitslosigkeit sogar offiziell bei 40% liegt. Überschneidungen zwischen MSR und España 2000 gibt es auch in der ausgehobenen militanten "Anti-Systemfront". Bei deren Mitgliedern wurden Waffen, Munition und sogar ein Granatwerfer gefunden.
Unter den Beschuldigten findet sich auch José Alejandro Serrador einer von fünf Stadträten von España 2000. Dazu gehört auch der Mörder des Antifaschisten Guillem Agulló. Pedro Cuevas hat den Mord 1993 gestanden, wurde einst zu einer 14-jährigen Haftstrafe verurteilt. Doch der Neonazi kam wegen "guter Führung" schon nach nur vier Jahren wieder frei.