Staatsanwältin in Baltimore klagt Polizisten des Mordes an
Endlich wird damit die übliche Haltung des Rechtsystems durchbrochen, das bei Polizeibrutalität auf Verschleppung und Verschleierung setzt
Das Rechtsystem hängt immer auch von einzelnen Menschen ab, die sich etwas trauen und ausscheren, um Gerechtigkeit durchzusetzen. Man hätte erwarten können, dass in Baltimore wieder einmal die Polizisten möglichst gedeckt werden, die den wohl schon verletzten jungen Schwarzen Freddie Gray vor Schmerzend schreiend in den Polizeiwagen warfen und ihn gefesselt, aber nicht angeschnallt 40 Minuten herumfuhren, bis er endlich schon tödlich verletzt in ein Krankenhaus kam, wo er eine Woche im Koma lag und dann an seinen schweren Rückenverletzungen und mit eingedrücktem Kehlkopf starb (Baltimore: Gewaltausschreitungen folgen Polizeigewalt). Wie immer decken sich die Polizisten gegenseitig und zeigt sich niemand so verantwortlich und mutig, die Wahrheit zu erzählen. Das ist eine Kultur, die man leider auch in anderen Ländern nur zu gut kennt.
Doch in Baltimore hat vor vier Monaten die 35-jährige Marilyn J. Mosby, eine Afroamerikanerin, das Amt als Staatsanwältin für die Stadt Baltimore angetreten, die jüngste Staatsanwältin in einer amerikanischen Stadt. Sie wurde auch von Bürgerrechtsaktivisten, wie die New York Times berichtet, in das Amt gewählt, weil sie versprochen hatte, scharf gegen Gewalttäter und gegen polizeiliches Fehlverhalten vorzugehen. Dabei kommt die junge Frau aus einer Polizistenfamilie, war aber gleichwohl der Meinung, dass Polizeibrutalität unentschuldbar sei.
Das Versprechen hat sie nun zur Überraschung wohl der ganzen Nation wahr gemacht und die sechs Polizisten, die Freddy Gray festgenommen hatten, wegen Mord mit bedingtem Vorsatz, Totschlag und Fehlverhalten angeklagt. Ausschlaggebend war der forensische Bericht, nach dem es sich um einen Mord handelte. Mosby zögerte nicht lange und versuchte erst gar nicht, den Vorgang zu verschleppen, wie dies meist der Fall ist, obgleich oder weil nach höchst unglaubwürdigen Aussagen eines Häftlings, der sich im selben Fahrzeug wie Gray befand, dieser sich selbst die tödlichen Verletzungen zugefügt haben soll.
5 der 6 Polizisten sind nicht nur vom Dienst suspendiert wie üblich, sondern befinden sich bereits in Haft. Die Polizei protestierte natürlich und forderte, dass sie sich von dem Fall zurückziehen soll. Die Polizeigewerkschaft wirft ihr vor, politisch zu handeln, weil sie mit einem Stadtrat verheiratet ist und bei ihrer Kandidatur von dem Rechtsanwalt unterstützt worden war, der jetzt die Familie von Gray vertritt. Der Vorfall sei tragisch, die Polizisten für den Tod aber nicht verantwortlich, so die Polizeigewerkschaft auf die übliche Tour.
Aber schon die Festnahme von Gray war gesetzwidrig, da er nichts verbrochen hatte, abgesehen davon, dass er ein junger Schwarzer war, die gerade in Baltimore gerne und willkürlich festgenommen werden (Die Ursachen für die Ausschreitungen in Baltimore). Es war ein Vergehen, Gray, der bereits verletzt gewesen sein muss, zwar in Hand- und Fußschellen zu legen, aber ihn nicht festzuschnallen, so dass die Gefahr bestand, dass er beim Fahren hin- und hergeworfen werden und sich Verletzungen zuziehen konnte. Mosby geht davon aus, dass Gray deswegen am Nacken lebensgefährlich verletzt wurde. Gray lag bäuchlings mit am Rücken gefesselten Händen in dem Polizeitransporter. Die Polizisten machten mehrere Stopps, ohne Gray festzuschnallen oder einen Arzt zu rufen.
Für die Entscheidung, die die Staatsanwältin vor dem Gericht bekannt gab, erhielt sie spontanen Beifall, nicht allerdings von den anwesenden Polizisten, die nach Medienberichten mit versteinerten Gesichtern dastanden. US-Präsident Obama, der sich immer zurückgehalten, ließ auch dieses Mal Vorsicht walten, was die Schwarzen schon längst enttäuscht hat. Er begrüßte nicht die Entscheidung und äußerte sich nicht zum Vorwurf des Mordes, sondern meinte lediglich, dass die Menschen in Baltimore und ganz Amerika die Wahrheit erwarten würden. Unterstützt wird die Staatsanwältin in deutlich klareren Worten von der schwarzen Bürgermeisterin Rawlings-Blake, die sagte, die Mehrheit der Polizisten würde sich gut verhalten, aber wer Gewalt, Brutalität und Rassismus ausübt, müsse wissen: "Es gibt für Dich keinen Platz in der Polizei von Baltimore."