Stadt der Zukunft - Wege in die Globalopolis
Telepolis Salon am 30. September auf der Alten Utting mit dem Architekten und Designtheoretiker Friedrich von Borries
In den 1930er Jahren des 20. Jahrhunderts kamen mit der Motorisierung des Verkehrs Visionen auf, die die herkömmliche verdichtete Stadt als Produkt der Vergangenheit und einer kurzen Geschichte von 10.000 Jahren betrachteten. Frank Lloyd Wright Idee der Broadacre City ist dafür wegweisend gewesen, die er in seinem Buch mit dem programmatischen Titel "Die verschwindende Stadt" vorstellte. Das Auto als Grundlage der individuellen Mobilität macht den verdichteten urbanen Raum unnötig, so die These. In Fortsetzung der Gartenstädte kann nun irgendwo auf dem Land gewohnt worden, in Einfamilienhäusern als den gesellschaftlichen Monaden, mit viel Grün und vernetzt durch Straßen. Eine anti-urbane Idylle.
Anfang der 1990er Jahre, als die Zahl der Internetnutzer rasant zu wachsen begann und die Kommerzialisierung des Internet einsetzte, glaubten viele, was auch Marshall McLuhan schon in den 60er Jahren angesichts des Fernsehens prophezeit hatte, dass die Städte ihren Zenith überschritten haben. Sie hatten sich mit den weitläufigen Vorstadtgebieten, die weder ländlich noch urban sind, zerfasert und ihre räumliche Dichte verloren. Neue Techniken versprachen, den verdichteten Raum der Städte, der eine Steigerung der Geschwindigkeit ermöglichte, nicht nur durch die weitere Raumverdichtung in den Chips zu ersetzen, sondern mit der digitalen Vernetzung jeden Ort in en Cyberspace zu holen. Telearbeit, Teleshopping, Telebanking sollten den Verkehr ersetzen, den Gang in die virtuelle Welt einleiten und den räumlichen Ort immer unwichtiger machen. Egal, wo man sich aufhält, immer hat man den gleichen Zugang zur virtuellen Weltmetropole, weswegen zumindest diejenigen, die es sich leisten können, auf das Land flüchten. Dezentralisierung statt räumlicher Verdichtung wurde erwartet.
Der Architekturtheoretiker Martin Pawley schrieb zum Beispiel noch in Telepolis im Jahr 2000: "Urbane Verdichtung ist nicht effizient, sie ist teuer, unflexibel, undemokratisch und gefährlich. Gering bevölkerte und weiträumige Netzwerke von Siedlungsgebieten sind kontrollierbar, erhalten sich selbst und - was das Wichtigste ist - bieten an, wo die Menschen wirklich leben wollen. " Er war von der Auflösung der Stadt durch den digitalen Urbanismus überzeugt.
Aber die Vorhersagen erwiesen sich als falsch. Weltweit hat die Stadtbevölkerung zugenommen, mehr als die Hälfte der Menschheit lebt seit der Jahrtausendwende in Städten. Besonders in den Entwicklungs- und Schwellenländern findet ein explosives Wachstum der Großstädte, Megacities und Metacities statt. Man spricht von einem Boom der urbanen Korridore, in denen sich unvorstellbare Menschenmassen drängeln, viele auch in Slums, und die Ländergrenzen überschreiten. Die Städte saugen weiter die Landbevölkerung und Migraten aus anderen Ländern in sich auf, sie bieten mehr Chancen und produzieren Innovation auf allen Ebenen, sind die mit anderen boomenden Städten weltweit vernetzten Wirtschaftsmotoren der Länder, aber in ihnen vertieft sich auch die Kluft zwischen Arm und Reich.
Noch schneller als die Bevölkerung wächst oft die von Bebauung und Infrastruktur überzogene Fläche der Städte, wächst der Ressourcenverbrauch und bilden Städte lokale Klimabedingungen aus: In einer sich global erwärmenden Welt stellen sie noch zusätzliche Wärmeinseln dar, was für die Stadtbewohner riskant werden kann. So könnten nördliche Städte bis 2050, wie Wissenschaftler unter dem Szenario einer Temperaturerhöhung von "nur" 1,5 Grad errechnet haben, klimatisch 1000 km weiter in den Süden rutschen. Hamburg würde San Marino gleichen und durchschnittlich 1,4 Grad wärmer sein, der wärmste Monat könnte 5,4 Grad wärmer werden. Berlin nähert sich mit einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 1,8 Grad dem australischen Canberra an. Der heißeste Monat im Sommer könnte 6,1 Grad wärmer sein, der kälteste Monat im Winter um 2,5 Grad. München würde sich nicht so stark verändern und 1,2 Grad wärmer werden, der wärmste Sommermonat könnte aber auch um 4,6 Grad heißer sein. Insgesamt sei der Trend, dass die Zeiten mit geringen Niederschlägen noch trockener und die mit hohen noch feuchter werden. Die Temperaturunterschiede zwischen den Jahrzeiten nehmen ab, die täglichen Unterschiede zwischen maximalen und minimalen Temperaturen nehmen zu.
Ausgehend von einer kritischen Gegenwartsanalyse hat unser Gast, der Architekt Friedrich von Borries und der Städteplaner Benjamin Kasten, in dem Buch "Stadt der Zukunft - Wege in die Globalopolis", das am 25. September im Fischer Verlag erscheint, das Bild einer zukünftigen Stadt oder eher die Vision einer möglichen Stadt, "die ökologischer und gerechter als die Stadt der Gegenwart ist. Sie ist größer, höher, dichter und grüner - und sie hat eine neue politische Rolle. Diese Stadt der Zukunft hat den Nationalstaat als Identifikationsraum abgelöst. Die Weltgemeinschaft wird nicht mehr von Staatschefs, sondern von Bürgermeistern organisiert."
Wenn die Urbanisierung weiter in der rasanten Geschwindigkeit wie jetzt geht, werden über kurz oder lang die meisten oder fast alle Menschen in Städten leben. Dringend sei daher nicht so sehr die Frage, wie die Urbanisierung die Welt verändert, so von Borries und Kasten, sondern wie die Welt sich urbanisiert und wie man eine bessere und lebenswertere Stadt gestalten kann, was weit über technische Optimierungen etwa in Richtung einer nachhaltigen oder smarten Stadt hinausgeht.
Friedrich von Borries, Architekt und Professor für Designtheorie an der HFBK Hamburg, ist Gast im Telepolis Salon am 30. September im "Hecksalon" auf der Alten Utting. Beginn ist 20 Uhr.
Alte Utting
Lagerhausstraße 15
81371 München
Eintritt: 5 Euro
Anfahrt: U-Bahn: U3/U6 Poccistraße oder Implerstraße Bus: 132 / 62 Lagerhausstraße