Stau in der Stadt

Lernen vom Jazz-Zeitalter

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In der ganzen Medienaufmerksamkeit, die schon vor der Einführung der Staugebühren in Londons Zentrum auf diese gerichtet wurde, gab es einen Namen, der durch sein Fehlen auffiel: Trammel Crow, der Vater des moderne Dallas, der größte Bauherr aller Zeiten und der Urheber des höchst passenden Aphorismus: "Ich liebe den Stau, er ist besser als eine Rezession."1

Das ist schade, weil kein Meinungsmacher, der am Kampf um die Anti-Stau-Maßnahmen in London beteiligt war, so weit ging und behauptete, dass der Verkehrsstau keineswegs ein Problem ist, sondern vielmehr ein untrügliches Zeichen wirtschaftlicher Aktivität. Stattdessen pflegten viele Kommentatoren des Themas ein horrendes Missverständnis von Charles Darwin und verdrehten die Einsicht, dass die Umwelt die Herrscherin über die Arten ist, in ihr Gegenteil, in eine verrückte Welt, in der die Art selbstzerstörerisch die Seiten wechselt und für die Umwelt arbeitet.

Auch wenn sie bis zum Tag X als zwei Seiten in einem Star-Wars-Kampf zwischen konkurrierenden Technologien galten - zwischen den perfektionierten offiziellen Erkennungsverfahren und dem Einfallsreichtum nicht dokumentierter Eindringlinge -, ist die neue Anti-Stau-Politik der Stadt nicht mehr als eine neue Runde im Krieg zwischen Autos und Städten, der seit der Massenmotorisierung in den 1920er Jahren in den USA begonnen hat. Der Unterschied zum heutigen Central London ist, dass damals die Autos den Städten willkommen waren. Wie Richard Longstreths faszinierendes Buch "City Centre to Regional Mall" (MIT 1997) darlegt, wurde die gesamte urbane Infrastruktur verändert, um sie den Autos anzupassen. So wurden noch ungebaute Wohnblöcke in Parkplätze verwandelt und Gebäude bei großen Kaufhäusern abgerissen und durch sieben- oder achtgeschossige Parkhäuser ersetzt.

Bis 1925 war das Auto in den Entwicklungsplan einer amerikanischen Stadt so stark integriert, wie dies in den Stadtentwicklungsplänen des alten Europa niemals der Fall gewesen ist. Mit einer Ausnahme allerdings in den 1940er und 1950er Jahren, als die zerbombten Plätze, die nach dem Zweiten Weltkrieg zurück geblieben sind, die Städte für weitere 20 Jahre mit billigen und zahlreichen Parkplätzen im Umfang ihrer amerikanischen Vorgänger ausgestattet hatte. Diese Epoche muss das Goldene Zeitalter des Parkens in Europa und der harmonischsten Koexistenz von Auto und Stadt gewesen sein, die es bis jetzt gegeben hat: mit zweispurigen Straßen stadteinwärts und Drive-in-Banken in der City von London und den zwei Millionen angemeldeten Autos im ganzen Land im Gegensatz zu den heutigen 20 Millionen.

Natürlich konnte das nicht so bleiben. Autos waren nicht überall beliebt in Städten, wohl aber Gebäude. "Kein Automobil, nicht einmal ein Cadillac, hat jemals etwas gekauft", sagte etwa der amerikanische Stadtplaner Victor Gruen. Noch bevor das Internetzeitalter begann, waren die Interessen der urbanen Geschäftsleute von der Überzeugung geleitet, dass ihre Kunden auch ohne Autos auskommen. Es begann der große Druck. London wies jede Verbindung zwischen Verkehrsstau und Wohlstand zurück, kehrte dem Zeitalter der zerbombten Plätze den Rücken zu und kopierte stattdessen eher die amerikanische Verkehrsgeschichte. In dieser Zeit klebten sie am Konflikt zwischen dem Handel in der Innenstadt, der auf den Fang von Pendlern ausgerichtet war, und dem Handel in den Vororten, in denen die Menschen lebten und der Grund billig war.

Die Wiederaufführung des Anti-Auto-Streits in London 60 Jahre später mit einer Hightech-Variante einer mittelalterlichen Stadtmauer, einigen Bussen und einer U-Bahn, deren Großteil aus der Zeit vor der deutschen Vereinigung - nicht der Wiedervereinigung, sondern der Vereinigung - stammt, erscheint wie ein verzweifeltes und kompliziertes Vorhaben (Terrorabwehr und Staureduktion). Vielleicht hätte man viel Kummer vermeiden können, wenn man die acht Quadratmeilen der Staugebührenzone materiell vom Rest der Stadt wie in Berlin während des Kalten Krieges getrennt hätte, wo Kommunikation zwischen den zwei Stadtteilen nur zu Fuß möglich und beschränkt auf bestimmte Personengruppen war. Schließlich haben bei der Autofahrergemeinschaft das Zahlen und Zeigen eine seit langem bestehende Tradition.