Steckt hinter der umstrittenen Facebook-Studie auch das Pentagon?
Vermutet wird, dass die Studie im Rahmen des Sonderforschungsprogramms Minerva mitfinanziert worden sein könnte
In den USA und Großbritannien schlägt eine mögliche Beteiligung des US-Verteidigungsministeriums an dem Psycho-Experiment über "emotionale Ansteckung" mit hunderttausenden Facebook-Nutzern Wellen. Eine Managerin der Unternehmens, Sheryl Sandberg, hatte vergangene Woche bedauert, dass man in diesem Fall "schlecht kommuniziert" habe. Gleichzeitig betonte sie, eine begleitende Forschung sei wichtig für das Unternehmen.
Die Studie in Kooperation mit der Cornell-Universität und der Universität von Kalifornien war im Juni veröffentlicht worden. Facebook hatte im Rahmen eines verdeckten Experiments den Inhalt der Newsfeeds von knapp 700.000 englischsprachigen Nutzern manipuliert. Den Testpersonen wurden im Jahr 2012 eine Woche lang überwiegend positive oder negative Einträge von Freunden angezeigt, um herauszufinden, wie sich dies auf ihre Stimmung und ihr weiteres Kommunikationsverhalten auswirkt.
Einer der beteiligten Wissenschaftler, Professor Jeffrey Hancock von der Cornell-Universität, verfügt über enge Kontakte zum US-Verteidigungsministerium. Dessen Sonderforschungsprogramm Minerva wählte in diesem Jahr ausgerechnet ein Forschungsprojekt zur Auszeichnung aus, dass thematisch eng mit der nun bekannt gewordenen Facebook-Studie verbunden ist.
Unter dem Titel "Tracking Critical-Mass Outbreaks in Social Contagions" untersuchen die Forscher die Dynamiken sozialer Bewegungen durch so genannte "Ansteckung". Wie auch die Facebook-Studie wird diese Arbeit vom Fachbereich für Kommunikation und Informationswissenschaft der Uni Cornell durchgeführt.
Der zum Facebook-Projekt publizierte Artikel der Forscher hatte in seiner Einleitung darauf verwiesen, dass die Studie auch mithilfe von Drittmitteln von außen finanziert worden sei. Bei einem Dementi bezeichnete die Hochschule diesen Hinweis inzwischen als einen "unglücklichen Fehler". Gegenüber dem Guardian betonten die Forscher, es gebe keine direkte Unterstützung für das Projekt durch das amerikanische Verteidigungsministerium. Facebook sei auch kein "willentlicher" Teilnehmer an dessen Minerva-Programm.
Die Skepsis der Netzgemeinde bezieht sich genau auf den "willentlichen" Charakter der Zusammenarbeit. "Wir wissen, dass Facebook willentlich mit dem NSA-Prism-Programm kooperiert", hieß etwa auf der Seite SCGNews. Weitere Fragen werden vor allem durch die Rolle von Professor Jeffrey Hancock aufgelöst. Ein Sprecher der Universität räumt ein, dass Hancock in der Vergangenheit Forschungsarbeiten im Auftrag der amerikanischen Bundesregierung ausgeführt habe.
Das Minerva-Programm richtete das Verteidigungsministerium im Jahr 2008 ein, als die Finanzkrise in den USA ausbrach. Einer der ersten Kooperationspartner in dem Millionen US-Dollar schweren Sonderforschungsprogramm zur informationellen Kriegsführung war eben Professor Jeffrey Hancock. Sein Projekt widmete sich der Frage, wie sich Diskurse und sozialen Dynamiken in Staaten entwickeln, deren Regierungsform als "autoritär" eingestuft wird.
Minerva soll gemeinsam mit Hochschulen das "grundlegende Verständnis von sozialen, kulturellen, das Verhalten betreffenden und politischen Kräften" fördern und zwar in Regionen, die "für die USA strategisch interessant" sind. Tatsächlich liest sich der Katalog der bisher geförderten Projekte, wie ein modernes Kompendium für den globalen Krieg. Neben Vorhersagen über den Verlauf von Konflikten geht es darum einzuschätzen, welche Maßnahmen in welchem Umfeld welche Wirkungen erzielen. Prominent vertreten sind unter den Themen auch Kommunikationsstrategien und Internetpolitik.