Steigende Kosten durch Energiestandards: Lieber heute oder morgen?

Bezahlbare Grundmiete heißt bei schlechter Dämmung noch nicht, dass auch die Warmmiete leistbar ist. Symbolbild: Hgzh / CC-BY-SA-4.0

Vom Verzicht auf Energiesparstandard EH 40 erhofft sich die Ampel mehr Bautätigkeit. Die Folgekosten könnten aber immens sein. Wozu eine Klima-Ökonomin rät.

Der Verzicht auf höhere Energiesparstandards für Neubauten soll vordergründig dazu beitragen, dass schnell mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird – auch, wenn sich für einkommensschwache Schichten die Frage stellt, wie sie dann die vergleichsweise höheren Wohnnebenkosten stemmen sollen. Notfalls müssen sie sich eben warm anziehen.

Der vorläufige Verzicht auf Energiesparstandard EH 40 Teil ist jedenfalls Teil eines Maßnahmenpakets, das die Ampel-Koalition zur Bekämpfung der Wohnungsnot beschlossen hat.

Die Klima-Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt allerdings vor längerfristigen Belastungen, wenn die Energiestandards für Neubauten nicht verschärft werden: "Wenn Deutschland im Gebäudesektor die Emissionsminderungsziele verfehlt, dann muss es Zertifikate zukaufen." Das sei in der EU-Klimaschutzverordnung festgelegt, sagte Kemfert am Mittwoch dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Da stünden Kosten von bis zu 90 Milliarden Euro im Raum.

EH40 steht für "Effizienzhaus 40" und bedeutet, dass verglichen mit einem Referenzgebäude nur 40 Prozent Primärenergie benötigt werden. Die Energieeffizienz ist somit höher als beim Standard EH 55, der seit Anfang dieses Jahres gilt.

Die Baukosten sind aber laut Kemfert beim Standard EH40 nicht viel höher als beim Standard EH55. Die Kostensteigerung liege bei höchstens zehn Prozent. "Das ist jetzt keine riesige Zahl", meint die Klima-Ökonomin.

Schlecht gedämmte Gebäude verlieren an Marktwert

Außerdem rechne es sich für Bauunternehmen nicht mehr, nach alten Standards zu bauen. Dann sei ein Gebäude nicht zukunftsfähig und verliere schnell an Marktwert. Es sei also "grundfalsch", den höheren Effizienzstandard mit der Begründung auszusetzen, das sei zu teuer.

Ab 2027 wird der Gebäudesektor in den Europäischen Emissionshandel einbezogen. Mögliche Mehrkosten könnten dann auch auf Mieterinnen und Mieter umgelegt werden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist jedoch vor dem Wohnungsgipfel im Kanzleramt Ende September von den geplanten Vorgaben zur stärkeren Dämmung von Neubauten abgerückt: "Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes ist sichergestellt, dass Neubauten ab 2024 klimafreundlich heizen", hatte Habeck erklärt. Deshalb halte er es nicht mehr für nötig, "jetzt auf die Schnelle den neuen Standard EH 40 einzuführen", hatte Habeck der Nachrichtenagentur Reuters erklärt.

Allerdings könnten durch das Gesetz in seiner Endfassung weniger CO2-Emissionen eingespart werden als erwartet. Berechnung dazu hatte Habecks Ressort kurz vor dem Bundestagsbeschluss selbst vorgelegt. Demnach wird der Klimaschutzeffekt des Gesetzes wohl bescheidener ausfallen als gedacht - auch wegen der umfangreichen Änderungen am ursprünglichen Entwurf auf Druck der FDP-Fraktion.

Laut Habecks Ministerium wird mit Blick auf den ursprünglichen Gesetzesentwurf davon ausgegangen, dass in der neuen Fassung rund drei Viertel der eigentlich geplanten Treibhausgasminderung bis zum Jahr 2030 möglich sind – "vielleicht etwas mehr, vielleicht weniger".