Stell Dir vor, es gibt Milliarden für die Rüstung – und kaum einen interessiert‘s

Frieden schaffen mit mehr Waffen? Man kann's ja mal mit F-35-Kampfjets probieren, meint die Bundestagsmehrheit. Foto: U.S. Air Force photo by Master Sgt. Donald R. Allen / CC BY-SA 3.0

Trotz Inflation und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten: Hohe Ausgaben für Kriegsgerät werden mehrheitlich stoisch hingenommen. Die Gefahr einer Eskalation kommt hinzu.

"Zehn Milliarden für neue Atombomber F-35. Ernsthaft, SPD und Grüne?" Mit dieser Frage auf einem Transparent protestierte die Umweltorganisation Greenpeace am Mittwoch gegen einen Aufrüstungsbeschluss der Bundesregierung, der die von Kanzler Olaf Stolz (SPD) ausgerufene "Zeitenwende" praktisch werden lässt.

Im Haushaltsausschuss des Bundestags sollte über den Kauf von F-35-Kampfjets als neues Atomwaffenträgersystem entschieden werden. "Die Bundesregierung will dafür bis zu zehn Milliarden Euro ausgeben - nur damit deutsche Pilotinnen und Piloten die hier lagernden US-Atombomben an ihr Ziel fliegen und abwerfen können", kritisierte Greenpeace und forderte die Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf, dieser Beschaffungsvorlage nicht zuzustimmen, sondern die geplante Verschwendung von Steuergeldern für Atombomber zu stoppen.

Vergeblich: "Der Bundestag hat den Weg für den Kauf des US-Kampfflugzeuges F-35 freigemacht", vermeldete die FAZ. Dass der Protest gegen die milliardenschwere Aufrüstung so schwach ist, verwundert auf den ersten Blick. Schließlich ist noch nicht einmal klar, wie teuer das Projekt am Ende tatsächlich wird. Bisher gibt es nur Schätzungen. "Die verbindlichen endverhandelten Preise werden anschließend mit einer einseitigen Vertragsänderung durch die US-Regierung übermittelt," heißt es in der taz.

Das hinderte aber auch die einst rüstungskritischen Grünen nicht, der Aufrüstung zuzustimmen. "Als Parlament werden wir die Sicherstellung der Einsatzfähigkeit weiterhin eng begleiten", wird der Abgeordnete der Grünen Sebastian Schäfer in der taz zitiert. Es ist lange her, dass Abgeordnete dieser Partei den Anspruch hatten, die Bundeswehr als weltweit einsetzbare Armee infrage zu stellen.

Dark Eagle über Mainz?

Doch deren Aufrüstung ist mit dem F-35-Beschluss noch längst nicht zu Ende. Schon wird über die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen, der sogenannten Dark Eagles diskutiert.

Die britische Zeitung The Sun veröffentlichte am 21. November 2021 – also gut drei Monate vor Beginn des Ukraine-Kriegs – eine Grafik, auf der eine Mittelstreckenrakete aus Deutschland Moskau in einem "Blitzkrieg" angreift. "Die Rakete kann Russland in 21 Minuten und 30 Sekunden treffen", titelte das Boulevardblatt reißerisch. Als Abflugort der Dark-Eagle-Rakete war das 56. US-Artillerie-Kommando in Mainz-Kastel angegeben. Nicht nur in Moskau, das sich nach westlicher Lesart zu Unrecht bedroht fühlte, wurde dies sicher zur Kenntnis genommen.

Auch in der Region haben solche Meldungen für Beunruhigung gesorgt. Doch ansonsten gibt es bisher kaum Diskussionen über diese Raketen, die eine neue globale Eskalation auslösen könnten.

Bringt die Gefahr ihrer Stationierung der Friedensbewegung neue Impulse oder sogar mehr Zulauf? Diese Frage beschäftigte auch den Friedensratschlag, ein bundesweites Treffen der Friedensbewegung, das am Wochenende in Kassel stattfand.Viele erinnern sich noch an die 1980er-Jahre, als die Stationierung von Mittelstreckenraketen zu einer Massenbewegung gegen die Aufrüstung führte.

Bisher ist davon allerdings bisher noch wenig zu sehen. Der Gegner westlicher Außenpolitik ist auch nicht mehr die berechenbare Sowjetunion. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Situation vor 40 Jahren sind aber mehrere Auslandseinsätze der Bundeswehr: Deutschland führt heute wieder Krieg; und das seit 20 Jahren. Trotzdem kann Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) von einer Friedensordnung reden, die erst durch Russland zerstört wurde.

Das zeigt, wie weit die nationalistischen Mythen in den Köpfen verbreitet sind. Das macht es schwer, eine antimilitaristische Praxis zu initiieren. Da ist es auch keine Lösung, die Anti-USA-Propaganda wieder auszupacken. Erinnert werden könnte dagegen an Karl Liebknechts Aussage zum Ersten Weltkrieg: Der Hauptfeind steht im eigenen Land.