Steuern rauf!

Bilder: Silvio Duwe

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fordert einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent auf fast alles

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Die Mehrwertsteuer versteht kein Esel mehr – wann der volle Satz von 19 Prozent, wann 7 Prozent und wann gar keine Mehrwertsteuer anfällt, ist oft unlogisch. An den Grundbedürfnissen jedenfalls scheint sich das derzeitige Gesetz nicht immer zu orientieren, wird doch beispielsweise Hundefutter ermäßigt, Windeln für Kinder aber mit dem vollen Satz besteuert. Auf dieses Problem machte die den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie nahestehende Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft heute in Berlin mit einem voll besteuerten Esel und einem ermäßigten Maultier aufmerksam – und präsentierte als Lösung einen Vorschlag von Professor Dr. Rolf Peffekoven, der auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums ist.

Peffekoven möchte alle Ermäßigungen und Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer abschaffen und schlägt einen einheitlichen Steuersatz in Höhe von 16 Prozent vor. Auch bisher mehrwertsteuerfreie Leistungen von Ärzten, gemeinnützigen Einrichtungen und soziale Leistungen sollen künftig mit 16 Prozent besteuert werden. Lediglich in zwei Bereichen möchte Peffekoven die bestehende Mehrwertsteuerbefreiung aufrecht erhalten: aus Gründen der „Praktikabilität“ sollen Vermietungen und Verpachtungen von der Mehrwertsteuer befreit bleiben. Um Doppelbesteuerung zu vermeiden, schlägt Peffekoven zudem die Beibehaltung der Mehrwertsteuerbefreiung bei Grunderwerb und Lotterien vor.

Professor Dr. Rolf Peffekoven

Die Vorschläge würden vor allem Menschen mit geringem Einkommen deutlich belasten, da diese ihr Geld vorrangig für die bisher ermäßigt besteuerte Produkte ausgeben müssen. Geringverdiener oder Erwerbslose, die kaum Geld für Kleidung, teure Elektrogeräte und Dienstleistungen ausgeben, müssten mit einer Verdopplung des Anteils der Mehrwertsteuer bei ihren Ausgaben rechnen. Auch auf die Krankenversicherungen würden hohe Zusatzbelastungen hinzukommen, ohne dass die medizinischen Leistungen verbessert würden. Profitieren würden hingegen jene, die ihr Geld nur zu einem geringen Anteil für Lebensmittel und soziale Dienste ausgeben müssen.

Laut Peffekoven würden die Kosten für die Absenkung des vollen Mehrwertsteuersatzes auf 16 Prozent ungefähr bei 24 Milliarden Euro liegen, die zusätzlichen Einnahmen durch Vereinfachung und Angleichung des ermäßigten Satzes jedoch zwischen 30 und 35 Milliarden Euro betragen. Daraus würden sich Steuermehreinnahmen in Höhe von sechs bis neun Milliarden Euro ergeben. Diese sollen laut Peffekoven für einen „zielgenauen und effizienten“ sozialen Ausgleich genutzt werden, um Geringverdiener, Studenten und Empfänger von Sozialleistungen mit der Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes nicht zu belasten. Konkret schlägt Peffekoven die Erhöhung des Grundfreibetrags bei der Einkommenssteuer und eine Erhöhung der Sozialtransfers, insbesondere der Hartz IV-Sätze vor, ohne jedoch konkrete Zahlen zu nennen. Dies würde Kosten in Höhe von zwei bis fünf Milliarden Euro verursachen. Weitere fünf Milliarden sollen zum Ausgleich für die Besteuerung von ärztlichen Leistungen an die Krankenkassen gezahlt werden.

Hubertus Pellengahr, der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ist überzeugt, dass selbst die steuerliche Mehrbelastung in den unteren Einkommensgruppen marginal sei, wenn es künftig einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz gebe. Den Preissteigerungen bei Lebensmitteln stünden Preissenkungen bei Energie, Kleidung, Handwerksdienstleistungen und langlebigen Gebrauchsgütern gegenüber. Bei der untersten Einkommensgruppe würden die Konsumausgaben kurzfristig lediglich um 1,1 Prozent steigen, langfristig gar nur um 0,4 Prozent. Zudem ist man bei der INSM überzeugt, dass die Mehrwertsteuerermäßigung für den sozialen Ausgleich ungeeignet sei, da unabhängig vom Einkommen jeder von ihr profitiere.

Hubertus Pellengahr

Trotzdem ist gerade für Geringverdiener die Gefahr groß, zum Verlierer eines einheitlichen Mehrwertsteuersatzes zu werden, da in Zeiten klammer öffentlicher Haushalte eine Erhöhung von Sozialleistungen nur schwer durchsetzbar sein wird. Zudem scheint es angesichts von 263 Milliarden Euro an Gesundheitsausgaben im Jahr 2008 unwahrscheinlich, ob fünf Milliarden ausreichen, um die Mehrkosten im Gesundheitswesen aufzufangen – eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge wäre wohl die unvermeidliche Folge. Ob die Unternehmen die Mehrwertsteuersenkung an die Konsumenten weitergeben, ist ebenfalls fraglich. Kritiker dürften der INSM daher vorwerfen, vor der für den Sommer geplanten Einrichtung einer Kommission zur Neuregelung der Mehrwertsteuer Umverteilung von unten nach oben zu propagieren.

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