Streiks in Deutschland – Streiks in Frankreich: Und das Klima?

Demonstration der Gewerkschaften gegen die Rentenreform in Besançon, am 11. Februar 2023. Foto: Toufik-de-Planoise / CC BY-SA 4.0

In Frankreich wird gestreikt – seit Wochen. In Deutschland wird gestreikt – an einem Tag. Der wirkliche Unterschied: Die Deutschen machen Homeoffice, nutzen für einen Tag das Fahrrad oder die Beine – die Franzosen bauen Barrikaden und zünden Autos oder Mülleimer an.

Medien in Deutschland loben, dass der Streik hierzulande nach einem Tag ganz pünktlich um 0.00 Uhr endet. Französische Medien sehen inzwischen ihre Demokratie in der Krise. Französische Medien meinen, ihre Streiks hätten inzwischen nichts mehr mit romantischem Revolutionsgeist zu tun. Die Franzosen haben ihr Vertrauen in ihre Regierung weitgehend verloren.

Wenn Menschen nichts mehr anderes übrig bleibt, als auf die Straße zu gehen, dann ist das nicht mehr gut für die Demokratie, sondern gefährlich. Die Deutschen fürchten lediglich, dass die AfD bei der nächsten Wahl 15 Prozent der Stimmen bekommen könnte.

In beiden Ländern haben die Gewerkschaften in den letzten Jahren viele Mitglieder verloren. Die Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden einschließlich der Friedenspflicht zwischen den Tarifrunden ist in Deutschland wesentlich ausgeprägter als in Frankreich.

Und paritätische Mitbestimmung gibt es bei unseren Nachbarn nicht. Schon Lenin hat über die weit verbreitete deutsche Revolutionsangst gespottet: "Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich erst eine Bahnsteigkarte!"

Oder aktuell: Wenn eine deutsche Regierung über Planungsbeschleunigung berät, dann dauert das drei Tage und eine lange Nacht, damit beim neuen "Deutschlandtempo" ja auch niemand beunruhigt wird. Das nennt sich dann "Fortschrittskoalition".

Frankreichs Präsident Macron beschließt die Rentenreform beinahe handstreichartig am Parlament vorbei. Doch hierzulande berät die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP in Gesprächen, die am Sonntag beginnen, am Montag nach 20 Stunden unterbrochen und dann bis Dienstagabend fortgesetzt werden, über mehr Klimaschutz.

Ergebnis nahezu null. Und alles bleibt ruhig, obwohl der Bundeskanzler meint, dieses Ergebnis sei wie Geburtstag, Weihnachten und Ostern zugleich.

Wenn die Franzosen bis zum 64. Lebensjahr arbeiten sollen, ist Revolution. In Deutschland ist man kaum unzufrieden, wenn bis 67 gearbeitet wird. Kein Wunder, dass Franzosen oft sagen: "Wir arbeiten, um zu leben – doch die Deutschen leben, um zu arbeiten". Beides hat Vor- und Nachteile.

Unbestreitbar ist allerdings: Beide Philosophien nützen dem Klima gar nichts. Die Lösung könnte heißen: weniger streiken als in Frankreich, weniger reden als in Deutschland, aber mehr handeln – rechts und links vom Rhein. Wir müssen unser Gesellschaftsmodell rasch so ändern, dass wir nicht die Zukunft der nächsten Generationen verbrennen.

Die einzige Revolution, die uns jetzt noch helfen kann, ist die Klima- und Energierevolution. Dazu der Sozialpsychologe Harald Welzer:

"Wir haben nichts Relevanteres als die ökologische und die klimatologische Thematik. Wenn wir damit nicht umgehen können, kann man den Rest auch in die Tonne hauen."

Die Frage, ob Rente mit 64 oder mit 67 ist dann ziemlich egal. Wo ist nur der versprochene Klimakanzler Scholz geblieben?

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