Streit um die Wiederinbetriebnahme eines Labors für die Maul-und-Klauenseuche im Irak

Ein Vorschein für die Schwierigkeiten, zwischen biologischen Waffen und ziviler Forschung unterscheiden zu können

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Die Maul-und-Klauen-Seuche ist wegen ihrer schnellen Infektion so schwer zu bekämpfen. Genau diese Eigenschaft ließ Militärs den Erreger auch in ihr Arsenal von biologischen Waffen aufnehmen, die sich nicht nur gegen die Menschen direkt, sondern auch gegen Pflanzen und Tiere richten. Der biologische Agroterrorismus hat das Ziel, die Versorgung eines Landes mit Lebensmitteln zu behindern, Störungen der Wirtschaft oder der nationalen Infrastruktur zu bewirken oder neben Kosten und Ressourcenbindung einfach auch nur eine Verunsicherung bei der Bevölkerung hervorzurufen.

Fermenter in der irakischen MKS-Fabrik, Foto: UNSCOM

Die Maul-und-Klauen-Seuche ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie schwer es ist, eine internationale Ächtung von biologischen Waffen tatsächlich umzusetzen. Das Problem ist wie bei allen "Dual-use-Technologien", dass sich nur schwer zwischen einem zivilen und einem militärischen Gebrauch unterscheiden lässt.

Dazu muss man nur einmal den Blick auf den Irak richten, der nach dem verlorenen Golfkrieg von der internationalen Gemeinschaft unter anderem dazu gezwungen wurde, alle Massenvernichtungswaffen zu vernichten. 1995 gab der Irak zu, Viren gezüchtet, aber sie nicht als Waffen verwendet zu haben. Doch nachdem Hussein Kamal, ein Schwiegersohn von Saddam Hussein und der Leiter des Biowaffen-Labors Al Hakam nach Jordanien geflüchtet war, übergab man der UNSCOM zahlreiche Dokumente, die zeigten, dass der Irak seit 1974 ein Programm für die biologische Kriegsführung eingerichtet hatte. Seit 1990 wurden erhebliche Mengen an biologischen Agenten gezüchtet, die als Waffen auch getestet wurden. So wurden Bombenköpfe mit dem Botulinus-Toxin, mit dem Milzbranderreger und mit Aflatoxin gefüllt. Obgleich der Irak versicherte, dass diese Bomben zerstört wurden, hatte die UNSCOM noch einige intakte gefunden.

Insgesamt wurden von der UNSCOM bis zu 86 Anlagen überwacht und sechs Anlagen als die wichtigsten Produktionsorte für biologische Waffen ausgemacht. Dazu gehörte Al Hakam, wo Forschung und Entwicklung von biologischen Waffen stattfand und diese auch in Sprengköpfe eingefüllt werden konnten, sowie Al Daura, das sogenannte Forschungszentrum für die Maul-und-Klauen-Seuche, das 1982 mit französischer Hilfe errichtet wurde. Al Hakam wurde 1996 ganz zerstört, in den übrigen Anlagen wurden verdächtige Produktionseinrichtungen vernichtet. Der Irak hatte sich 1996 damit einverstanden erklärt, in Al Hakam und Al Daura alle Arbeiten einzustellen. Die UNSCOM warf dem Irak stets vor, die Inspektionen zu behindern, Informationen zurückzuhalten oder andere Produktionsorte zu verheimlichen.

Schon 1999 stellte der Irak den Antrag an die FAO, Al Daura wieder in Betrieb nehmen zu dürfen. Der Außenminister wandte sich im April überdies in einem Brief an den UN-Generalsekretär Kofi Annan mit demselben Anliegen. Offenbar hat sich der derzeitige Außenminister, Hamid Hammadi, jetzt erneut an Annan und den UN-Sicherheitsrat einen Brief gerichtet, wie die Sunday Times am 15.4. berichtete, und gesagt, dass die Wiedereröffnung des Labors dringend notwendig sei, um zu verhindern, dass die Maul-und-Klauen-Seuche sich von Europa in den Mittleren Osten verbreiten könne. Man werde, so wird aus dem Brief zitiert, mit "spezialisierten Unternehmen im Hinblick auf die Wiederherstellung der Labors zur Produktion von MKS-Impfstoff in Kontakt treten." Als Test- und Diagnosezentrum für MKS durfte sie seit kurzem wieder betrieben werden.

Fermenter, Foto: UNSCOM

Einer der früheren UNSCOM-Mitarbeiter, David Kelly, warnte, man dürfe Hussein nicht trauen. Es sei davon auszugehen, dass er die Labors wieder in Produktionsstätten für biologische Waffen verwandeln will. Anlass zur Beunruhigung für Mitarbeiter des britischen Außen- und Verteidigungsministeriums ist auch, dass der ehemalige Direktor von Al Daura seit 1998 spurlos verschwunden zu sein scheint. Hazem Ali hatte pikanterweise an der Newcastle University Virologie studiert, kehrte 1987 in den Irak zurück und leitete ab 1990 das MKS-Labor, in dem unter anderem auch Botulinus-Toxin hergestellt wurde. Geforscht wurde neben MKS an dem Rota-Virus, der bei Menschen Durchfall auslöst, und Kamelpocken, die auch auf den Menschen übertragbar sind. Nach der weltweiten Ausrottung der Menschenpocken besitzen nur noch die Russen und Amerikaner Kulturen, über deren Vernichtung noch diskutiert wird. Man nimmt an, dass der Irak die Kamelpocken gewissermaßen als Ersatz verwendet hat. Möglicherweise arbeitet der Wissenschaftler bereits wieder an neuen biologischen Waffen an einem unbekannten Ort.

Während also britische Militärs warnen, dass das Labor anderen Zwecken als der zivilen MKS-Forschung dienen könnte, stellt man diese Vorgänge im Irak aus offizieller Sicht natürlich ganz anders dar. Zwar wird die UNSCOM nicht direkt wie von manchen beschuldigt, die MKS-Epidemie 1998 in den Irak eingeführt zu haben, aber sie - und vor allem deren Leiter Richard Butler, dem enge Verbindungen mit dem CIA und dem Mossad unterstellt werden - wird dafür verantwortlich gemacht, dass die Behörden durch die Zerstörung der Labors den Ausbruch der Seuche nicht durch Impfungen begegnen konnten. Nebenbei wird bemerkt, dass der MKS-Virus, der für die Epidemie in Großbritannien verantwortlich ist, demjenigen ähnlich sei, der auch im Irak 1998-1999 eine Epidemie verursacht und zu großen finanziellen Verlusten geführt hat.

Natürlich spricht man nicht mehr davon, warum Al Daura geschlossen wurde, sondern nur noch, dass hier "Impfstoffe mit moderner Technik" hergestellt wurden, wobei die neuesten Verfahren dazu dienten, die Produktion von Verunreinigungen zu schützen und zu verhindern, dass Viren ins Freie gelangen können: "Während der Schließung", so die staatliche irakische Nachrichtenagentur in einem aktuellen Bericht, begannen die ersten MKS-Fälle aufzutauchen, besonders gegen Ende 1995 und Anfang 1996. UNSCOM weigerte sich, der irakischen Seite einige Materialien und Geräte aus den Labors zu mitzunehmen, um die Virusart zu diagnostizieren und identifizieren." Und weil der in diesen Labors hergestellte Impfstoff auch in andere Länder exportiert wurde, betreffe der durch die Schließung und Zerstörung angerichtete Schaden - das "schreckliche von der US-Regierung und ihrem Alliierten Großbritannien begangene Verbrechen" - nicht nur den Irak, sondern auch Jordanien, den Libanon, Laos, Ägypten oder Frankreich.

Selbst wenn tatsächlich in Al Daura nur MKS-Forschung betrieben würde und Impfstoffe hergestellt würden, so wäre dies noch keine Garantier dafür, dass man nicht solche Virusarten züchten könnte, die sich dann als biologische Waffen woanders einsetzen ließen und für die es im Einsatzgebiet keine Impfstoffe gibt. Seit Jahren arbeitet eine Ad Hoc Gruppe der Vereinten Nationen an den Ausführungsbestimmungen für das Abkommen über das Verbot biologischer Waffen. Strittig sind Verfizierungsverfahren. Bis Ende Juli will man das Protokoll fertiggestellt haben, um es dann im November den Unterzeichnerstaaten vorlegen zu können. Aber schon am Fall der MKS sieht man, dass auch dann, wenn es tatsächlich zu einer Einigung über das Protokoll kommen wird, die Konflikte über den Nachweis in vielen Fällen bestehen bleiben werden, ob in einem Labor zivile oder militärische Forschung betrieben wird.