Streit ums Bleiberecht

CDU-Innenminister kritisieren Regierungsvorschlag und wollen das Bleiberecht weitestgehend einschränken

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Vom heutigen Mittwoch bis zum Freitag kommen die Länderinnenminister gemeinsam mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zu ihrer alljährlichen Konferenz zusammen. In der Regel nehmen davon nur Flüchtlings- und Antirassismusorganisationen Notiz. Schließlich gehört zu den Kernpunkten der Konferenz die Frage des Umgangs mit den verschiedenen Flüchtlingsgruppen, die in Deutschland ohne einen festen Aufenthaltsstatus leben.

Auch in diesem Jahr steht dieses Thema wieder auf der Tagesordnung. Das öffentliche Interesse ist allerdings größer. Schließlich soll über ein seit langem von Kirchen, Gewerkschaften und Flüchtlingsorganisationen gefordertes Bleiberecht für Menschen, die schon längere Zeit in Deutschland leben, beraten werden.

Eine solche Regelung wurde schon in vielen europäischen Ländern, z.B. in Spanien und in Italien eingeführt. Im Grundsatz sind sich auch in Deutschland alle politischen Parteien einig, dass es hier ebenfalls eine solche Regelung geben sollte. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Deshalb leistet sich die Bundesregierung weiterhin einen heftigen Streit um die Modalitäten der Einigung. Auch ein Kompromissvorschlag von SPD und Union konnte den Streit nicht aus der Welt schaffen.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein erklärte sofort: „Das Konzept Schäuble-Müntefering halte ich so für nicht diskutabel.“ Sekundiert wurde er von seinem christdemokratischen niedersächsischen Amtskollegen Uwe Schünemann.

Unterschiedliche Stimmen bei der Union

Dass sich Beckstein und Schünemann gestern als Hardliner präsentierten, die Einigung in Frage stellten und damit das schon wenig schmeichelhafte Bild der Bundesregierung in der Öffentlichkeit weiter ramponierten, gehört auch zur Verhandlungsstrategie. Denn die Innenminister der unionsgeführten Bundesländer wollen mit Blick auf ihr Wählerklientel sicherstellen, dass nur ein Teil der knapp 190.000 in Deutschland mit einen Duldungsstatus lebenden Menschen ein Bleiberecht bekommt. Dafür bedienen sie sich der klassischen Ressentiments von Ausländern, die den Steuerzahler auf der Tasche liegen. "Dieser Kompromiss bedeutet eine Zuwanderung in die Sozialsysteme und geht damit zu Lasten der Kommunen", erklärten sie.

Diese Linie ist allerdings auch in den Unionsparteien umstritten. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer nannte die Bleiberechtslösung eine wichtige Weichenstellung. Sie hatte sich allerdings schon in der Vergangenheit für eine begrenzte Bleiberechtsregelung stark gemacht. Dabei hat sie Zustimmung nicht nur bei dem Flügel der Union, der aus humanitären Gründen für eine solche Regelung eintritt. Auch weitsichtigere Exponenten des Wirtschaftsflügel erkennen an, dass Deutschland angesichts der demographischen Entwicklung in absehbarer Zeit dringend auf Menschen aus dem Ausland angewiesen sein wird.

Die Frage ist dann nur, wie man es dem Wähler sagt. Bei dem ziehen angesichts prekärer Lebens- und Arbeitsverhältnisse natürlich eher die einfachen Erklärungen von Beckstein und Schünemann. Damit können sie auch Teile der SPD-Basis unter Druck setzen, die in Zeiten von Arbeitslosigkeit und Existenzängsten auch nicht zu den glühendsten Befürwortern einer weitgehenden Bleiberechtsregelung gehört.

Betroffene organisieren sich selbst

Die Leidtragenden dieser Auseinandersetzungen sind die Betroffenen. In der letzten Zeit haben sie mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht. Sie sprechen schon von einem unwürdigen Gezerre um die Flüchtlinge. Auch der Kompromiss der Regierung, der jetzt von rechts infrage gestellt wird, ist in ihren Augen eine Mogelpackung, die den Namen Bleiberecht nicht verdiene, da nur eine Minderheit der Betroffenen hier bleiben könne.

Kritisiert wird allem die Verkoppelung von Bleiberecht und Arbeitsplatz, die auch in dem Kompromiss der Bundesregierung vorgesehen ist. Bleiberecht soll es nur für im „Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausreisepflichtige ausländische Staatsangehörige“ geben.

Wirtschaftlich integriert aber kann nur sein, wer Arbeit hat. Es könne nicht sein, dass die Frage eines Arbeitsplatzes über das Schicksal eines Menschen entscheidet, ist die Meinung von Flüchtlingsräten, Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, die am Donnerstag unter dem Motto Bleiberecht jetzt in Nürnberg zu einer Demonstration aufrufen (www.hier.geblieben.net). Mit dabei ist auch die Gruppe Jugendliche ohne Grenzen. Dabei handelt es sich um junge Erwachsene mit Duldungsstatus, die immer fürchten müssen, aus ihrer Ausbildung, ihrer Schule oder ihrem Studium gerissen und in ein ihnen fremdes Land abgeschoben zu werden. Sie wollen mit einem Gegenkongress in Nürnberg auf ihre Situation hinweisen und planen auch eine besondere Auszeichnung für den „Abschiebeminister des Jahres“. Mit Schünemann und Beckstein dürfen sich gleich zwei Anwärter Hoffnung machen.