Stricken die USA am seidenen Vorhang?

Seite 2: Pompeo "on fire"

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Am Donnerstagabend, nach einem kurzen Scharmützel des diplomatischen "tit-for-tat", stellte Ex-CIA-Direktor und US-Außenminister Mike Pompeo seine namhaften Vorredner verbal in den Schatten. Seine Grundsatzrede zur China-Politik, betitelt mit "Communist China and the Free World’s Future", fasste erneut die amerikanisch-chinesischen Beziehungen seit der Präsidentschaft Nixons zusammen. Nixon habe sich China zugewandt mit den Worten: "Auf lange Sicht können wir es uns nicht leisten, China für immer aus der Gemeinschaft der Nationen herauszuhalten... Die Welt kann nicht sicher sein, solange sich China nicht ändert. Daher muss unser Ziel - soweit es uns möglich ist - darin bestehen, die Ereignisse zu beeinflussen. Unser Ziel sollte es sein, Veränderungen herbeizuführen".

Standing Ovations für Außenminister Mike Pompeo, zu dessen Rede vor dem Richard Nixon Presidential Library and Museum auch chinesische Dissidenten eingeladen waren. Bild: U.S. Department of State / Flickr

Dies habe sich nun, knapp fünfzig Jahre später, als Fehler herausgestellt. Peking habe nicht nur die Großzügigkeit der "freien Welt" ausgenutzt, sondern bedrohe ihre Freiheit, ihren Wohlstand und ihre Zukunft. Pompeo, Trumps Sprachrohr der America First Politik, bezichtigte China unfairer Handelspraktiken und grober Menschenrechtsverletzungen sowie geheimer Bemühungen, die US-amerikanische Gesellschaft zu infiltrieren. Die "westlichen Freiheiten zu schützen" vor der Kommunistischen Partei Chinas, das sei "die Mission unserer Zeit", sagte Pompeo. Und die USA seien bereit, bei dieser Aufgabe voranzugehen.

Ich bin aufgewachsen und habe meine Zeit in der Armee während des Kalten Krieges verbracht. Und wenn ich eines gelernt habe, dann, dass Kommunisten fast immer lügen. Die größte Lüge, die sie erzählen, ist der Gedanke, dass sie für 1,4 Milliarden Menschen sprechen, die überwacht, unterdrückt und zu verängstigt sind, um ihre Stimme zu erheben.

Das Verhalten der KPCh zu ändern, kann nicht allein die Aufgabe des chinesischen Volkes sein. Freie Nationen müssen sich für die Verteidigung der Freiheit einsetzen. Das ist alles andere als einfach.

Die Vereinten Nationen, die NATO, die G7-Länder, die G20, unsere kombinierte wirtschaftliche, diplomatische und militärische Macht reicht sicherlich aus, um diese Herausforderung zu meistern, wenn wir sie klar und mit großem Mut angehen.

Vielleicht ist es an der Zeit für eine neue Gruppierung gleichgesinnter Nationen, ein neues Bündnis von Demokratien.

Mike Pompeo

Am Rande des "Wir gegen die"-Gezeters erlaubte sich Pompeo einen unmerklichen Fauxpas, den Psychoanalytiker als Freud'schen Versprecher bezeichnen würden: wenn der Mund gerade das ausspricht, was das Gehirn zwar denkt, aber nicht denken darf. Pompeo sagte: "China ripped off our prized intellectual property and trade secrets, causing millions of jobs all across America." Gemeint wird Pompeo haben: "costing millions of jobs".

Unmissverständlich hingegen bleibt Pompeos Forderung: "The free world must triumph over this new tyranny." Es steht zu befürchten, dass die hohen Beamten Trumps, die in ihren Reden Chinas Entwicklung nach seiner wohlwollenden Aufnahme in die Völker- und Handelsgemeinschaft durch den Westen bedauern und nun China als größte Bedrohung für die "freie Welt" deklarieren, derzeit an etwas weit Größerem stricken als nur dem Wahlsieg im November: an einem seidenen Vorhang?