Stromverteilung: Es wird brenzlig

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Die Bundespolitik versucht, die Stromerzeugung im kommenden Winter zu sichern, koste es, was es wolle, und übersieht dabei, dass die Stromerzeugung ohne eine funktionierende Stromverteilung nicht hilft.

Die Stromverteilung in Deutschland steht gut absehbar auf der Kippe, weil sie die gestiegenen Strompreise aufgrund bestehender Verträge nicht weiterreichen darf. Die Verteilunternehmen, die die privaten Tarifkunden und die Gewerbekunden bedienen, befinden sich in einer Sandwichpositition zwischen den großen Stromerzeugern, die ihre gestiegenen Kosten jetzt zusehends an die nächste Stufe weitergeben, und den Endkunden, welche bei steigenden Preisen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

In der Vergangenheit hatten die Versorger der Endkunden mit etwa einem Prozent an Kunden zu tun, die ihre Jahresrechnung oder einzelne Abschlagszahlungen nicht begleichen wollten, was im Wiederholungsfalle zu einer Stromsperre führte.

Corona-Pandemie hat die Zahl der Stromsperren sinken lassen

Einem Kunden, der mit 100 Euro im Zahlungsverzug ist, droht eine Stromsperre. Zuerst erfolgt eine Mahnung, dann die Androhung der Sperre und vier Wochen darauf wird der Strom abgeklemmt. Mahnung und Trennung vom Stromnetz sind ebenso kostenpflichtig wie eine Rückkehr der Stromversorgung, wenn die Außenstände beglichen sind.

Die Kosten dafür sind bei den einzelnen Unternehmen unterschiedlich hoch und können deutlich über den üblichen Abschlagszahlungen liegen. Die mit einer Stromsperre verbunden Folgekosten liegen selten unter 500 Euro.

Wer aufgrund einer Vertragskündigung durch seinen Lieferanten in einen derzeit stark erhöhten Tarif für Neukunden in der Grundversorgung gerutscht ist, hat ein gestiegenes Risiko, die 100-Euro-Schwelle zu reißen. Wenn lebenserhaltende Geräte an den Stromkreislauf angeschlossen sind, wie zum Beispiel ein Dialyse- oder Beatmungsgerät, ist eine Stromsperre nicht durchsetzbar.

Stromsperren

Gab es 2019 noch 289.000 Stromsperren, so sank die Zahl im Jahre 2020 auf rund 230.000, wie aus dem Monitoringbericht 2021 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt ersichtlich ist.

Dies war nicht zuletzt eine Folge der Corona-Maßnahmen. Durch Corona in finanzielle Nöte geratene Stromkunden hatten im ersten Halbjahr 2020 ein sogenanntes Leistungsverweigerungsrecht. Daher mussten ihnen Zahlungen für Strom und andere Leistungen der Daseinsvorsorge gestundet werden.

Die gefürchtete Sperrankündigung wurde 2020 jedoch 4,2 Millionen mal an Stromkunden verschickt. Das bedeutet nicht, dass über zehn Prozent der Stromkunden davon betroffen waren, weil manche Kunden mehrmals in diese Situation gerutscht waren.

Energiepreissteigerungen lösen Ängste bei Kunden und Versorgern aus

Die extremen Preissteigerungen im Energiebereich, die schon im Vorfeld des Ukrainekrieges sichtbar wurden, sind bei den Verbrauchern bislang nur in geringem Umfang angekommen, sorgen bei den knapp 1.000 Versorgern und ihren Netzbetreibern inzwischen aber für Existenzängste.

Viele kommunale Unternehmen zählen nicht nur zur lokalen Daseinsvorsorge, sondern sind auch eine wichtige Finanzierungsquelle für die kommunalen Haushalte. Wenn die Energierechnung ihre Kunden überfordert und die kommunalen Haushalte keine Rettungspakete schultern können und die Sparkassen keine Hilfestellung leisten können, wird es in manchen Rathäusern ziemlich eng, weil dann nicht nur das Licht ausgeht, sondern die Raumtemperatur auf frostsichernde 10° C gesenkt werden muss und sich die Schulkinder auch ohne Corona möglicherweise im Distanzunterricht wiederfinden könnten.

Sowohl die Bundespolitik als auch die der Länder üben sich derzeit im sogenannten Beamtenmikado, keiner bewegt sich, weil jeder von der Angst beseelt ist, dass er bezahlen muss. Abwarten und aussitzen ist jedoch keine Lösung, wenn es um die Sicherung der leitungsgebundenen Versorgung geht, der die betroffenen Einwohner nicht entrinnen können.

Bei den kommunalen und regionalen Versorgern schrillen inzwischen die Alarmglocken. So fordert ein Bündnis aus Deutschem Städtetag (DST), Deutschem Städte- und Gemeindebund (DStGB), dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sowie dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) die Einberufung einer Sonderfinanzministerkonferenz:

Insbesondere in den Bereichen Beschaffung & Sicherheiten, Abschläge & Preisanpassung sowie Abrechnung & Zahlungsausfall führt die aktuelle Situation am Energiemarkt zu sehr großen Problemen bei Energieversorgern. Dies hat unmittelbare Folgen auch für die übrige Wirtschaft. Denn die Energieversorger sehen sich aufgrund überbordender Kosten und Sicherheitsanforderungen immer weniger dazu in der Lage, die für die gewerbliche und industrielle Tätigkeit notwendige längerfristige Kalkulierbarkeit von Energielieferungen zu gewährleisten.

Kommunen und Versorger fordern von der Politik jetzt unmittelbare Unterstützung, weil eine aus wirtschaftlichen Gründen zusammengebrochene Versorgung nachgelagerte Einheiten in einem Dominoeffekt ergreifen würde.

Die Summen, die hier im Raum stehen, wachsen mit jedem Tag immer schneller an und übersteigen jetzt schon alle Zahlen, die im Zusammenhang mit Corona diskutiert wurden. Ein mittlerer dreistelliger Milliardenbetrag scheint im Zusammenhang mit der Absicherung der gegenwärtig im Feuer stehenden flächendeckenden leitungsgebundenen Daseinsvorsorge nicht zu hoch gegriffen zu sein.