Subcomandante Marcos startet Rundreise durch Mexiko

Intergalaktisches Treffen für nächsten Sommer geplant

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auf einem schwarzen Motorrad startete Zapatisten-Sprecher Marcos seine Rundreise durch ganz Mexiko, die er im Rahmen der „anderen Kampagne“ (Zapatisten legen Aktionsplan vor) unternimmt – eine offenkundige Hommage an Che Guevara, der als junger Mann in den 50er Jahren große Teile Lateinamerikas per Motorrad durchquerte.

In einem Koffer begleitet ihn der zapatistische „Pinguin“, ein missgebildeter Hahn, mit dem die Zapatisten nach Marcos’ Worten die Bedeutung von Differenz und Vielfalt symbolisieren wollen.

Erste Station ist die Kleinstadt San Cristóbal de las Casas. Zehntausende strömen dort am Abend des ersten Januar auf dem Hauptplatz zusammen, um den „Delegierten Null“ – so die neue Selbstbezeichnung des südmexikanischen Rebellenführers – zu verabschieden. Nicht nur Teile der indigenen Unterstützungsbasis der EZLN, sondern auch Städter aus vielen Teilen des Landes, GewerkschafterInnen, StudentInnen, die mit der „anderen Kampagne“ ihre Hoffnung auf ein neues Mexiko verknüpfen.

Bis Juni will Subcomandante Marcos alle 32 Bundesstaaten bereist haben. Allerdings erteilte er allen, die weiterhin öffentlichkeitswirksame Auftritte von ihm erwarten, eine klare Absage:

Ihr werdet sehen, dass der Delegierte Null es vorziehen wird, im Kleinen mit denjenigen zusammenzukommen, die sich bereits der anderen Kampagne angeschlossen haben. Er wird sie anhören und sie bitten, uns beizubringen, wie man mit den Arbeitern vom Land und aus der Stadt spricht, dort, wo sie zuhause sind.

Einmarsch in San Cristobal. Foto: Uwe Hasert

Keine Avantgarde, sondern Gleichberechtigung

Er unternehme diese Reise nicht, um ein breites Publikum zu begeistern, sondern um die neuen Bündnispartner genauer kennen zu lernen, von gleich zu gleich, da ohne deren aktive Mithilfe die Andere Kampagne von vorneherein zum Scheitern verurteilt sei. In der Tat hängt der Erfolg der neuen politischen Strategie der Zapatisten stark davon ab, dass die mexikanische Linke nicht weiter darauf wartet, welche Impulse von der EZLN kommen, sondern die Dinge selbst in die Hand nimmt. In den letzten Jahren wurden die Zapatisten in der außerparlamentarischen Linken häufig als richtungsweisende Avantgarde wahrgenommen – der passiv applaudiert oder von der sich distanziert werden konnte. Die vertikale politische Kultur Mexikos tut ein Übriges – die Menschen sind es eher gewohnt, auf Anweisung von oben zu warten, als Eigeninitiative zu ergreifen. Marcos hierzu:

Wir müssen auf jeden Fall vermeiden, dass die Andere Kampagne davon abhängt, was die Kommission Sexta der EZLN tut oder nicht tut. Unsere Sorge ist, dass die Andere Kampagne an den jeweiligen Orten immer dann zu Ende ist, wenn wir weitergereist sind.

Warten auf Marcos. Foto: Uwe Hasert

Die Zapatisten nutzten die Abschiedskundgebung auch, um spezielle Botschaften an die Frauen und an die Jugendlichen zu richten.

Ich lade alle jungen Frauen, Hausfrauen, Arbeiterinnen unseres Landes Mexikos ein, sich der Sechsten Erklärung und der anderen Kampagne anzuschließen, damit wir so den kleinen Macho-Männern zeigen können, dass wir sehr wohl in der Lage und sogar dazu verpflichtet sind, zu kämpfen und mitzumachen, weil wir als Frauen nicht nur ins Bett oder ins Haus gehören. Wir gehorchen nicht nur dem, was die Männer sagen, sondern wir können auch selbst Hosen anziehen.

Comandanta Keli

Brief an andere Guerillas

Die Kritik der Zapatisten am linksliberalen mexikanischen Präsidentschaftskandidaten López Obrador (Die Zapatisten starten ihre neue politische Offensive) ist in den letzten Wochen in Schweigen übergegangen. Allerdings hatte der EZLN-Sprecher sich zu Weihnachten in einem offenen Brief überraschend an die mexikanischen Guerillaorganisationen gewandt, mit denen die Zapatisten in der Vergangenheit wiederholt politische Differenzen hatten:

Auf seiner Rundreise wird der Delegierte Null durch Territorien kommen, die zum Einfluß- und Interessengebiet Eurer bewaffneten Organisationen gehören. Deshalb bitten wir Euch mit allem Respekt, dass Ihr, so Ihr einverstanden seid, die nötigen Maßnahmen ergreift, damit diese neue, zivile, politische Initiative, die von politischen, indigenen, sozialen, und Nichtregierungorganisationen sowie von Kollektiven, Gruppen, Einzelpersonen und der EZLN vorangetrieben wird, die in der linken, antikapitalistischen Bewegung namens ‚Andere Kampagne’ zusammengeschlossen sind, problemlos durchgeführt werden kann.

Die größte nichtzapatistische Guerillaorganisation Ejercito Popular Revolucionario (EPR) antwortete prompt, sie würde sich in Alarmbereitschaft halten, und fügte hinzu:

Seit Ihr hier aufgetaucht seid und schon vorher waren wir uns nahe, und auf die eine oder andere Weise seid ihr bedingungslos von uns unterstützt worden, obwohl es einige Male Missverständnisse gab, die zu Positionen führten, welche nicht immer ganz korrekt waren.

Strukturelle Umbrüche

In den letzten Wochen hatte die EZLN im Rahmen der anderen Kampagne einige strukturelle Änderungen vorgenommen. Der zapatistische Radiosender Radio Insurgente nahm am 19. Dezember nach mehrmonatiger Sendepause seinen Betrieb wieder auf. Allerdings informierte die EZLN in einem Kommuniqué, dass künftig alle FM-Stationen von Radio Insurgente im Rahmen der Entmilitarisierungsbestrebungen der zapatistischen Gebiete künftig von der zivilen Basis betrieben werden sollen, die bewaffnete Guerillastruktur hingegen die Webseite www.radioinsurgente.org sowie die wöchentlichen Kurzwellensendungen beibehalten wird.

Zudem wurde die ehemalige landesweite Unterstützungsstruktur Frente Zapatista de Liberación Nacional aufgelöst, da sie nunmehr durch das breite Bündnis der Anderen Kampagne ersetzt werden soll. Die Zeitschrift Rebeldía wurde von ihren Koordinierungsaufgaben im Rahmen der anderen Kampagne entbunden und durch einen eigenen zapatistischen Blog namens Enlace Zapatista ersetzt, wo unter anderem die Rundreise von Subcomandante Marcos auf einer Landkarte nachvollzogen werden kann.

Zapatisten machen es sich bequem. Foto: Uwe Hasert

Nachdem zunächst für Ende 2005 ein sogenanntes intergalaktisches Treffen angekündigt worden war, wurde kurz vor Jahresende bekannt gegeben, dass dieses vermutlich erst im Sommer 2006 stattfinden wird – also nach dem Ende der Rundreise von EZLN-Sprecher Marcos. Als Begründung wurde angegeben, dass auch international künftig nichts mehr vorgegeben, sondern zwischen allen Unterzeichnern der Sechsten Erklärung gleichberechtigt diskutiert werden müsse. Dementsprechend sollen Vorschläge für dieses Treffen über die Webseite diskutiert werden. In Chiapas selbst ist der zapatistische Regierungssitz in La Realidad die richtige Adresse für inhaltliche oder organisatorische Vorschläge dieser Art.