Suche nach Kreuztreffern: Europol führt Massenabgleich großer europäischer Datenbanken ein
Mit der Fahndungs-, Fingerabdruck- und Visumsdatenbank verfügen die EU-Mitgliedstaaten über mächtige Informationssysteme. Europol sucht dort nun Verbindungen zu eigenen, ebenfalls umfangreichen Beständen
Die Europäische Polizeiagentur Europol plant noch vor Ende des Jahres den regelmäßigen Abgleich großer Polizeidatenbanken mit den eigenen Systemen. So schildert es der Innen- und Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos auf eine Anfrage der Europaabgeordneten Cornelia Ernst. Noch dieses Jahr könnte Europol demnach die Möglichkeit einer Stapelverarbeitung (das sogenannte Batch-Verfahren) für das Schengener Informationssystem (SIS II) einführen. Derzeit hat Europol über eine Schnittstelle bei der Polizei in den Niederlanden lediglich in Einzelfällen lesenden Zugriff auf das SIS II.
Die im SIS II enthaltenen Ausschreibungen zur Festnahme, Beobachtung, Kontrolle oder Ausweisung werden den Plänen zufolge in großem Stil mit dem umfangreichen Europol-Informationssystem abgeglichen. Gefundene Verbindungen unter den Daten (die sogenannten Kreuztreffer) würden den Behörden der Mitgliedstaaten als Besitzer der Daten mitgeteilt.
Avramopoulos erklärt nicht, für welche einzelnen Kriminalitätsphänomene die Kreuztreffersuche genutzt werden soll. Die neue Maßnahme steht jedoch im Kontext der jüngsten Anschläge in Paris und Brüssel.
Das SIS II ist die größte und älteste Polizeidatenbank der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Auch die Nicht-EU-Staaten Schweiz und Norwegen nehmen am Datenaustausch teil. Neben den Personendaten sind im SIS II erweiterte Angaben gespeichert, darunter ein digitales Foto oder biometrische Daten. Bald soll das SIS II ein Fingerabdrucksystem erhalten, im Gespräch ist auch ein Gesichtserkennungssystem.
Mitgliedstaaten sollen mehr Daten an Europol liefern
Laut einem Papier des niederländischen Ratsvorsitzes hat Europol bislang nur eine "relativ begrenzte Anzahl" von Suchabfragen im SIS vorgenommen. Im Rahmen der anvisierten "Verbesserung des Informationspotenzials der EU-Agenturen" fordert der Rat der Europäischen Union die vermehrte "Datenbereitstellung" an Europol. Die Polizeiagentur soll außerdem nach "etwaigen Hindernissen" für die alltägliche Rasterfahndung suchen. Die Ausweitung des systematischen Informationsaustauschs und die stapelweise durchgeführte Suche nach Kreuztreffern erfordert laut Avramopoulos und dem Rat keine rechtlichen Änderungen.
Nach dem SIS II soll die geplante Suche nach Kreuztreffern auch im Rahmen des Visa-Informationssystems (VIS) und im Europäischen System zur Erfassung der Fingerabdrücke von Asylbewerbern (EURODAC) möglich sein. Hier fehlt Europol jedoch der technische Zugang. Rechtlich ist dies nach den neuen Verordnungen von VIS und EURODAC möglich.
Die Zahlen von 2015 nennen für SIS II fast 800.000 Einträge zu Personen, davon rund 70.000 zur heimlichen Beobachtung. Im September vergangenen Jahres enthielt das VIS Daten zu mehr als 17 Millionen Visaanträgen. In EURODAC sind derzeit rund 4,5 Millionen Fingerabdruckblätter gespeichert, wegen der steigenden Flüchtlingszahlen wurde die Kapazität des Systems erst kürzlich erhöht.
Neue Datenkategorie im SIS II geplant
Die Kommission mahnt Europol zur Eile, laut Avramopoulos würden die neuen Schnittstellen für EURODAC und VIS in 2017 installiert. Alle entstehenden Kosten werden aus dem Europol-Haushalt bestritten. Ebenfalls im Gespräch ist die Aufnahme von Europol als Partner in den sogenannten Prüm-Rahmen. Der Vertrag von Prüm regelt die einfache Abfrage von DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregister-Daten unter den EU-Mitgliedstaaten.
Die Innenministerien der EU-Mitgliedstaaten planen zudem eine inhaltliche Erweiterung des SIS II. Zukünftig könnten Personen mit dem Hinweis "Aktivitäten mit Terrorismusbezug" versehen werden. Hierfür muss nicht unbedingt eine Verurteilung vorliegen. Mit der Maßnahme sollen "ausländische Kämpfer", die von einzelnen Mitgliedstaaten verdächtigt werden, beim Grenzübertritt festgestellt und festgenommen werden. In der Vergangenheit wurde bekannt, dass mutmaßliche Mittäter von Anschlägen in Paris oder Brüssel dort zwar bei Polizei und Geheimdiensten bekannt gewesen waren, zuvor jedoch unbehelligt durch andere Mitgliedstaaten reisen konnten.