Syrien: USA unter Beweisdruck

Seite 2: Die Nutznießer: Al-Nusra, Ahrar al-Sham und Verbündete

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Nutznießer davon sind die USA und die Oppositionsallianzen um die al-Nusra-Front und Ahrar al-Sham. Die USA, weil mit der Erregung über den Angriff auf den Konvoi ihr - ob absichtlich oder irrtümlich, in jedem Fall waghalsiger - Bruch der Waffenruhe in Deir ez-Zour überdeckt wird. Ebenfalls überdeckt wird mit dieser Aufregeung ein politisches Versagen, nämlich die Banden der Opposition unter Kontrolle zu bringen.

Der Angriff auf den Konvoi ereignete sich just zu dem Zeitpunkt, als die Sache mit dem US-Einfluss auf die Opposition kritisch wurde. Die "gute" sollte sich von der "bösen" trennen, amerikanisch-russische Angriffe sollten vorbereitet werden. Doch gab es keinerlei auffällige Separationsbewegungen.

Die Frage, wie groß der Einfluss der USA auf die Gruppen bzw. ihre Sponsor- oder Schutzmächte in der Türkei, in Saudi-Arabien oder in anderen Golfstaaten ist, wurde drängender. Daher auch der Verweis Kerrys in seiner Rede darauf, dass die Proxis nicht richtig mitspielen beim Friedensprozess.

Man könnte sich auch Fragen dazu stellen, wie groß der Wille der USA überhaupt war oder ist, diese Trennung durchzusetzen. Sie läuft nämlich gegen die Interessen ihrer Partner. An der Separation aber hängen der Erfolg der Waffenruhe und damit der Friedensprozess.

Der Fluch der bösen Tat

Die Oppositionsführer, um die sich, wie sich zeigte, mindestens drei Viertel aller Milizen sammeln, al-Nusra und Ahrar al-Sham, machten schnell deutlich, dass sie nicht gewillt sind, sich an die Waffenruhe und die anderen Abmachungen zu halten. Vertreter der Opposition erklärten zudem, dass sie auch gegen die Hilfslieferungen seien. Sie wollen einen militärischen Erfolg, nämlich den Abzug der syrischen Truppen aus "Belagerungspositionen" im Südwesten Aleppos.

Das Interesse der bewaffneten Opposition an der Sabotage der ersten Hilfslieferung ist weitaus größer und deutlicher als das Interesse der syrischen Regierung oder der russischen.

Es ist der "Fluch der bösen Tat", wie dies der Journalist Peter Scholl-Latour so genannt hat, mit dem die USA zu kämpfen hat und weshalb sie nun mehr und mehr in einen Panikmodus gerät.

Ob direkt über die CIA oder indirekt über die Partner, zuvorderst Saudi-Arabien und die Türkei, sie haben sich seit mehreren Jahren in Syrien eingemischt und dabei auf eine Seite gesetzt, die das Land zu einem Pandämonium gemacht hat: islamistische Gegner der syrischen Regierung, die mit US-Unterstützung einen Dschihad angefangen haben, den die USA nicht mehr eindämmen können.

Das späte Erwachen

Kerry ist spät aufgewacht und hat erst vor ein paar Wochen damit angefangen, die die al-Nusra-Front als das zu bezeichnen, was sie ist eine al-Qaida-Terrorgruppe. Noch immer aber lässt er eine Miliz, so gut es ihm möglich ist, aus dem Bild heraus: Ahrar al-Sham. Die Gruppe erklärte vor ein paar Tagen, dass eine Zusammenarbeit mit der Türkei vollkommen mit ihren Grundsätzen vereinbar ist. Das ist nicht überraschend, aber dennoch signifikant. Demnächst wird die kämpferische Allianz zwischen der Türkei und den "syrischen Taliban" mit al-Qaida-Anschluss offiziell.

Der Schluss daraus: Die Milizen folgen ihrem eigenen Ziel, der "islamistischen Revolution" in Syrien, im Klartext, dem Dschihad gegen die Regierung Bashar al-Assad. Dass nun die Regierung in Damaskus nicht sonderlich darauf erpicht ist, diese Gruppen zu verschonen, ist nachvollziehbar, ebenso wie der Argwohn gegen deren Tricks der Verschleierung und der Bildung neuer Einfallschneisen in Syrien, etwa mit Einrichtung einer Flugverbotszone und Schutzräumen, worauf die Türkei seit Monaten drängt.

Wenn nun die Milizen, konfrontiert mit der Aussicht, bombardiert zu werden oder eroberte Gebiete aufzugeben, stattdessen auf ihre militärische Eigenmächtigkeit und bessere Bündnispartner als die USA setzen, so schwimmen der Regierung in Washington die Felle weg. Der Norden Syriens ist das Einflussgebiet, das man in Washington halten wollte, allein schon, um Russland Paroli zu bieten und den Kritikern im Homeland. Das geht nur mit einer Opposition, die sich auch entsprechend untertänig verhält. Das tut sie nicht. Sie gibt sich auch nicht mehr den Anschein.

So trägt sie auch nicht zu einem diplomatischen Erfolg bei, der Obamas Murks in Syrien ein bisschen verschleiert hätte.