Syrien und Jemen: Die Schwarz-Weiß-Logik des Kalten Kriegs
Seite 2: Westen schweigt über den saudischen Krieg im Jemen
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Der Bürgerkrieg in Syrien überdeckt nicht nur den Ukraine-Konflikt, der auf der Sicherheitskonferenz fast nur noch als Drohkulisse für Drohgebärden der Nato gegenüber Russland diente, sondern vor allem auch den Krieg im Jemen, in dem sich ebenso wie in Syrien schiitische und sunnitische Regionalmächte gegenüberstehen und der bislang mindestens 6000 Menschen das Leben gekostet hat. In dem schon erwähnten Gespräch erklärte der saudische Außenminister dreist, einzig Iran, der nichts im Irak, in Syrien, im Jemen, im Libanon oder in Bahrain verloren habe (Saudi-Arabien aber offensichtlich schon), sei für die regionalen Konflikte verantwortlich, die der Außenminister als religiösen Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten deutet.
Saudi-Arabien hingegen habe "keine Ambitionen jenseits unserer Grenzen". Man sei immer "reaktiv" gewesen. Im Jemen habe man nur "aus blanker Notwendigkeit" eingegriffen, weil die Huthi-Miliz "kurz vor der Übernahme des Landes" gestanden habe. Man habe keine andere Wahl gehabt, man sei auch von der legitimen Regierung gebeten worden. Darauf hingewiesen, dass Russland in Syrien ähnlich argumentiert, sagte al-Dschubeir, das könne man nicht vergleichen. Assad sei rigoros gegen Kinder vorgegangen, zudem habe er den IS gewähren lassen.
Nachdem schiitische Huthis zusammen mit Sicherheitskräften, die dem früheren Präsidenten Saleh loyal blieben, Ende 2014 die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa und große Teile des Nordens übernommen hatten, begann eine von Saudi-Arabien geführte Koalition - nach dem Vorbild der US-Anti-IS-Koalition im Irak und in Syrien - im März 2015 mit Luftangriffen, die seitdem auch vielen Zivilisten das Leben kosteten und zivile Ziele beschädigten. Ziel der saudischen Intervention ist die Wiederherstellung der Macht der Regierung und des Präsidenten, der vorübergehend nach Saudi-Arabien fliehen musste.
Auffällig ist hier, dass Saudi-Arabien die Huthis bombardiert und Söldner als Bodentruppen ins Land schickt, aber al-Qaida und den mittlerweile auch im Jemen angekommenen IS verschont. Al-Qaida wird von der weiteren Kriegspartei, nämlich von den USA, gelegentlich durch bewaffnete Drohnen unter Beschuss genommen. Das wäre dann eine Art Arbeitsteilung, die aber mit al-Qaida im Jemen (AQAP) ähnlich schonend umgeht wie mit al-Qaida in Syrien (al-Nusra).
Und noch etwas fällt bei diesem Krieg auf, der zwar auch zu Flüchtlingen führt, die aber noch nicht Europa erreichen, weil Jemen schlicht zu weit entfernt ist, die Menschen dort ärmer als in Syrien sind und es bis vor kurzem selbst ein Land war, in dem Flüchtlinge vor allem aus Äthiopien und Somalia Zuflucht gefunden haben. OCHA ging Ende 2015 davon aus, dass in Jemen 2,5 Millionen Menschen zu internen Flüchtlingen wurden. Nach dem saudischen Außenminister sollen 700.000 nach Saudi-Arabien geflohen sein: "Keiner lebt in einem Zelt", behauptet er. Dort aber gibt es praktisch keine Anerkennung von Flüchtlingen oder einen Asylanspruch. 21 Millionen Menschen, mehr als 80 Prozent der Bevölkerung, sollen angewiesen auf humanitäre Hilfe sein.
Ein vom Guardian zitierter UN-Bericht, der an den Sicherheitsrat ging, aber noch nicht veröffentlicht wurde, wirft der saudischen Regierung "weite und systematische" Angriffe auf zivile Ziele vor. 119 Luftangriffe wurden dokumentiert, die gegen das internationale humanitäre Recht verstoßen hätten, darunter Angriffe auf Flüchtlingslager, Hochzeiten, Busse, Wohngebiete, Krankenhäuser, Moscheen oder Märkte sowie wichtige Infrastruktur. 60 Prozent der getöteten und verletzten Zivilisten werden auf Luftangriffe zurückgeführt.
In einem gestern veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation HRW wird Saudi-Arabien erneut vorgeworfen, Streubomben einzusetzen. Riad hat die Mitarbeiter des Roten Kreuzes aufgefordert, die von den Huthis kontrollierten Gebiete zu verlassen, das Rote Kreuz lehnte dies am Freitag ab und verlangte Sicherheitsgarantien.
Man muss sich allerdings fragen, ob sich Saudi-Arabien tatsächlich in einen neuen Krieg in Syrien hineinziehen lassen will, auch wenn die von den Saudis unterstützten Truppen Teile der Hauptstadt von Sanaa oder in Taiz eingenommen haben sollen. Schließlich gewinnen im Jemen nicht nur al-Qaida und der IS an Boden, sondern der Krieg weitet sich allmählich auch auf Saudi-Arabien aus. Mehrmals wurden bereits Scud-Raketen aus dem Jemen nach Saudi-Arabien abgefeuert, die dort von Patriot-Systemen abgeschossen worden sein sollen, die letzte am Samstag, immerhin hundert km von der Grenze entfernt. Nach anderen Berichten sollen saudische Militärstützpunkte von Raketen getroffen worden sein. An der Grenze mussten bereits wegen der Kämpfe mehrere Dörfer in Saudi-Arabien geräumt werden.