Syriengipfel Türkei - Russland - Iran

Hassan Rohani, Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin. Foto: Kreml

USA wollen "noch etwas länger" in Syrien bleiben

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Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges trafen sich Winston Churchill, Josef Stalin und Franklin Delano Roosevelt auf der Krim, um über die Aufteilung Deutschlands und Europas zu sprechen. 73 Jahre später erinnert ein anderes Treffen dreier Staatschefs in mehrerlei Hinsicht an diesen historischen Gipfel: Das des russischen Föderationspräsidenten Wladimir Putin, seines türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan und des iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani.

Bei deren Zusammenkunft in Ankara ging es offiziell um Frieden in Syrien. Entsprechend heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, man strebe "Ruhe auf dem Boden", den Schutz von Zivilisten in "Deeskalationsgebieten" und einen dauerhaften Waffenstillstand an. Darauf, dass es weniger offiziell auch um Einfluss in Syrien ging, deuten Einzeläußerungen der drei Staatschefs hin: So meinte Rohani beispielsweise, ein Rückzug aller nicht von der syrischen Regierung angeforderten Truppen aus Afrin wäre "eine konstruktive Entwicklung und eine Erleichterung für die syrische Bevölkerung".

Die vierte Siegermacht fehlt, aber bleibt

Für die Türkei, die er damit indirekt ansprach, antwortete Staatspräsident Erdoğan ähnlich indirekt mit einem Hinweis auf den "raschen Wiederaufbau" in den türkisch besetzten Gebieten in Nordsyrien. Darüber hinaus verlautbarte er, Frieden könne es nur dann geben, wenn man nicht nur gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS), sondern auch gegen die kurdische PKK und deren syrische Marionetten entschlossen vorgehe. Der russische Staatspräsident Putin betonte dagegen die weitere Gefährlichkeit des IS, der trotz der im letzten Jahr erlittenen Gebietsverluste noch über ein "erhebliches destruktives Potenzial" verfüge, das er auch in anderen Ländern einsetzen könne.

Die vierte Siegermacht in Syrien, die USA, fehlte bei den Treffen am Mittwoch. Dass das nicht den baldigen Abzug bedeutet, über den Massenmedien vorher spekuliert hatten, stellte US-Präsident Donald Trump klar, als er nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates bekannt gab, die amerikanischen Truppen würden "noch etwas länger" in Syrien bleiben. Sie sichern bislang ein Gebiet, dass zwar ganz von der kurdisch dominierten SDF beherrscht, aber nur im Norden von Kurden besiedelt ist. Im Süden, in der Ölprovinz Deir ez-Zor und in ar-Raqqa, haben sich bereits arabische Widerstandsgruppen gebildet, die vom Eindruck zehren, dass die Araber mit den ihnen auferlegten Steuern den Krieg der Kurden gegen die Türken finanzieren müssen (vgl. Araber wollen Krieg der Kurden gegen die Türken nicht finanzieren).

Zwickmühle Idlib

Würden die Amerikaner jetzt aus Syrien abziehen, dann könnte es sein, dass die Kurden die arabisch besiedelten Gebiete nicht halten können, sondern an mit der syrischen Regierung verbündete Stämme oder an die Türken verlieren, die ihre Besatzungszone in Dscharabulus und Afrin nach Osten hin ausweiten könnten. Legitimiert wird die auf Dauer angelegte türkische Besatzungszone in Nordsyrien damit, dass Erdoğan die syrische Regierung für illegitim erklärt.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Kurden ohne amerikanische Hilfe Gebiete an Dschihadisten verlieren, die im letzten Jahr mehr und mehr in die Provinz Idlib abgedrängt wurden, über die es unbestätigten Medienberichten nach auch beim Treffen der Siegermächte in Ankara ging. In diese Provinz ließ die syrische Regierung massenhaft Dschihadisten aus Ostghuta und anderen befreiten Gebieten abziehen. Versucht sie nun, auch Idlib zurückzuerobern, könnte das eventuell die unerwünschte Folge haben, dass sich die dort jetzt konzentrierten Islamisten wieder zerstreuen und andere Gebiete destabilisieren.

Duldet sie dagegen ein faktisches Dschihadistenreservat, besteht die Gefahr, dass dort Anschläge geplant werden, wie in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban. Eine mögliche Lösung dieses Problems wäre, dass man Idlib streng abriegelt und den Salafisten, die dort leben wollen, nicht nur erlaubt, sondern vorschreibt, wie im 7. Jahrhundert zu leben - also ohne später entwickelte Technologien, einschließlich vor allem der Waffen. Dann müssten sie auch die sonst eher inkonsequent interpretierten Koransuren wörtlich auslegen und Bogenschießen üben.

Nächstes Ziel Jarmuk?

Nachdem Ostghuta inzwischen fast vollständig befreit wurde, könnte sich die syrische Armee westlichen Medienspekulationen nach dem anderen noch in der Nähe der Hauptstadt Damaskus verbliebenen Dschihadistenareal zuwenden: Jarmuk. Dort siedelte die syrische Regierung in den 1950er Jahren Palästinenser an, denen sie (anders als das Österreich und die deutschen Bundesländer mit Sudetendeutschen, Schlesiern und Ostpreußen machten) die Staatsangehörigkeit und teilweise auch mit ihr verbundene Leistungen vorenthielt. Das trug dazu bei, dass Jarmuk - anders als als Geretsried oder Waldkraiburg - ein Staat im Staate blieb, der 2012 von Dschihadisten übernommen wurde, die auch die angrenzenden Viertel Hadschar al-Aswad, Tadamun und Kadam kontrollieren.