TV-Star und Schmuddelkind: Wie Putins Propagandist Solowjow Russland aufmischt

Seite 2: Solowjow provoziert auch in eigenen Reihen

Ein Teil von Solowjows für westliches Publikum schwer erklärbares Unterhaltungspotential kommt daher, dass er mit persönlichen Angriffen auf Personen aus regierungsnahen Reihen nicht spart, auch nicht in Kriegszeiten.

Erst im Februar attackierte er den Militärkorrespondenten des Staatskanals Channel One Marat Chairullin in seiner Sendung. Solowjow behauptete, dieser arbeite tatsächlich für die Streitkräfte der Ukraine.

Chairullin schoss verbal scharf zurück gegen den Kollegen und kündigte eine gerichtliche Klage an. Der Schlagabtausch produzierte in einem Russland, wo viele Nichteinverstandene zurecht Angst haben, ihre Meinung außerhalb vertrauter Kreise überhaupt kund zu tun, viel Aufmerksamkeit. Denn an der Oberfläche des Systems ist Kritik in Kriegszeiten selten geworden.

Doch in jüngster Zeit schoss TV-Star Solowjow mit seinen Tiraden des Öfteren über das Ziel hinaus. Andeutungen über eine aserbaidschanische Spur beim Terroranschlag brachten dem Moderator scharfen Protest des aserbaidschanischen Presserates ein, der ihm "Fanatismus" und "Informationssabotage" vorwarf.

Dabei schaffte es Solowjow, sich zeitgleich mit dem aserbaidschanischen Erzfeind Armenien anzulegen, das kurzerhand die Ausstrahlung seiner Sendung auf dem staatlichen Auslandssender RTR Planeta für das eigene Staatsgebiet blockierte.

Angriff auf eine Frontstadt

Solowjows fehlendes Augenmaß kostete ihm nicht nur Punkte bei früheren und aktuellen russischen Verbündeten. Nach dem fortgesetzten Beschuss der russischen Grenzstadt Belgorod durch die Ukrainer bezichtigte Solowjow die dortigen Bewohner der "abscheulichen Hysterie", die Material für die "ukrainisch-nazistischen Medien" liefere.

Das brachte eine Menge der Bewohner verständlicherweise gegen den Salonpatrioten im fernen Moskau auf. Solowjows Seite im russischen Netzwerk VK wurde von aufgebrachten Kommentaren geflutet, er möge doch mit seinen Kindern in das Kampfgebiet ziehen, um den Einheimischen das korrekte Benehmen unter feindlichem Beschuss zu zeigen.

Der Hashtag #SolovievComeBelgorodWaiting trendete so gut, dass die Kommentare auf Solowjows Seite gesperrt wurden.

Guter Draht zum Kreml

Dass Solowjow trotz vieler Hater bis hin zu regierungstreuen Russen weiter die laute TV-Stimme geben kann, liegt vor allem an seinem guten Draht nach oben in den Kreml. Dieser finanziert all seine TV-Aktivitäten dauerhaft mit Millionen aus dem Staatshaushalt.

Was bei vielen von denen, die seine Ausfälle im Westen verbreiten, unterschlagen wird: Er besitzt keine aus einem politischen Amt abzuleitende eigene Macht. Deshalb kann er hemmungslos hetzen.

Das ist in Russland eine Gemeinsamkeit der meisten Scharfmacher. Sie befinden sich in einer Position ohne echte Macht und suchen nach Aufmerksamkeit von oben. Oder sie stehen auf dem politischen Abstellgleis wie Ex-Premier Dmitri Medwedew oder sind eigentlich reine Provinzfürsten wie Ramsan Kadyrow.

Wenn jedoch das eigene Schicksal ganz vom Draht von oben abhängt und keine echte eigene Macht bedeutet, kann es damit auch schnell vorbei sein. Finanziell hat Solowjow für diesen Fall gut ausgesorgt. Doch die große Bühne, die ihm die Behörden bieten, wird der Polterer des Staats-TV sicher vermissen, wenn sie ihm entzogen wird.

Nutzen für das System Putin ist fraglich

Am Ende stellt sich die Frage, inwiefern Solowjow für das System Putin überhaupt noch eine nützliche Rolle spielt. Begeistern kann er nur den Teil des älteren Publikums, das ohnehin treu zum Kreml steht.

Neue Zielgruppen erschließt er nicht, bringt in jüngster Zeit ausländische Partner und ganze Regionen Russlands gegen sich auf. Stößt Schwankende eher ab, als dass er sie überzeugt.

Für die größten Gegner Russlands im Westen liefert er Steilvorlagen zur Abrundung des russischen Feindbildes, die von diesen umfassend genutzt werden. Effektive Propaganda geht anders.

Es ist natürlich die Frage, inwiefern das die Strippenzieher bei den Medien, die selbst tief im System stecken, das erkennen. Eine solche Erkenntnis könnte jedoch das Ende von Solowjows Karriere sein.