Tankerexplosionen an der Straße von Hormus: Pompeo beschuldigt Iran
Der US-Außenminister beruft sich auf Geheimdiensterkenntnisse zur "Ausgeklügeltheit" und zu den mutmaßlich eingesetzten Waffen
Gestern kam es hinter der Straße von Hormus, durch die ein Fünftel des weltweiten Ölbedarfs ausgeschifft wird, binnen einer Stunde zu Explosionen von zwei Tankern. Beide hatten jedoch kein Rohöl geladen, sondern andere petrochemische Flüssigkeiten: Methanol und Rohbenzin.
Das Rohbenzin transportierte die Front Altair, ein 250 Meter langes Schiff, das einer norwegischen Reederei gehört und unter der Flagge der Marschallinseln von den Vereinigten Arabischen Emiraten aus auf dem Weg nach Taiwan war. Nachdem es an Bord zu drei Explosionen und einem Brand kam, evakuierte man die unverletzte Mannschaft, obwohl das Schiff nicht sank. Von den 23 Besatzungsmitgliedern waren elf Philippinos, elf Russen und ein Georgier.
Der zweite gestern evakuierte Tanker, die 170 Meter lange Kokuka Courageous, hatte unter der Flagge Panamas in Saudi-Arabien für Singapur bestimmtes Methanol geladen, gehört der japanischen Firma Kokuka Sangyo und wird von der Hamburger Reederei Bernhard Schulte Shipmanagement betrieben. Auf ihm brach etwa 14 Seemeilen von der iranischen und etwa 70 Seemeilen von der arabischen Küste ein Feuer aus, das jedoch (ebenso wie das auf der Front Altair) nicht zu einer Explosion der Ladung führte. Hier wurde einer der insgesamt 21 ausnahmslos philippinischen Seeleute leicht verletzt.
"Wettkampf um die moralische Überlegenheit"
Bereits kurz nach Beginn der Rettungsmaßnahmen setzte dem FAZ-Korrespondenten Christoph Ehrhardt zufolge ein "Wettkampf um die moralische Überlegenheit" ein: Die in Bahrein stationierte Fünfte Flotte der US-Navy sprach nicht nur von Notrufen, sondern von "uns gemeldeten Angriffen auf Schiffe im Golf von Oman", wegen denen man "Hilfe leiste".
Von iranischer Seite hieß es kurz darauf, nicht die US-Navy, sondern das iranische Rettungsschiff Naji habe 44 Seeleute gerettet und nach Bandar-e Dschask gebracht. Nun untersuche man die "schweren Zwischenfälle" mit Hubschraubern und Expertenteams. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nannte die Vorfälle später "äußerst verdächtig".
US-Außenminister Mike Pompeo machte gestern Abend den Iran für die Explosionen verantwortlich. Dabei berief er sich auf Geheimdiensterkenntnisse zur "Ausgeklügeltheit" und zu den mutmaßlich eingesetzten Waffen. Konkrete Details dazu nannte er nicht. Das Motiv des Iran bestand seinen Worten nach darin, "die [aktuellen] Spannungen eskalieren zu lassen".
[Update: In der Nacht hat das US-Zentralkommando Centcom ein Video veröffentlicht, das Personen in einem Schnellboot beim Entfernen einer nicht explodierten Haftmine zeigt. - Aussage wurde korrigiert, die Red.]
Ähnlichkeiten mit Tankerexplosionen vor Fujairah
Die meisten Medien gehen anhand der sehr engen örtlichen und zeitlichen Nähe der Vorfälle nicht von einem Zufall aus, halten aber Sabotage für möglich. Vor etwa einem Monat hatte es in der Nähe des Hafens Fujairah Explosionen auf vier Öltankern gegeben. Eine Untersuchung durch die Vereinigten Arabischen Emirate ergab damals eine wahrscheinliche Verantwortung nicht näher genannter "staatlicher" Akteure, die über Taucher aus Schnellbooten Haftminen anbringen ließen. Saudi-Arabien beschuldigte daraufhin die iranische Staatsführung, was diese allerdings zurückwies.
Etwas vorsichtiger äußerte sich damals Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton. Er verlautbarte, eine Verantwortung des Iran sei "fast sicher". Donald Trump selbst meinte dazu später, wenn er Bolton in der Außenpolitik freie Bahn lassen würde, dann müsste er schon vier neue Kriege führen (vgl. USA und Iran: Immer dieselbe Strategie von Trump? und USA: Wie kalkuliert ist die Eskalation gegen Iran?).
Spannungen nahmen nach Sanktionen zu
Die Spannungen zwischen dem Iran und den USA nahmen zu, seit die USA im letzten Jahr das Atomabkommen kündigten und neue Sanktionen verhängten, an die sich auch Drittstaaten halten müssen (vgl. US-Außenministerium verlängert Ausnahmegehmigungen für Ölimporte aus dem Iran nicht). Im Mai verstärkten die USA die Präsenz ihrer Streitkräfte in der Nähe des Iran. Boltons Angaben nach sollte das eine "klare und unmissverständliche Botschaft an das iranische Regime sein, dass jedem Angriff auf die Interessen der Vereinigten Staaten oder auf die ihrer Verbündeten mit unerbittlicher Kraft begegnet wird" - einerlei, ob er "von Stellvertretern, den islamischen Revolutionsgarden oder den regulären iranischen Streitkräften" kommt (vgl. Abraham Lincoln auf dem Weg Richtung Iran).
US-Außenminister Mike Pompeo meinte zu Boltons Verlautbarung, dass man von "iranischen Eskalationshandlungen" wisse, sei "absolut der Fall". Nähere Ausführungen zur Natur dieser Eskalationshandlungen wollte er nicht machen, betonte aber, es gebe "gute Gründe, den Iranern unmissverständlich klar zu machen, wie wir auf ihre Handlungen reagieren werden". Washington werde die iranische Staatsführung "für Angriffe auf amerikanische Interessen zur Rechenschaft ziehen". Auch dann, wenn sie von der Hisbollah, von "einer Miliz" oder von einem anderen "Stellvertreter" kommen.
Kurz davor hatte der iranischen Revolutionsgarden-Marinekommandeur Aliresa Tangsiri gedroht, die Meerenge von Hormus zu schließen. "So lange wir unser Öl exportieren können", so Tangsiri, bleibe die Straße von Hormus "offen". Sei der Ölexport dem Iran nicht mehr möglich, gäbe es "dafür keine Logik mehr".
2011 hatte der damalige iranische Vizepräsident Mohammad-Reza Rahimi schon einmal gedroht, die Straße von Hormus zu schließen - ohne dass die iranischen Staatsführung dieser Drohung damals Taten folgen ließ. Allerdings waren die Sanktionen, die damals galten, nicht so umfassend wie die jetzigen.