Tarifabschluss Metall und Elektro: Was Arbeiter die "Zukunft'' kostet
- Tarifabschluss Metall und Elektro: Was Arbeiter die "Zukunft'' kostet
- Ohne Profit keine Beschäftigung? Also den Profit sichern!
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Neue Vereinbarung setzt Linie der "Zukunftstarifverträge" fort. Was das Kapital für seinen Erfolg braucht, soll es kriegen. Keine angenehme Nachricht für Beschäftigte
Das weiß doch jeder: Wenn die Unternehmen weniger produzieren, werden Beschäftigte entweder entlassen oder arbeiten kürzer, verdienen entsprechend schlechter. Die noch Arbeit haben, dürfen froh sein. Denn ohne den Job fehlt das lebensnotwendige Monatseinkommen, das Arbeitslosengeld fällt deutlich geringer aus und Hartz IV droht. Besser also überhaupt eine Arbeit, wenn auch mit weniger Lohn, als gar keine, oder?
Daher ist es doch eine gute Nachricht, wenn es Tarifverträge gibt, die auf diese Notlage reagieren. Nicht missverstehen: Die Notlage der Unternehmen ist gemeint. Wenn zum Beispiel viele Metall- und Elektrobetriebe, die für die Autoproduktion liefern, wegen Problemen beim Absatz und in Zukunft bei der Umstellung auf Elektroantriebe – "Transformation" genannt – Auftragsschwankungen unterworfen sind. Außerdem müssen sie viel Geld in die Hand nehmen, um ihren Betrieb auf die neuen Techniken umzurüsten.
Diese Situation trifft auf viel Verständnis – bei der IG Metall. Und sie sorgt sich: "Knapp die Hälfte der Betriebe haben keine oder keine ausreichende Strategie zur Bewältigung der Transformation. Betriebe und Beschäftigte müssen sich auf neue Qualifikationen und zum Teil auch neue Geschäftsmodelle einstellen.
Die dazu notwendige Fähigkeit zur Veränderung ist allerdings erst in Ansätzen bemerkbar. Wenn sich die Unternehmen weiterhin so defensiv verhalten, spielen sie Roulette mit der Zukunft der Beschäftigten", mahnte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann bereits vor rund zwei Jahren
Das Geschäft läuft nicht? Einfach die Gewerkschaft fragen!
Was sich der Gewerkschaftsboss unter "offensivem" Verhalten vorstellt, schrieb er dem Kapital gleich mit ins Stammbuch: "Investitionen in neue Produkte, Prozesse und in neue Geschäftsmodelle. Nötig ist auch eine vorausschauende Personalplanung und betriebliche Qualifizierung, um sicherzustellen, dass die Betriebe den Wandel bewältigen können" (ebenda).
Wie kommt der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft der Welt darauf, der Gegenseite Ratschläge zu erteilen, wie sie am besten Arbeiter auch in Zukunft gewinnbringend beschäftigen? "Verrät" er damit nicht seine Leute?
So sieht er das gewiss nicht: Hofmann führt schlicht eine traditionelle Argumentation der deutschen Gewerkschaften fort. "Der Interessengegensatz von Kapital und Arbeit prägt nach wie vor die wirtschaftliche wie die gesellschaftliche Entwicklung kapitalistisch verfasster Marktwirtschaften. (…) Die Stärke und die Fähigkeit der Gewerkschaften, Arbeitnehmerinteressen sowohl im Konflikt als auch in Kooperation mit den Arbeitgeberverbänden durchzusetzen, haben die Entwicklung des Sozialstaates und unsere Gesellschaft geprägt sowie zur Festigung der Demokratie beigetragen", heißt es im Grundsatzprogramm des DGB.
Ein sehr eigentümlicher "Interessengegensatz": Da prallen also ständig und notwendig Kapital und Arbeit aufeinander, die Seiten streiten sich um das alles Entscheidende im Staat, ums Geld – und was passiert? Der Gegensatz "prägt" gesellschaftliche Entwicklung und Demokratie, und er läuft "sowohl im Konflikt als auch in Kooperation" ab. Er ist offenbar in eine sehr konstruktive Bahn gelenkt, für die beiden streitenden Parteien wie auch für die Gesellschaft, in der sie leben.
Tatsächlich bilden sich die Gewerkschaften viel ein auf ihren Beitrag zum "sozialen Frieden" in Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Kapital und Arbeit wirkten beide – jeweils an ihren Plätzen – für den Erfolg der Nation, so die Vorstellung.
Worin der "Interessengegensatz" genau besteht, wird keiner weiteren Überlegung für würdig befunden. Folgerichtig, denn sonst wäre schnell Schluss mit dem Bild von der friedlichen Wirtschaft. Die eine Seite verschafft sich Reichtum, indem sie die andere Seite ihn für sich herstellen lässt.
Unternehmen streichen sich Profit ein – Millionen und Milliarden Euro, die am Ende des Prozesses nach Abzug aller Kosten inklusive Löhne und Gehälter "übrig" bleiben. Woher kommt denn bloß dieser sprudelnde Geld-Reichtum?
Von den Beschäftigten halt, die das ganze Zeug herstellen, also Wert schaffen – und dafür notorisch wenig Geld erhalten, daher nie auch nur in die Nähe des durch sie fürs Kapital erzeugten Reichtums gelangen. Also ein ziemlich schlechter Deal, auf den sich normalerweise kein Mensch einlassen würde. Es sei denn, diese Menschen haben nur diese Möglichkeit, an Geld zu kommen. Weil sie eben keine Mittel haben außer ihrer Arbeitskraft.
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