Telearbeit im wirklichen Leben.

Derzeit ist das Interesse an Telearbeit recht groß. Jede Firma, die etwas auf sich hält, beschäftigt sich mit dieser Arbeitsform, denn Telearbeit liegt im Trend. Rund ein Drittel aller deutschen Unternehmen sollen bereits mit Telearbeit experimentieren oder beschäftigen sich mit ihrer Einführung.

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Trotz des Interessesan Telearbeit findet sie meist nur im kleinen Rahmen statt oder ist auf einen bestimmten Zeitraum in Form eines Pilotprojekts beschränkt. Viele Unternehmen werben nach außen mit der Einführung dieser dezentralen Arbeitsmöglichkeit. Die nackten Zahlen sind aber, gemessen an der Gesamtbelegschaft, noch immer recht bescheiden. Derzeit gibt es etwa 150.000-180.000 Telearbeiter in Deutschland.

Als Beispiel für ein großes Unternehmen mit Telearbeitserfahrung sei Hewlett-Packard (HP genannt. In der Zentrale in Böblingen arbeiten rund 6000 Angestellte, wovon 300 als Teleworker beschäftigt sind, 270 in mobiler Telearbeit, also im Außendienst, und etwa 30 in alternierender Telearbeit, d.h. die Mitarbeiter arbeiten von zu Hause aus, kommen aber ein- bis zweimal in der Woche unter Beibehaltung des Arbeitnehmerstatus ins Büro. HP kalkuliert mit 10% erhöhter Produktivität bei den Teleworkern. Der Großkonzern stellt sich in der Öffentlichkeit als führend im Bereich Telearbeit dar, Sylvia Duprau von HP erklärt jedoch auf Anfrage, daß Telearbeit kein explizites Unternehmensziel sei, da der Konzern nicht plane, diese Arbeitsform stark quantitatv auszuweiten. Man wolle lediglich "im Trend bleiben", was bedeutet, nur kleine Anpassungsschritte vorzunehmen und keinesfalls eine große Umstrukturierung einzuleiten.

Andere Konzerne in dieser Größenordnung wie etwa BMW und Siemens, praktizieren Telearbeit in vergleichbarem Umfang und verfolgen eine ähnliche Strategie. Herauszuheben ist jedoch die von Siemens eingesetzte off-shore-Telearbeit, bei der einigen Hundert indischen Programmierern Arbeit gegeben wird. Eine große Ausnahme ist IBM, die in Deutschland etwa 3000 Telearbeiter führen und in den USA die mobile Telearbeit bei 90% der Außenmitarbeiter einsetzen.

Auch große Versicherungsfirmen haben bereits Erfahrungen mit Teleworking, etwa die Württembergische Versicherungsgruppe (Stuttgart), die als einer der ersten Versicherer Müttern im Erziehungsurlaub alternierende Telearbeit angeboten hat - zunächst in einer Pilotphase, inzwischen regulär, da die Erfahrungen auf beiden Seiten positiv waren. Die Volksfürsorge Hamburg hat ihre Schadensgutachter nach Hause ausgelagert und ist mit den Ergebnissen sehr zufrieden, denn die Bearbeitungszeit eines Falles hat sich bei den Telearbeitern um die Hälfte reduziert. So wundert es nicht, daß die Volkfürsorge diese Entwicklung weiter forcieren möchte, auf konkrete Zahlen will man sich aber nicht festlegen. Die Versicherungsbranche bietet sich für Telearbeit an, da die Ergebnisse der Teleworker aufgrund langjähriger Durchschnittswerte eingeschätzt werden können.

Eine dominierende Rolle spielt Teleworking bei der Control Data GmbH (Frankfurt/M.). Hier arbeiten zwei Drittel der Belegschaft (120) in Telearbeit. Die Betreuungsfirma für elektronischen Handel und Systemintegration löste ganz bewußt 1994 ihre Geschäftsstruktur auf, um sich ganz dieser produktiven Arbeitsform zuzuwenden und um keine "Zweiklassengesellschaft innerhalb der Firma" entstehen zu lassen, so Projektleiter Udo Keim. Allerdings ist nie so ganz klar, inwieweit die höhere Produktivität auch einen höheren Zeiteinsatz als bisher verlangt, die Zeitsouveranität der IBM-Mitarbeiter gelte eben in jeder Richtung, so IBM-Sprecherin Christiane Hinze.

Mobile Telearbeit

Die Aktiengesellschaft Integrata (Tübingen), ein Beratungs- und Schulungsunternehmen, verfügt bereits über eine 15jährige Erfahrung mit Telearbeit. Integrata ist eine der deutschen Pionierfirmen, gleichwohl hat sie aber längst nicht die Medienaufmerksamkeit wie IBM erhalten. 200 der 700 Angestellten arbeiten in mobiler wie auch alternierender Telearbeit. Einmal in der Woche treffen sich die Außendienstler in Tübingen, "um sich nicht aus den Augen zu verlieren", so Steven Harpenstein aus der Marketingzentrale. Integrata lege großen Wert darauf, nur mit festen Mitarbeitern zu arbeiten, da die corporate identity der Firma nur so gewahrt werden könne. Mit freien Projektmitarbeitern, die auch für andere arbeiten, gelinge dies nicht.

Anfänglich arbeiteten nur die Programmierer räumlich getrennt, inzwischen jedoch kommen die Telearbeiter aus allen Firmenbereichen. Im Gegensatz zu IBM setzt die Consultingfirma nicht auf eine umfangreiche Betriebsvereinbarung in puncto Telearbeit, sondern auf eine "unkomplizierte Regelung", die auf eine hohe Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter setze, erklärt Firmengründer Wolfgang Heilmann. Eine Prämisse dieser Firmenphilosophie ist die Freiwilligkeit der Angestellten. Erforderlich ist allerdings, wegen der Vertraulichkeit der Informationen, das Placet der Kunden.

Das Phänomen Telearbeit befinde sich immer mal wieder im Laufe der Jahre im Lichte der Medienöffentlichkeit, "es wird hochgekocht, aber nach einiger Zeit wieder eingedampft" (Steven Harpenstein). Trotz dieser Einschätzung ist das Interesse an Telearbeit in Deutschland im Zeitraum von 1985-1994 um das Vierfache gestiegen (Quelle: Empirica. Umfrage unter Erwerbstätigen). Als Grund für die zögerliche Einführung nennt der Consultant Gilbert Anderer die skeptische Haltung des mittleren Management, weil diese Kontrollverlust befürchte. Dennoch ist Telearbeit eine beliebte Arbeitsform bei Consulting-Firmen, da viele Mitarbeiter im Außendienst arbeiten müssen. "Die Mitarbeiter sind nur dann gute Mitarbeiter, wenn sie sich beim Kunden aufhalten und nur zur Absprache in die Zentrale kommen", so Roland Berger.

Aber auch im produzierenden Sektor kommt die mobile Telearbeit zur Anwendung, etwa bei der Adolf Würth GmbH (Schwäbisch Hall), weltgrößter Schraubenhersteller, der rund 1000 Außenmitarbeiter in mobiler Telearbeit beschäftigt. Die Lieferfristen hätten sich auf diese Weise drastisch verkürzt.

Telecenter

Diese Einrichtungen, häufig von Kommunen in strukturschwachen Regionen ins Leben gerufen und mit neuester Telekommunikationstechnologie ausgestattet, werden Teleworkern zur Verfügung gestellt, die bei diesen Telehäusern festangestellt sind und für verschiedene Auftraggeber arbeiten.

Im Rahmen der Bayern-Online-Initiative der bayrischen Staatsregierung beispielsweise sind zahlreiche Telehäuser gegründet worden. Diese Häuser müssen sich nun, nach Ende der Anfangssubventionen, auf eigenen Beinen am Markt behaupten, wie etwa das oberfränkische Teleservice-Center Kronach. Hierhin hat der Loewe Opta-Konzern seinen Kundendienst ausgelagert, aber auch andere große Firmen nutzen bei eiligen und komplexen Aufträgen diese Telecenter.

Auch außerhalb Bayerns sprießen die Telehäuser wie Pilze aus den Böden. Das Telehaus Wetter bei Marburg ist ein effizientes und expandierendes Unternehmen mit 15 Mitarbeiterinnen. Es hat im letzten Jahr zwei Satellitenbüros im Großraum Marburg initiiert. Die 1,3 Mio. DM Fördergelder der hessischen Regierung ermöglichten ein kostengünstiges Dienstleistungsangebot: Telephonservice, Korrespondenz, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, aber auch Beratungstätigkeiten für den Aufbau von Telecentern. Besonders interessant sind diese neuen Einrichtungen auch für kleine Firmen, die so auf ein fremdes Sekretariat zurückgreifen können, das sehr kostengünstig ist. Große Versandhäuser wie Baur haben mit Hilfe eines fränkischen Telecenter einen 24 Stunden Service für Bestellungen eingerichtet.

In Nordrhein-Westfalen wird Telearbeit durch die Media-NRW-Initiative unterstützt. 1000 Modelltelearbeitsplätze wurden und werden eingerichtet, darunter auch gut ausgestattete Gründungen von Telehäusern. Realisator ist die TA Telearbeit GmbH, die selber ein eigenes Telecenter in Geilenkirchen bei Aachen eingerichtet hat.

Weiterbildung und Beratung

Die TA Telearbeit bietet auch Beratungen und Seminare für kleine und mittelständische Firmen an, indem sie dem jeweiligen Unternehmenstyp standardisierte Einzellösungen, basierend auf empirischen Studien, anbietet. Aber auch an Telearbeit interessierte Individuen könne sich in diesem Bereich weiterbilden: Die Arbeitsämter in Heilbronn und Chemnitz bieten einjährige Ausbildungen in einem Pilotprojektrahmen an.

Überbetriebliche Tarifvereinbarungen

Den ersten überbetrieblichen Tarifvertrag schlossen die Deutsche Telekom und die Postgewerkschaft Ende 1995, jedoch nur als Pilotprojekt im kleinen Rahmen. Interessante an diesem Vertrag ist die Festlegung von Mindeststandards: Erhaltung des Arbeitnehmerstatus, freiwillige Entscheidung des Arbeitnehmers, Garantie der jederzeitigen Rückkehr an den Büroarbeitsplatz sowie keine sonstigen Benachteiligungen gegenüber den Büroangestellten. Im Rahmen dieses Projektes soll auch geklärt werden, wie hoch die Aufwandsentschädigungen für Strom, Heizung und Miete ausfallen.