Terror-Debatte in Russland: Für Moskau führt Spur in die Ukraine

Seite 2: Auf ukrainischer Seite kämpfende Tschetschenen gelten Russen als Islamisten

Dass für viele Russen bei einem islamistischen Anschlag eine Beteiligung der Ukraine nicht so abwegig klingt, wie für Mitteleuropäer, liegt auch an einem anderen, in Russland präsenten Bild der Internationalen Legion der ukrainischen Streitkräfte. Putin spielt in seiner Stellungnahme an auf für die Ukraine kämpfende Verbände von Tschetschenen, die nach einer Unabhängigkeit ihrer Republik von Russland streben.

Im zeitweise nicht von Moskau regierten Tschetschenien herrschte dabei ab 1993 die Scharia, Saudi-Arabien übte islamistischen Einfluss auf die Separatisten aus.

Wie viele Mitglieder dieser für die Ukraine kämpfenden Einheiten als Islamisten gelten können, ist umstritten. Vor allem westliche Fachleuten betonen immer den Wunsch dieser Tschetschenen nach Unabhängigkeit von Moskau, aber das islamistische Element dieser Bewegung gilt in Russland als Fakt.

Was ausgeblendet wird

Dass eine Beteiligung der Ukraine ihre wichtigste Unterstützung, die Waffenlieferung durch den Westen, gefährden würde, blenden russische Offizielle weitgehend aus, wenn sie eine solche behaupten.

Eine irgendwie geartete Unterstützung wird von hochrangigen offiziellen Vertretern in Kiew bis hin zu Präsident Selenskyj vehement bestritten. Wirkliche Beweise für diese angebliche Verwicklung blieben Russlands Offizielle bisher schuldig.

Erwähnt werden muss hier auch, dass unter dem Moskau treuen, aktuellen Machthaber in Tschetschenien die inneren Verhältnisse nicht so viel anders sind als in konservativ-islamischen Staaten oder unter der separatistischen Regierung.

Angst und Reisewarnungen bei den Zentralasiaten

Eine Sorge, die viele in Russland umtreibt, sind die Folgen der Anschläge für die Situation der zentralasiatischen Diaspora im Land. In Russland leben zahlreiche mittelasiatische Arbeitsmigranten, die aufgrund eines akuten Arbeitskräftemangels in Kriegszeiten auch dringend für prekäre Jobs benötigt werden.

Darunter befinden sich mindestens 350.000 Tadschiken. Das ist die offizielle Zahl aus der Volkszählung 2021. Mit weiteren illegal in Russland lebenden Migranten aus dem Land ist zu rechnen.

Die Moskauer Zeitung Nesawisimaja Gaseta berichtet bereits von populistischen Forderungen in der russischen Staatsduma nach einer Verschärfung der Einwanderungspolitik bis hin zur Forderung nach einem Stopp des Zuzugs aus Zentralasien in Kriegszeiten.

Populistisch sind die Forderung deshalb, da die Jobs, die die Zentralasiaten in Russland ausüben, kaum mit russischen Bewerbern besetzt werden könnten. Die russische Regierung war in den letzten Jahren sogar bemüht, abgewanderte Kriegsgegner durch zentralasiatische Arbeitskräfte zu ersetzen, indem sie Anreize durch Einreise- und Aufenthaltsvereinfachungen geschaffen hat.

Auswirkungen auch auf Tourismus

Gefahr droht diesen Migranten aus Zentralasien jetzt auch verstärkt durch einen Alltagsrassismus, der in Russland kein neues Thema ist. Die tadschikische Diaspora empfahl ihren Mitgliedern nach einem Bericht des Onlinemediums BAZA abends ihre Häuser nicht zu verlassen.

Am Moskauer Flughafen Scheremetjewo wurde am Sonntag bei der Einreise eine Gruppe von Kirgisen mehrere Stunden festgehalten und durchsucht, von Anfeindungen und Razzien in der russischen Provinz berichten mittelasiatische Taxifahrer in Onlinemedien.

All das geht so weit, dass das kirgisische Außenministerium am Montag seinen Landsleuten riet, von Reisen nach Russland ohne zwingende Gründe abzusehen.

Was Moskau selbst angeht, wird der Anschlag erhebliche Auswirkungen auf den ohnehin gebeutelten Tourismus haben. Erste Entwicklungen sind schon absehbar, Kommersant spricht von einem Rückgang der Nachfrage nach Moskaureisen um zehn bis 50 Prozent.

Nach dem weitgehenden Ausbleiben westlicher Urlauber setzte man hier zuletzt auf Reisende aus dem Inland oder asiatischen Staaten. Unsichere Zeiten könnten viele von ihnen zu näheren Reisezielen animieren.