Terror, Islamismus und Islam – kein Zusammenhang und wenn doch, welcher?

Symbolbild: Der Koran

Über die richtige Interpretation des Koran gibt es höchst unterschiedliche Ansichten. Symbolbild: Pixabay Licence

Nach Attentat auf Stürzenberger und Tod des Polizisten Rouven L.: Erneut wird über den Islam gestritten. Das sagen tatsächliche und vermeintliche Muslime.

Nach dem Tod des Polizisten Rouven L., der am Freitag in Mannheim niedergestochen worden war, als er das Attentat auf Michael Stürzenberger stoppen wollte, ist nicht zum ersten Mal eine Diskussion über Islam und islamistischen Terror in Deutschland entbrannt.

Es gibt nicht den Islam; der Islam ist die Summe dessen, was die, die sich auf ihn berufen, daraus machen. Und was ein nennenswerter Teil daraus macht, ist Barbarei.

Deniz Yücel zum Massaker in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris / taz, 9. Januar 2015

Islamistischer Terror in Deutschland: Bis dato meist Zufallsopfer

Ein islamistisches Motiv des Mannheimer Attentäters Sulaiman A. gilt als wahrscheinlich. Doch eines ist dieses Mal anders als sonst: In Deutschland waren Geschädigte und Tote islamistisch motivierter Anschläge meist Zufallsopfer – wie 2016 Fahrgäste einer Regionalbahn bei Würzburg und Weihnachtsmarktbesucher in Berlin – oder Angehörige einer kleineren religiösen Minderheit, wie zuvor beim Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen.

In einem anderen Fall hatte eine 16-jährige Sympathisantin der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) 2016 in Hannover einen Polizisten mit einem Messer verletzt.

Michael Stürzenberger in Bayerns Verfassungsschutzbericht

Mit Stürzenberger (Bürgerbewegung Pax Europa), der den Anschlag in Mannheim überlebt hat, ist zum ersten Mal jemand zum Opfer geworden, den das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz dem Bereich "Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit" zuordnet. Rouven L. eilte ihm zur Hilfe und bezahlte seinen Einsatz mit dem Leben. Ein Kollege schoss den aus Afghanistan stammenden Täter nieder – der überlebte, war aber zunächst nicht vernehmungsfähig.

Ein überparteiliches Bündnis rief nach dem Attentat zu einer Mahnwache allgemein "gegen Hass und Gewalt" aufgerufen – für viele schien dabei die Sorge vor rassistischer Instrumentalisierung der Tat im Vordergrund zu stehen. Die Bild berichtete unterdessen über einen Islamisten, der sich darüber weniger Sorgen machte und das Attentat auf der Plattform TikTok feierte.

Muslimischer Youtuber: Das hat nichts mit dem Islam zu tun!

Mit einem völlig anderen Statement hatte sich dagegen ein muslimischer Influencer aus Mannheim auf seinem Youtube-Kanal zu Wort gemeldet, dem Polizisten, der noch um sein Leben kämpfte, sowie Stürzenberger gute Genesung gewünscht und den Attentäter als "Dreckschwein" verurteilt.

Seine Glaubensgeschwister beschwor der Youtuber, den "christlichen Brüdern" einfach keinen Anlass zur Kritik zu geben – stattdessen hätten "hunderte von Vollidioten" in Hamburg ein Kalifat ausrufen wollen, schimpfte er mit Blick auf einen Islamisten-Aufmarsch in der Hansestadt vor wenigen Wochen.

Er selbst sei zwar kein Fan des Islamkritikers Stürzenberger, dem der Messerangriff hauptsächlich galt – er nehme aber zu "100 Prozent Abstand" von dieser Tat.

Seine zentrale Aussage: "Das hat nicht mit dem Islam zu tun." Diese Worte sind nun schon mehrfach nach islamistischen Terrorattacken in Deutschland gefallen – teilweise kommen sie auch von Nichtmuslimen, die es "gut meinen" und damit einem Generalverdacht vorbeugen wollen.

Islamistischer Terror weltweit: Nicht selten muslimische Opfer

Einige, die sich entweder selbst als Muslime verstehen oder wegen ihrer Herkunft als solche gelabelt werden, sehen das anders – darunter auch der Schriftsteller Hasnain Kazim, der auf der Plattform X nach dem Attentat in Mannheim schrieb:

Ich ertrage es nicht, wenn Muslime nach Terroranschlägen sagen: "Das hat mit Islam nichts zu tun!" Oder: "Das ist unislamisch!" Doch, es hat mit Islam zu tun, und zwar mit der radikalen Auslegung. Und nein, es ist nicht "unislamisch". Mit solchen Worten werden Probleme beiseite gewischt, anstatt sie anzugehen. Das aber sollte unbedingt geschehen, zumal die meisten Opfer islamistischer Terroristen Muslime sind.

Hasnain Kazim auf der Plattform X

Auch Deniz Yücel hatte sich sowohl gegen die Gleichsetzung von Islam, Islamismus und Terror als auch gegen ein pauschales Reinwaschen des Islam gewandt, als er 2015 nach dem Charlie-Hebdo-Attentat geschrieben hatte, der Islam sei die Summe dessen, was die, die sich auf ihn berufen, daraus machen.

Islam-Expertin betont Bedeutung von Präventionsarbeit

Zu dem Attentat in Mannheim äußerte sich am Wochenende auch die Islamwissenschaftlerin und innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor, sehr deutlich.

Islamisten und andere, die brutalen Angriff auf Stürzenberger und Polizisten bejubeln, sind Terrorunterstützer. Für mich als Muslimin ist es schwer erträglich, mit solchen Menschen in einem Land leben zu müssen. Islamismus ist Hass und Gewalt und bewirkt nichts anderes als das.

Lamya Kaddor (Bündnis 90 / Die Grünen) am Sonntag auf der Plattform X

Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betonte Kaddor aber auch: "Gegen Islamisten helfen keine plakativen Slogans". Wichtiger sei Präventionsarbeit. Dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei entsprechenden Programmen sparen wolle, sei ein Fehler.

Islamismus: Strategie und Taktik

Islamismus oder politischer Islam unterscheidet sich vom bloßen Muslim-Sein vor allem dadurch, dass in der angestrebten Gesellschaftsordnung keine Trennung von Staat und Religion vorgesehen ist – Gleichberechtigung und Religionsfreiheit werden dementsprechend abgelehnt; trotz Nutzung der Religionsfreiheit in nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaften. Perspektivisch sollen die Regeln der Scharia für alle gelten.

Allerdings sind nicht alle Islamisten hierzulande Teil terroristischer Strukturen oder befürworten Gewalt in Deutschland. Auch Islamisten können Gewalt zumindest aus taktischen Gründen ablehnen oder persönlich davor zurückschrecken. Unter anderem hier versuchen Präventions- und Deradikalisierungsprogramme anzusetzen, soweit das Weltbild oder die Persönlichkeit der Betreffenden noch ungefestigt ist.