Terror und Überwachung sind Geschwister

Big Brother Awards-Nominierungen in Österreich

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Nach der Schweiz und Deutschland wurden jetzt auch die österreichischen Nominierungen für die diesjährigen Big Brother Awards bekannt gegeben. Biometriebefürworter und -anwender stehen heuer besonders hoch im Kurs. Selbst die Ars Electronica handelte sich mit einem einschlägig verdächtigen Projekt eine Nennung ein.

Am 26. Oktober ist es in Deutschland, in der Schweiz und Österreich wieder einmal so weit. Dann werden die Big Brother Awards an jene Personen und Organisationen vergeben, die sich im letzten Jahr "besondere Verdienste in der Missachtung der Privatsphäre erworben haben." Nach den Anschlägen in New York und Washington DC agieren die Anti-Big Brother Aktivisten unter erschwerten Bedingungen, zumal weltweit der Ruf nach mehr Überwachungsmöglichkeiten laut erschallt.

Mit speziell gestalteten Bannern versuchen sie auf die Gefahr der weiteren Untergrabung von Bürgerrechten und Einschränkungen der Privatsphäre aufmerksam zu machen. "Terror und Überwachung sind Geschwister", lautet der provozierende Slogan.

"Terrorisiert" werden Bürger und Bürgerinnen im Informationszeitalter oftmals durch restriktive Überwachungsbefugnisse von staatlicher Seite ebenso wie von diversen Wirtschaftsbetrieben, die in ihrer Datensammelwut immer häufiger die Grenzen der Privatsphäre überschreiten.

Spannend sind immer wieder die Nominierungen in der Kategorie Politik. Auf der Österreichliste stehen diesmal zwei Politiker der Freiheitlichen (FPÖ), Bildungsministerin Elisabeth Gehrer von der konservativen ÖVP und ein Sozialdemokrat. Unbescholten blieben lediglich die Grünen. Besonders gute Chancen auf einen Big Brother Award werden heuer dem Klubchef der Freiheitlichen, Peter Westenthaler, eingeräumt "für seinen Vorschlag erst allen Ausländern und dann überhaupt der gesamten Bevölkerung die Fingerabdrücke abzunehmen".

Naivität in Sachen Biometrie ortete die Jury, welche sich aus Juristen, Journalisten und Datenschützern zusammensetzt, nicht nur in der Politik. Auch die renommierte "Ars Electronica" geriet unter Beschuss, zumal man dieses Jahr kein Ticket lösen musste, sondern per Fingerprint Einlass fand. Bestellung und Abrechnung erfolgte über die Handy. "Es gab längere Diskussionen in der Jury, wer von den drei Beteiligten hier hauptsächlich nominiert werden sollten. Man entschied sich schließlich, den verantwortlichen Veranstalter 'Ars Electronica' zu nennen", erklärt die BBA-Jury in einer Aussendung.

"Die ließen es nicht nur zu, dass eine menschenfeindliche Technologie wie Biometrie als etwas vollständig Normales präsentiert wurde, perfiderweise wurde sie auch noch in 'künstlerischen Kontext' gesetzt. An der Verharmlosung mitbeteiligt war die Mobilkom, die im Kauf von Entrittskarten per Handy und anschließender Registrierung durch Fingerscan nur die 'Verbindung von zwei flexiblen und bequemen Technologien' zum 'komfortablen und sicheren mCommerce mit ekey' sehen wollte. Die Mobilkom verspricht sich genauere Profile des Kundenstamms durch ein biometrisches Fingerscan-System zur Identifikation namens 'ekey', das ein Konsortium unter der Führung der VA-Stahl Linz entwickelt. Dort sollen die Abdrücke in einer Datenbank zentral gespeichert werden." (siehe auch: Biometrie in der Werksküche.)

In der Kategorie "Business und Finanzen" wurde neben "SurfControl" auch "Microsoft" für das Passport-Konzept gelistet. MS-Austria reagierte prompt und verwahrte sich gegen die Nennung. Hans Zeger, BBA-Jury-Mitglied und renommierter österreicherischer Datenschützer, wies die Microsoft-Beschwerde zurück. Fazit: MS bleibt nominiert. Weiter gerügt werden Mobilfunkbetreiber für diverse Entwicklungen (z.B. Handy-Ortung via Friendfinder) und seltsame Costumer-Praktiken (z.B. One-Connect Austria, die sich bei Bonitätsprüfung mit teils fragwürdigen Ergebnissen trotz Kritik von Konsumentenschützern nicht in die Karten blicken lässt). Im Kontext mit zweifelhaftem Bonitäts-Ranking wird auch heuer wieder der österreichische "Kreditschutzverband von 1870" genannt.

In der Kategorie "Peoples Choice" können noch bis 25. Oktober, Mitternacht Vorschläge eingereicht werden. In dieser Rubrik trug letztes Jahr die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) den zweifelhaften Sieg davon. Den Publikumspreis erhielt sie "wegen etlicher im Spitzelverdacht stehenden Parteigänger aus Politik und Polizeiapparat".