Teuer, teurer, noch teurer…

Was den Krieg unbezahlbar macht, Teil 1

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Im ersten Teil dieser Artikelreihe wurden die enormen Kosten des Kriegs näher beleuchtet und es wurde gezeigt, was staatliche Verteidigungs- und Kriegsausgaben für die Weltwirtschaft und die Weltpolitik bedeuten, nämlich Kosten von insgesamt 1,735 Billionen US Dollar im Jahr (etwaige Zerstörungen exklusive). Jetzt werden diese Ausgaben unter die Lupe genommen, denn auch die Bundesrepublik gibt für die Verteidigung viel Geld aus. Eine Frage drängt sich deshalb auf: Warum ist Verteidigung denn so teuer? Ein Erläuterungsversuch.

"Drucksache 17/6600 - Einzelplan 14". So heißt im verklausulierten Amtsdeutsch die Stelle, wo die Verteidigungsausgaben der Bundesrepublik Deutschland innerhalb des 2670-seitigen Haushaltsgesetzentwurfes für 2012 zu finden sind.

Für den Verteidigungshaushalt werden demnach Ausgaben in Höhe von ca. 31,7 Milliarden Euro eingeplant. Inflationsbereinigt ist es ungefähr der gleiche Wert wie im Vorjahr, und mit 10,35 Prozent des Gesamthaushalts kann die Haushaltsbelastung seit der Jahrhundertwende als ungefähr gleichbleibend bewertet werden. Bis 2015 dürften die Verteidigungsausgaben mit ca. 30 Milliarden Euro im Jahr auch weiterhin relativ stabil bleiben.

Nach dem Ressort Arbeit und Soziales, mit ca. 126,5 von insgesamt 312,7 Milliarden Euro, und nach der Bundesschuld, mit 36,1 Milliarden, ist der Verteidigungsetat der drittgrößte Ausgabeposten im Bundeshaushalt.

Wie in den Jahren zuvor wird ungefähr die Hälfte dieser Summe (ca. 15 Milliarden Euro) für Personalausgaben aufgewendet. Militärische Beschaffungen und Anlagen schlagen ihrerseits mit ca. 10,6 Milliarden Euro und die Verwaltungsausgaben mit ca. 5 Milliarden Euro zu Buche.

Um eine Vorstellung dieser Summe zu bekommen, könnte man zum Beispiel sagen, dass 31,7 Milliarden Euro ungefähr einem Drittel aller Staatseinnahmen Griechenlands im Jahr 2011 entsprechen. Das ist viel Geld. Auch für die Bundesrepublik. Zum Vergleich hat die GEZ im Jahr 2011 ca. 7,4 Milliarden eingenommen. Dies bedeutet wiederum, dass der deutsche Staat zurzeit fünf Mal mehr für seine Verteidigung ausgibt als für das Betreiben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

…teuerer und doch irgendwie wesentlich billiger als früher

Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Verteidigungsausgaben während des Kalten Krieges aufgrund der sogenannten "Feindlage" bis zu einem - heute unvorstellbaren - Drittel des westdeutschen Bundeshaushalts angestiegen waren1.

Beispielsweise betrugen im Jahr 1965 die Verteidigungsausgaben des Bundes 30,3% eines Haushalts von insgesamt 63,9 Milliarden DM und im Jahr 1975 waren es noch 20% bei einem Bundeshaushalts von 156,3 Milliarden DM. Proportional zum Gesamthaushalt sinkt der Verteidigungshaushalt also kontinuierlich, aber im Jahr 1990 machten die Verteidigungsausgaben immer noch 17,3% eines Bundeshaushalts von insgesamt 308 Milliarden DM aus.

Erst mit Ende des Kalten Krieges und aufgrund der sogenannten "Friedensdividenden" sinken die Verteidigungsausgaben spürbar und dauerhaft. Im Jahr 2000 machen sie nur noch 9,5% des damaligen Bundeshaushalts in Höhe von insgesamt 478,3 Milliarden DM (243,5 Milliarden Euro) aus.

Dennoch, trotz dieser proportionalen Kostensenkung, steigen die realen Verteidigungsausgaben tendenziell weiterhin - sie steigen nur weniger schnell als die Einnahmen, die in den Gesamthaushalt des Bundes fließen.

Insgesamt stiegen die Verteidigungsausgaben von umgerechnet etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr in den 1960er Jahren seit Anfang der siebziger Jahre stetig an und haben seit den 1990er Jahren ein derzeitiges Plateau von ca. 30 Milliarden Euro im Jahr erreicht.

Kurzum: Deutschland wurde reicher und gibt heute proportional wesentlich weniger für seine Verteidigung aus.

Einfügung: Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die inflationsbereinigten Verteidigungsausgaben nach dem Höhepunkt des Kalten Krieges gesunken sind, obwohl Deutschland in absoluten Zahlen mehr Geld für seine Verteidigung budgetieren muss.

Die Kaufkraft von 100 D-Mark von 1948 entsprach um das Jahr 1975 etwa 50 Mark und im Jahr 2000 nur noch 25,83 Mark (also 13,20 Euro). Zwischen 2001 und 2011 sank die Kaufkraft des Euros selbst um etwa 15% auf umgerechnet 21,54 Mark von 1948 (11,01 Euro). Dieser Umstand relativiert also jede Senkung bzw. Erhöhung der Verteidigungsausgaben.

Der Verteidigungsetat von 1975 betrug zum Beispiel etwa 31,25 Milliarden DM (umgerechnet 15,93 Milliarden Euro). Damit verglichen, ist der Verteidigungsetat von 2009 mit 31,18 Milliarden Euro also doppelt so hoch. Da die relative Kaufkraft inflationsbedingt in diesem Zeitraum aber mehr als halbiert wurde - sie sank um den 2,4-fachen Faktor - sanken die Verteidigungsausgaben zwischen 1975 und 2009, inflationsbereinigt, von etwa 15,93 auf rund 13 Milliarden Euro (von 1975). Es ist ein Minus von ca. 18%.

Nachdem ein deutlicher Rückgang der realen Verteidigungsausgaben nach Beendigung des Kalten Krieges verzeichnet werden konnte, steigen diese seit Anfang des Jahrhunderts, infolge des sogenannten Krieges gegen den Terror, spürbar wieder. Der Verteidigungsetat 1999 betrug 47,52 Milliarden DM (24,30 Milliarden Euro). Im Jahr 2009 betrug der neue Verteidigungsetat 31,18 Milliarden Euro. Das heißt eine Steigerung von circa 30%. Aber im gleichen Zeitraum sank die Kaufkraft inflationsbedingt um etwa 15%, so dass der reale Anstieg des Verteidigungsetats in diesem Zeitraum nicht 30%, sondern nur etwa 15% beträgt.

Teuerung und Senkung sind eben relative Begriffe. (Anm. d. Autors.: in einer früheren Version dieses Artikels wurde die Auswirkung der Inflation undeutlich dargestellt, daher die Ergänzung. Der Autor bedankt sich bei den Lesern, die mit ihren Kommentaren darauf hingewiesen haben.)

Kostentreiber Hindukusch?

Oft werden die Auslandseinsätze der Bundeswehr als Kostentreiber gebrandmarkt. Betrachtet man aber diese Kosten gemessen am gesamten Verteidigungshaushalt, machen sie zurzeit nur 5 Prozent der Gesamtsumme aus oder in etwa ein halbes Prozent des Gesamthaushalts des Bundes. Von unzumutbarer Belastung kann also nicht die Rede sein.

Laut einem Artikel der Wirtschaftswoche von März 2012, der sich auf einen Bericht des Bundesverteidigungsministeriums beruft, haben die internationalen Einsätze der Bundeswehr 2011 nämlich um die 1,5 Milliarden Euro gekostet. Logischerweise ist der Einsatz in Afghanistan mit ca. 1,3 Milliarden Euro bei weitem am teuersten, gefolgt von den Missionen im Kosovo (68 Millionen Euro), vor der somalischen Küste (62 Millionen Euro) und im Libanon (25 Millionen Euro).

In einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag bezifferte die Bundesregierung die Kosten für "Personal, Erhaltung von Wehrmaterial, militärische Beschaffungen und Anlagen sowie Verwaltungsausgaben" im Rahmen des ISAF-Mandats auf 3,59 Milliarden Euro von 2002 bis 2009.

Besonders bemerkenswert ist allerdings, dass diese Kosten sich im Zeitraum 2002 bis 2009 von ca. 306 Millionen auf ca. 668 Millionen mehr als verdoppelt haben. Im gleichen Zeitraum sanken dafür die Kosten der deutschen Beteiligung an der "Operation Enduring Freedom" von ca. 316 Millionen 2002 auf ca. 48 Millionen 2009.

Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die Auslandseinsätze, besonders der in Afghanistan, die Bundeswehr zur Anschaffung von Zusatzausrüstung zwingt. Beispielweise wurden bis heute insgesamt 495 gepanzerte Radfahrzeuge vom Typ Eagle IV (ähnlich dem amerikanischen Humvee) vom Schweizer Hersteller Mowag (einer Tochterfirma des US-Konzerns General Dynamics) beordert.

Während die erste Tranche dieser Bestellung (2008) mit ca. einer halben Million Euro pro Fahrzeug zu Buche schlug, kosteten die 60 Fahrzeuge, die 2010 im Eilverfahren nachbestellt worden sind, um nach Afghanistan verlegt zu werden, etwa eine Million Euro pro Stück.

Grund für die Teuerung war die Notwendigkeit die Fahrzeuge mit Waffenstationen, Funktechnik, Störsender (zum Schutz vor improvisierten Bomben am Straßenrand) und sonstiger Spezialausrüstung auszurüsten, um der erhöhten Gefahrsituation in Afghanistan zu begegnen. Aufgrund der grundsätzlichen Dringlichkeit des Bedarfs wurden außerdem zumindest ein Teil der Fahrzeuge luftverladen, was deutlich erhöhte Kosten bedeutet hätte, als sie bei einem ebenso möglichen Transport über Meer- und Landweg entstanden wären.

Teil 2: Zukunftstruppe mit Sandra Obermaier oder Kevin Dickerchen?