Teurer Klimawandel
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet allein in Deutschland mit Kosten von knapp 800 Milliarden Euro bis 2050
Wenn keine nennenswerte Intensivierung des Klimaschutzes stattfindet, wird das zu empfindlichen volkswirtschaftlichen Schäden und zu erhöhten Anpassungs- und Energiekosten führen. Das rechnete jetzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor. Betroffen wären fast alle Wirtschaftsbereiche, aber auch die privaten Haushalte. Auf politischer Ebene wurden jetzt die Klimaschutzziele der EU zwar festgelegt, das Pokern um die konkreten Leistungen zur Umsetzung beginnt aber erst.
Seit dem Anfang des Jahres erschienenen UN-Klimaberichts ist das Thema Erderwärmung wieder in aller Munde. Dabei werden auch immer häufiger die ökonomischen Risiken diskutiert. Für internationales Aufsehen sorgte vor wenigen Monaten der Bericht des britischen Ökonomen Nicholas Stern. Die beiden zentralen Aussagen der Studie: Der Klimawandel könnte jährlich Kosten zwischen 5 und 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung verursachen. Dahingegen würden effiziente Klimaschutzmaßnahmen nur etwa ein Prozent der globalen Wirtschaftsleistung kosten (Umweltschutz aus ökonomischen Gründen). Stern, der Szenarien bis ins Jahr 2100 hochrechnete, blieb nicht unwidersprochen. Doch auch wenn seine Prognosen vielleicht etwas zu düster erscheinen, die Problematik des ökonomischen Risikos lässt sich nicht leugnen.
Auch in Deutschland ist der Klimawandel bereits jetzt zu spüren. Längere Trockenperioden, stärkere Regenfälle und zerstörerische Stürme lassen die Alarmglocken bei Experten schrillen. Wie aber könnten sich diese Veränderungen auf die deutsche Wirtschaft konkret auswirken? Der Wochenbericht (Nr. 11/2007) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von vergangener Woche publizierte dazu einen Artikel mit erschreckenden Zahlen. Ein kleiner Auszug:
Steigt die globale Oberflächentemperatur bis zum Jahr 2100 um bis zu 4,5°C, entstünden dadurch in Deutschland bereits bis zum Jahr 2050 Kosten von insgesamt knapp 800 Mrd. Euro. Allein die durch Klimaschäden verursachten Kosten betrügen rund 330 Mrd. Euro. Die erhöhten Energiekosten beliefen sich auf knapp 300 Mrd. Euro, wovon die privaten Haushalte einen großen Teil tragen müssten.
Die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel lägen bei knapp 170 Mrd. Euro, wird in einer Zusammenfassung des Artikels weiter ausgeführt. Der Klimawandel würde damit in den kommenden 50 Jahren durchschnittlich zu realen gesamtwirtschaftlichen Wachstumseinbußen von bis zu 0,5 Prozentpunkten pro Jahr führen. Die Autorin, Prof. Dr. Claudia Kemfert, zeigt auf, dass die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden 50 Jahren in Deutschland fast alle Wirtschaftsbereiche betreffen werden:
Der Land- und Forstwirtschaft entstehen, unter anderem für eine erhöhte Wasserbereitstellung, Kosten von bis zu 3 Mrd. Euro. Eine globale Temperaturveränderung um 1°C würde dazu führen, dass etwa 60 Prozent der heutigen Wintersportgebiete in Deutschland keinen Schnee mehr aufweisen. Auf die Tourismusindustrie kommen Anpassungskosten von bis zu 11 Mrd. Euro zu. Die Kosten für Schäden durch den Klimawandel liegen bei bis zu 19 Mrd. Euro.
Mit zunehmender Temperatur würden darüber hinaus auch Krankheiten auftreten, die es bisher nur in tropischen oder subtropischen Gebieten gibt. Die Zunahme der Hitzebelastung könnte zu „einem deutlichen Leistungsabfall“ der Menschen führen, wodurch die Produktivität beeinträchtigt würde. Ebenso wird mit einem Anstieg der hitzebedingten Sterbefälle gerechnet. „Für den Gesundheitssektor können so zusätzliche Kosten in Höhe von bis zu 61 Mrd. Euro entstehen“, resümiert das DIW.
In der Energiewirtschaft wiederum könne eine Verknappung des Angebots zu erhöhten Energiekosten führen. Aufgrund von Niedrigwasser in Flüssen werde nicht genügend Wasser für die Kühlung der Kraftwerke vorhanden sein. Stürme oder extreme Eislasten beeinträchtigen zudem die Energieinfrastruktur und die Ölförderung. „Durch eine Energiepreiserhöhung um 20 Prozent entstehen volkswirtschaftliche Kosten von bis zu knapp 130 Mrd. Euro“, rechnet das Institut vor. Versicherungsunternehmen werden sich auf mehr Schadensfälle einrichten müssen. „Insbesondere bei großen Rückversicherungsunternehmen fallen in den kommenden 50 Jahren zusätzliche Kosten von bis zu 100 Mrd. Euro an.“
Sicher sind solche ökonomischen Prognosen schwierig, zumal sehr viele Parameter auf einen langen Zeitraum bezogen werden müssen. So kommen andere Studien zu niedrigeren, oft aber sogar zu noch höheren Kosten. Doch es geht letztlich auch nicht allein ums Geld.
Debatte sollte nicht auf Auto- und Flugverkehr reduziert werden
Die Auswirkungen der durch den Menschen verursachten Erderwärmung lassen sich in den nächsten Jahrzehnten nach Meinung der meisten Experten aber kaum mehr wesentlich beeinflussen. Was jetzt in Angriff genommen wird, kommt vorrangig den nächsten Generationen zugute. Die EU-Regierungen haben deshalb das sogenannte „Zwei-Grad-Ziel“ formuliert. Nach Einschätzung des Klimaschutzforschers Mojib Latif sei dieses Ziel noch erreichbar. In den nächsten 20 Jahren müsste insbesondere der CO2-Ausstoß um 20 Prozent reduziert werden, bis 2050 um 50 und bis 2100 dann wiederum um 80 bis 90 Prozent, sagte der Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Meeres-Wissenschaften kürzlich im ZDF-Mittagsmagazin. Er forderte außerdem, die Debatte nicht allein auf den Auto- und Flugverkehr zu reduzieren. Gerade in Deutschland gebe es wichtigere Einsparungspotenziale. Vor allem Kraftwerke solle man sich genauer ansehen. Gut vierzig Prozent der deutschen CO2-Emissionen gingen auf das Konto von Kraftwerken, dagegen würden „nur“ 20 Prozent auf den Verkehr entfallen, so Latif.
Der Sektor Kraftwerke wird seit langem auch von Umweltschutzorganisationen genau beobachtet. Dass aber ausgerechnet Atom-Kraftwerke jetzt als „Klimaschoner“ eine Renaissance erleben sollen, wird von NGOs und von kleineren EU-Staaten wie etwa Österreich heftig kritisiert. Atomkraft wird auf politischer Ebene vor allem von der französischen aber auch von der tschechischen Regierung forciert. In Deutschland wiederum ist derzeit die Braunkohle-Lobby sehr umtriebig, wie Greenpeace in einer Mitteilung empört feststellt. Beide Energiesektoren sind hoch subventioniert. Nachdem zumindest Braunkohle derzeit sicher nicht zu den klimaschonenden Energieträgern gehört, ist dem Vorschlag des Klimaforschers Latif, endlich Kostenwahrheit herzustellen, einiges abzugewinnen. „Derjenige, der die Umwelt verpestet, der sollte auch zur Kasse gebeten werden“, so der Wissenschaftler.
Einzelstaatliche Maßnahmen im europäischen Raum werden allerdings generell nicht ausreichen, um die Erderwärmung einzubremsen. Es müsste schon gelingen, auch die USA und China mit ins Boot zu holen. Das Treffen der Umweltminister der G8-Staaten, das kürzlich in Potsdam über die Bühne ging, zeigte diese Problematik wieder einmal deutlich auf (Winter 2006/2007 bricht Wärmerekord).
Immerhin hat man sich in Europa unter der deutschen Ratspräsidentschaft auf ehrgeizige Klimaschutzziele geeinigt (Mehr als heiße Luft?). Nach zähem Ringen beim Klimagipfel Anfang März konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Funktion als EU-Ratspräsidentin die neue Zauberformel verkünden: Die EU will bis zum Jahr 2020 seinen Kohlendioxidausstoß – verbindlich (!) - um 20 Prozent senken. Auch wenn viele Beobachter von einem der konkretesten Ergebnisse in der gesamten Geschichte der EU-Gipfel sprechen, sollte nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt. Denn welche Maßnahmen in den einzelnen EU-Ländern gesetzt werden müssen, ist im Detail noch zu verhandeln (Ergebnis mit Fragezeichen). Und wer die Rituale in der EU kennt, weiß: Solche „Pokerrunden“ können lange dauern und münden oft in nicht unproblematischen Kompromisslösungen.