Thailand: Erst Corona, dann die Fluten
Ab November dürfen wieder Touristen ohne Quarantäne-Auflagen ins Land. Anfangs hatte Thailand die Corona-Pandemie gut in den Griff bekommen, dann aber erst spät mit dem Impfen begonnen. Mehr Routine hat man mit den häufig wiederkehrenden Überschwemmungen
Am vergangenen Donnerstag bestätigte Premierminister und Verteidigungsminister General Prayut Chan-o-cha, dass Thailand bereit sei, "das Land wieder zu öffnen". Ab dem 1. November 2021 werde man Touristen aufnehmen, ohne dass diese in die Quarantäne müssen. Die Besucher müssen vollständig geimpft sein und weitere Auflagen erfüllen, heißt es auf der Regierungsseite.
Laut Umfragen, die die Bangkok Post heute zitiert, ist die Meinung dazu in der Bevölkerung teilt. 60,1 Prozent äußerten, dass das Land dafür noch nicht bereit sei, wieder für Touristen ohne Quarantäne-Auflagen geöffnet zu werden, die restlichen 39,9 antworteten mit "Ja".
Thailand hatte zu Beginn der Corona-Pandemie nur sehr wenige Opfer zu verzeichnen und galt gewissermaßen als Insel der Glückseligen, als Europa schon unter den ersten zwei Wellen ächzte. Die Probleme begannen jedoch zu explodieren, als sich ganz plötzlich viele aus der gehobenen Mittelschicht in Bangkok in den angesagtesten Clubs und Bars von Thonglor infizierten.
Thonglor ist ein Stadtviertel, das sich entlang einer Seitenstraße (Soi 55) der Thanon Sukhumvit (im Englischen "Sukhumvit Road") entwickelt hat. In der Folge wurden diese Clubs zwar geschlossen, um weitere Ansteckungen zu verhindern. Wie konsequent diese Schließungen durchgesetzt wurden, lässt sich von außen kaum beurteilen.
Corona war zu diesem Zeitpunkt auch in Thailand kaum noch aufzuhalten. Durch die Schließungen der Clubs in Bangkok verloren deren Beschäftigte ihre Verdienstmöglichkeiten und strömten nach Hause in ihre Heimatdörfer zu ihren Familien auf dem Land und brachten so Covid-19 in die Dörfer. Nun ist die medizinische Versorgung in Thailand mit einem Ärztehaus in jedem Dorf beachtlich, auf eine derartige Pandemie war man jedoch nicht eingestellt.
So gab es über lange Zeit viel zu wenig Impfstoffe. Die ersten, in relevanteren Mengen verfügbaren Impfstoffe kamen aus China, was politische Reaktionen zur Folge hatte. Geimpft wurde in erster Linie das medizinische Personal. Der in den Krankenhäusern herrschenden Virenlast waren die Totimpfstoffe auch nach zwei Impfdosen jedoch vielfach nicht gewachsen und so wird das Personal in den Krankenhäusern inzwischen in einer dritten Runde mit dem mRNA-Impfstoff von Pfizer nachgeimpft.
Verglichen mit Deutschland sind die Zahlen in Thailand mit seinen etwa 70 Millionen Einwohnern auch heute noch überraschend gut. Die offiziellen Zahlen vom 15. Oktober 2021 nennen 1,7 Millionen Corona-Fälle, davon 1,6 Millionen wieder gesundet und 18.029 Todesfälle. Vor diesem Hintergrund sind auch die täglichen Neuinfektionen mit 10.836 (und 68 Tote), die heute Morgen für die letzten 24 Stunden gemeldet wurden, nicht so erschreckend.
Erreicht hat man diese Werte nicht zuletzt durch einen rigiden Lockdown in den roten Zonen und durch die weitgehende Einstellung des Bus- und Flugverkehrs. Maßnahmen, die in diesem Umfang in Deutschland nicht denkbar gewesen wären.
Traditionelle Vorteile der Thai-Kultur
Ein unbestreitbarer Vorteil für das ländliche Thailand ist dabei, dass sich das Leben dort weitgehend im Freien abspielt. In der Küche wird üblicherweise nur der Kühlschrank genutzt, weil er dort vor Regen sicher ist. Gekocht und gegessen wird aber unter einem Dach im Freien. Zudem ist der Mund- und Nasenschutz vor allem in Bangkok des häufigen Smogs wegen schon lange etabliert und landesweit bekannt.
Da die Informationsweitergabe überwiegend durch die Nachahmung von Vorbildern im Dorf und im TV erfolgt, haben sich die Masken ohne Widersprüche auch auf dem Land schnell durchgesetzt. Dass "keiner das Virus je gesehen hat", war in einem Land, wo viele an die Existenz und den Einfluss von Geistern glauben, kein Argument.
Inzwischen sind die Impfkampagnen auch auf dem Land angekommen und werden dort auch von den Schulen organisiert, die möglichst bald wieder in den Normalbetrieb umstellen wollen, nachdem zuletzt ein halbes Schuljahr kein Präsenzunterricht mehr stattfinden konnte und die Lehrer zu Beginn die Aufgaben per Smartphone übermittelt haben und erst langsam auf die Nutzung des Internets umgestellt wurde, wobei dessen Infrastruktur in Thailand selbst auf dem Land deutlich besser ist, als man das in Deutschland gewohnt ist.
Der jährliche Monsun und andere Unwetter
Unvergesslich ist die Flut von 2011, als zahlreiche Industrial Estates unter Wasser standen, weil sie ihren Platz aus nachvollziehbaren Gründen meist dort gefunden hatten, wo keine ackerbauliche Nutzung möglich war, weil der Boden nicht zu bearbeiten war.
Die meisten Werke sind heute wieder in Betrieb und besser vor Hochwasser gesichert. Auf der Strecke geblieben scheinen nur wenige Anlagen, so ein Packaging-Komplex des Sony-Konzerns, dessen Kapazitäten nach Japan zurückverlegt wurden.
An das Hochwasser vor zehn Jahren, als auf der Vibhavadi Road zum alten Bangkoker Flughafen Don Mueang Boote unterwegs waren und "Central Thailand" für Monate unter Wasser stand und die Fabriken von Nikon und Sony in der alten Hauptstadt Ayutthaya in den Fluten den Betrieb einstellen mussten, erinnert man sich jetzt seit September wieder. Ähnlich wie vor zehn Jahren und zur gleichen Jahreszeit trat der Chao Phraya River in 28 Provinzen wieder über seine Ufer und flutete die Dörfer.
Das Thai Meteorological Department (TMD) hat jetzt für die nächsten Wochen weiter starke Regenfälle vorhergesagt. Die Staatliche Agenturen und wissenschaftliche Institute sehen in diesem Jahr nur eine Chance von 10 Prozent, dass sich die Ereignisse von vor zehn Jahren wiederholen, auch wenn manche Dörfer beklagen, dass sie ein solches Hochwasser wie das aktuelle seit 100 Jahren nicht erlebt hätten.
Was die derzeitige Situation grundsätzlich von der Lage vor zehn Jahren unterscheidet, ist die Tatsache, dass die vier Stauseen, die damals aufgrund des heftigen Regens Wasser ablassen mussten, um nicht zu bersten, in diesem Jahr nur zu 50 Prozent gefüllt sind.
Das Wassermanagement kann noch verbessert werden
Bedenklich ist die Tatsache, dass die Ursachen der Flut von vor zehn Jahren offensichtlich nicht ausreichend untersucht wurden und man daher auch noch keine Strategie entwickelt hat, um solche Ereignisse zu beherrschen. Überflutungen und extreme Trockenheit sind auch heute noch Erscheinungen, gegenüber denen es keine systematischen Vorkehrungen gibt.
Die Regenwasserableitung vieler Städte ist immer noch so schlecht, dass schon ein 20-minütiges Starkregenereignis zu flächenhaften Überflutungen führt. Zu den bekanntesten Vorkehrungen gegen städtische Fluten zählt die Bangkoker Besonderheit, dass man an einer U-Bahn-Station erst einige Stufen erklimmen muss, bevor man in das unterirdische System absteigen kann.
Mit der Erhöhung der Dämme entlang der Flüsse und die Verlegung von Straßen auf neu aufgeschüttete Dämme will man sich vor den Auswirkungen der Fluten schützen. Auf dem Land werden neue Häuser schon seit Jahren auf aufgeschüttetem Terrain erstellt, was zumindest für einige Jahre vor den Fluten schützt, bis die Aufschüttungen in dem ehemaligen Reisfeld einsinken.
Die Maßnahmen, die nach den Fluten von 2011 vorgesehen waren, wurden danach auf Eis gelegt, als beim Vergabeverfahren Unregelmäßigkeiten entdeckt wurden. Da unterscheidet man sich nicht wesentlich von der Situation in Deutschland, wo Hochwasservorkehrungen wie in Münster ein halbes Jahr nach den Fluten wieder eingestellt wurden, was im Wasserbereich als "Münsteraner Hochwasserdemenz" bezeichnet wird.
Mitte Oktober 2021 trifft der Tropensturm Kompasu von Vietnam kommend auf den Nordosten Thailands. Die Bangkok Post hatte berichtet, dass die Windgeschwindigkeit von Kompasu im Zentrum 100 Stundenkilometer erreicht hat. In der Bangkok Post war auch zu lesen, dass die tropische Depression Dianmu zwischen dem 23. September und dem 7. Oktober Überschwemmungen in 1.189 Unterbezirken in 224 Bezirken in 33 Provinzen gemeldet hat. Insgesamt seien 331.440 Häuser betroffen gewesen. Inzwischen hat sich die Situation wohl in 19 der 33 Provinzen verbessert.
In der Provinz Khon Kaen war der Regen gegen Ende der vergangenen Woche so stark, dass niemand das Haus verlassen wollte. Welche Schäden dadurch in der Landwirtschaft angerichtet wurden, ist bislang noch nicht bekannt.