"The Apprentice": Der amerikanische Caliban

Der Trump-Darsteller im Smoking auf einer Treppe, an deren unteren Ende die Darstellerin seiner Frau Ivana steht

Copyright Apprentice Productions Ontario Inc. / Profile Productions 2 Aps / Tailored Films LTD /DCM

Sex, Lügen und Haartransplantationen. Der Film zeigt Trumps Aufstieg aus dem Geist eines korrupten Amerikas der 1970er. Muss man ihn sehen?

Man muss diesem Film zugutehalten, dass er einen zwingt, zwei Stunden lang in der Gegenwart diese unangenehmen Freaks zuzubringen.

Ein mutiger Film

Nach der Weltpremiere des Films beim Festival in Cannes haben die Anwälte von Donald Trump den neuen Film "The Apprentice" sofort mit aller Macht angegriffen, ihm "reinen Müll" und "böswillige Verleumdung" vorgeworfen und mit rechtlichen Schritten gedroht.

Es gab auch Fragen zu den Geldgebern des Films und überwiegend negative Kritiken in verschiedenen Medien.

Trotz aller Probleme und Unzulänglichkeiten bleibt er jedoch ein mutiger Film, eine politische Satire mit Namen und Titeln, ohne Maskerade oder Euphemismen, eine Kühnheit, die in der heutigen Zeit eher selten ist.

Das amerikanische System und die Reichen

Der Film stellt Trump jedoch nicht als Monster dar, sondern als schwachen und erbärmlichen Menschen. In der ersten Szene wird er aus einer Bar geworfen, kurz nachdem sein Kumpel ihn beschuldigt hat, von Prominenten besessen zu sein. Später leidet er an erektiler Dysfunktion, hat Haarausfall und Bauchfett.

Über die Geschichte eines korrupten Individuums hinaus ist "The Apprentice" ein Film darüber, wie verrottet das amerikanische System ist und wie leicht es für die Reichen ist, es zu manipulieren.

Lügen, einschüchtern, nie nachgeben ...

Ein junger Mann steigt auf. Unaufhaltsam. Schüchtern und gesellschaftlich unerfahren, "von Beruf Sohn" und ausgestattet mit dem Geld seines Vaters, eines ruchlosen Immobilientycoons, für den er in den USA der frühen Siebzigerjahre noch monatlich persönlich an den Türen der Sozialwohnungen die Miete kassiert, lernt er "die richtigen Leute zu treffen", zu lügen und einzuschüchtern, nie nachzugeben, die Medien kaltblütig zu benutzen, und sogar den Bürgermeister zu erpressen. Sein Name: Donald Trump.

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Verachtung für alle Werte außer Profit und Geld

Der iranischstämmige Regisseur Ali Abbasi ("Border", "Holy Spider"), der in Skandinavien im Exil lebt und die dänische Staatsbürgerschaft angenommen hat, stellt sich mit diesem Film einer schwierigen Aufgabe: "The Apprentice" erzählt die Anfänge von Donald Trumps Geschäftskarriere von seiner Jugend an.

Von seinem Pakt mit der New Yorker Mafia, seinem brutalen Karrierismus, der grausamen Bereitschaft, über Leichen zu gehen, seiner Verachtung für alle anderen Werte außer Profit und Geld, seinem egoistischen Moralismus, seinre Verachtung für Frauen, seinem Verrat an seinen Freunden.

"The Apprentice" bietet eine glaubwürdige, wenn auch nur in Teilen belegte Darstellung des Aufstiegs von Donald Trump. Der Film möchte aus einer vermeintlich – folgt man der Pressekonferenz des Regisseurs nach der Premiere in Cannes – "neutralen" Perspektive zeigen, aus welchem korrupten politischen System heraus und dank welcher persönlicher Beziehungen Trump in den 1970er- und 1980er-Jahren Reichtum und Macht erlangte, und zu dem wurde, als den wir ihn heute kennen.

Der Film ist in zwei Teile gegliedert, und da die Erzählung einem sehr linearen chronologischen Schema folgt, lässt sich der erste Teil – der Aufstieg zum Erfolg – grob auf die 1970er-Jahre datieren, während der zweite Teil, die Expansion des Trump-Imperiums, in die 1980er-Jahre fällt.

Die Erschaffung von Donald Trump

Man könnte sagen, es handle sich bei diesem Film um die Geschichte der Geburt eines Monsters: Das Publikum wird Zeuge der Erschaffung von Donald Trump durch die Verwandlung eines verschüchterten jungen Mannes in einen Machtmenschen.

Es ist dies zugleich auch ein fesselndes Porträt des korrupten und völlig amoralischen Amerika.

Im ersten Teil des Films begegnet ein noch unerfahrener Trump (Sebastian Stan, mit athletischem Körper und einer leichten Ähnlichkeit mit dem Hollywood-Schauspieler Robert Redford), dem skrupellosen Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong).

Cohn ist die wahre Hauptfigur der Geschichte und der Star des Films. Dank Cohn gelingt es Trump, einen eigentlich verlorenen Rechtsstreit gegen den Staat New York zu gewinnen, wodurch er eine Steuererleichterung für seine Immobilienfirma auf Kosten der New Yorker Bevölkerung erhält.

Während Trumps politische Intrigen und juristische Kämpfe als Immobilienmogul und 45. Präsident der USA nicht neu sind, ist die enge Freundschaft und Zusammenarbeit mit Roy Cohn, seinem Mentor, weniger bekannt.

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Auch die Liebesgeschichte zwischen Trump und seiner ersten Frau, dem tschechischen Model Ivana Zelníčková (Maria Bakalova), die schließlich mit Scheidung endete, ist heute eher unbekannt.

In dieser Anfangsphase von Trumps Aufstieg fehlt natürlich auch nicht die dominante und autoritäre Figur seines Vaters sowie das tragische Schicksal seines schwachen Bruders.

Der dunkle Meister

Dank Cohns Ratschlägen beginnt Trump, die angesagten Partys zu besuchen, wo die reiche und mächtige New Yorker Elite verkehrt. Darunter Rupert Murdoch und Andy Warhol.

Dieses neue Netzwerk prestigeträchtiger Kontakte ermöglicht es ihm, seine großen Immobilienprojekte zu realisieren: den 68-stöckigen Trump Tower und das Zentralgebäude von Atlantic City, dessen Zukunft damals von vielen bezweifelt wurde, angesichts des allgemeinen Verfalls der Region.

Roy Cohn ist die interessanteste Figur des Films: Tony Kushners Stück "Angels in America" erzählte 1993 die Geschichte eines erzkonservativen, homosexuellen und zugleich homophoben republikanischen Anwalts und Politikers, der an Aids erkrankte.

Ohne falsche Empfindlichkeiten ging es darin um die bislang verborgene Geschichte von Roy Cohn, einem Mann, der die Rosenbergs auf den elektrischen Stuhl brachte, mit Joseph McCarthy konspirierte, auf der Seite von Richard Nixons korrupten Affären stand und in seinem Privatclub in den frühen 1970er-Jahren unter anderem einen Millionär namens Donald Trump kennenlernte. Als Miniserie von Mike Nichols wurde das Stück 2003 verfilmt – Al Pacino spielte die Hauptrolle des Roy Cohn.

Im Film nun lehrt dieser dunkle Meister den jungen Trump, an die Relativität der Wahrheit zu glauben, und in der Öffentlichkeit keine Schwäche zu zeigen und überhaupt die Unanständigkeit auf die Spitze zu treiben, um seine Ziele zu erreichen.

Fantasmagorie Amerikas

Trump begann seinen Aufstieg, als er die Fantasmagorie eines Amerika beschwor und bestätigte, in dem vermeintlich "alles möglich" ist, und das alles rechtfertigt, dass sich ein Einzelner im Rahmen der von der Verfassung garantierten Handlungsfreiheit Freiheit herausnimmt - vorausgesetzt er ist reich genug.

Die Assoziation von Macht mit dem Bau riesiger megalomaner babylonischer Türme verbindet diese Fiktion mit der Allegorie, die Francis Coppolas "Megalopolis" speist.

Das Trump-Imperium entstand ursprünglich nicht aus politischer Absicht, sondern aus dem Bau von Gebäuden, von Türmen, die Teil der neuen neoliberalen Welt waren und größer, dicker und weiter als der Rest waren.

Er baute den Trump Tower in der New Yorker Seventh Avenue und errichtete dann Wolkenkratzer in der Casinowelt von Atlantic City, bis er seine Türme über die ganzen Vereinigten Staaten ausdehnte.

"Nie etwas zugeben, immer abstreiten"

Der Titel "The Apprentice" spielt einerseits auf eine von Trump mitproduzierte Reality-TV-Show an, an der er selbst teilnahm. Zudem bezieht er sich auf die paternalistische Mentor-Rolle, die Cohn gegenüber dem jungen Unternehmer einnahm. Im Film bringt er ihm einmal seine drei Grundregeln bei:

"1. Angriff, Angriff, Angriff; 2. Nie etwas zugeben, immer abstreiten; und 3. egal was passiert, stets den Sieg verkünden, niemals eine Niederlage."

Zu diesen Lehren fügt Trump das vom Vater übernommene Prinzip hinzu, dass man im Leben ein Killer sein muss, um nicht selbst gefressen zu werden.

Im zweiten Teil erleben wir unter anderem eine brutale Gewalt-Szene, die auf einer Anschuldigung von Ivana während des Scheidungsprozesses basiert und bereits Trumps Wut entfacht hat – er bezeichnete den Film als "reinen Müll" und bekämpfte ihn vergeblich vor Gericht.

Copyright Apprentice Productions Ontario Inc. / Profile Productions 2 Aps / Tailored Films LTD /DCM

Auch wenn einige Szenen kontrovers wirken und vor allem dazu dienen, den filmischen Charakter zu formen – wie der Amphetaminkonsum, die Fettabsaugung, die Haartransplantation und die erwähnte Vergewaltigung – basiert der Film auf realen und bestätigten Ereignissen.

Nicht umsonst hat Abbasi die Expertise von Drehbuchautor Gabriel Sherman geholfen, der Trumps erste Wahlkampagne genau verfolgt hat.

All die banalen Erwartungen

Sebastian Stans Darstellung von Trump ist beeindruckend. Noch viel bemerkenswerter ist Jeremy Strongs Darstellung des Roy Cohn. Ohne diese herausragenden schauspielerischen Fähigkeiten hätte der Film nicht so überzeugen und fesseln können.

Denn der Film als ganzer leidet unter einer Last, die weder sein Drehbuch noch seine Bilder überwinden können: die Tatsache, dass wir bis zum Abspann kaum etwas über Donald Trump erfahren haben, was nicht bereits jedem bekannt ist.

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Infolgedessen bestätigt "The Apprentice" nur alles, was wir über die Jugend dieser ruchlosen und verachtenswerten Figur der jüngeren amerikanischen Geschichte bereits wussten oder vermuten konnten.

Er wird somit zu einem weiteren Film, der all die banalen Erwartungen derjenigen Zuschauer befriedigt, die mit keinem anderen Ziel ins Kino kommen, als ihre vorgefassten Meinungen noch einmal bestätigt zu sehen.

Porträt eines korrupten und völlig unsittlichen Amerika

Die grundsätzliche Frage, die dieser Film aufwirft, ist jedoch noch eine ganz andere: Brauchte es wirklich einen Film über einen amerikanischen Tycoon, und sei es auch Donald Trump?

Einen Film, dem im Gegensatz zu Brady Corbets grandiosem "The Brutalist" (Venedig Regiepreis 2024) jede zweite Ebene und jede Tiefe fehlt? Das Risiko, das hier deutlich aufgeworfen wird, besteht zudem darin, einen Mythos zu perpetuieren und Dreistigkeit und Heuchelei zu heroisieren.

Nichtsdestotrotz gelingt Ali Abbasi, das fesselnde Porträt eines korrupten und völlig unsittlichen Amerikas zu erschaffen, das das "Trump-Monster" der Gegenwart hervorgebracht hat.