"The Cold War is over"

Der Abschuss des Spionagesatelliten wird vom Pentagon als Erfolg gepriesen und war nicht nur technisch, sondern auch propagandistisch gut vorbereitet worden

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Das Pentagon zeigt sich erwartungsgemäß zufrieden mit dem Test des seegestützten Raketenabwehrsystems am 21. Februar. Genutzt wurde dabei die Gelegenheit eines kaputten Spionagesatelliten, der kurz davor stand, in die Atmosphäre einzutreten. Angeblich wollte man mit dem Abschuss sicherstellen, dass der mit Hydrazin gefüllte Tank nicht auf die Erde fallen und Menschen gefährden konnte. In einem Interview berichtete R. M. Hendricks, der Kapitän des Aegis-Zerstörers USS Lake Erie, von dem die Rakete abgefeuert wurde, dass man sich mindestens eineinhalb Monate auf den Einsatz vorbereitet hatte. Der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde der offensichtlich schon länger feststehende Beschluss allerdings erst Mitte Februar.

Abschuss der SM-3 von der USS Lake Erie. Bild: Pentagon

Wie das Pentagon am Montag berichtete, habe die Analyse des Schrotts, der durch den Aufprall der modifizierten SM3-Abfangrakete auf den Satelliten entstanden ist, gezeigt, dass der Tank zerstört und so möglicher Schaden für Menschen verhindert wurde. Wie Hendricks ausplauderte, wurde der Einsatz aber über 100 Mal vorher geprobt. Das klingt auch ganz glaubwürdig, denn ein Scheitern des Abschusses wäre für das Pentagon nicht nur eine Riesenblamage vor der Weltöffentlichkeit gewesen, sondern hätte vermutlich auch bedeutet, dass innenpolitisch die Gelder für das miliardenschwere, von Beginn an umstrittene Rüstungs- und Prestigeprojekt der Bush-Regierung gekürzt worden wären, während der Widerstand gegen die geplanten Stützpunkte des Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien sicher dort und anderswo verstärkt worden wäre. Schließlich hat dieser Plan die Krise mit Russland bereits erheblich vertieft und mit zu einem neuen Wettrüsten beigetragen, das auch dieser Test noch weiter vorantreiben wird.

Hervorgehoben wurde vom Pentagon, dass der Satellit bereits mit der ersten Rakete getroffen worden war, die vom Aegis-Zerstörer USS Lake Erie abgeschossen worden war. Alles habe bestens geklappt, auch die Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten, der Missile Defense Agency, des Heimatschutzministeriums und der Marine mit der Kommandozentrale und der Luftwaffe, die für die Verteidigung des Weltraums zuständig ist.

Der Großteil der Satellitenteile sei bereits in die Atmosphäre der Erde eingetaucht oder werde dies in den nächsten Tagen und Wochen tun. Die noch in die Atmosphäre eingetretenen Teile, die alle kleiner als ein Fußball seien, würden genau beobachtet werden. Bislang habe es noch keine Berichte gegeben, dass ein Schrotteil auf der Erdoberfläche gelandet sei. Das wurde auch als sehr unwahrscheinlich bezeichnet.

Nach einem internen Dokument der Katastrophenschutzbehörde FEMA, bekannt geworden durch ihren Einsatz beim Wirbelsturm Katrina (Ohne jede Erfahrung im Krisenmanagement), vom 19. Februar heißt es, dass das Pentagon ziemlich sicher sei, den Satelliten abschießen zu können. Der Tank würde dann kein Risiko sein, aber es könnten Teile des zerstörten Satelliten auf die Erdoberfläche fallen. FEMA habe Einsatzteams organisiert: "Hazardous material qualified FEMA Urban Search and Rescue Task Forces, Health and Human Services (HHS) medical support personnel, Environmental Protection Agency (EPA) and U.S. Coast Guard (USCG) hazardous material specialists."

Zusammen mit Teams von anderen Behörden werde man schnell am Ort sein, wo das Schrotteil niedergegangen ist. Sieht man sich die Grafik an, dann hat man nicht unbedingt den Eindruck, dass es hier nur um altruistische Hilfe geht:

Das macht alles einen höchst angestrengten Eindruck, der sich vielleicht aus den traumatischen Erfahrungen mit dem Wirbelsturm erklären lässt, aber auch vermuten lassen könnte, dass man mögliche Teile des Spionagesatelliten, die auf der Erdoberfläche landen könnte, nicht in die falsche Hände kommen lassen will.

Ein anderes Dokument des Pentagon vom 14. Februar, das Wired und andere Blogs veröffentlicht haben, zeigt, wie genau man die Aktion mitsamt der verordneten Sprachregelung vorbereitete. Alle beteiligten Stellen sollten dieselbe Version von sich geben, dass es sich bei dem Abschuss nur um den altruistischen Schutz der Menschen gehandelt habe:

Reinforce key message that the USG is committed to safe, responsible space operations, and is concerned about public safety.

Bislang habe man herabfallende Satelliten nicht gezielt abschießen können, heißt es dort, obgleich das Pentagon bereits Mitte der 80er Jahre einen Satelliten mit einer Rakete, die von einem Flugzeug abgeschossen wurde, zerstört hat. Und eine Ähnlichkeit mit dem chinesischen Abschuss eines Wettersatelliten gibt es natürlich auch nicht. Vorgegeben als offizielle Entgegnungen für zweifelnde Fragen wurden diese Erklärungen, nachdem man schon – wohl nicht für jedermann überzeugend - argumentiert hatte, dass das Raketenabwehrsystem eben kein Antisatellitensystem (ASAT) ist, auch wenn man es benutzt, um einen Satelliten abzuschießen:

How can you criticize China for doing the same thing in January 2007?

  1. There is no equivalence between China’s anti-satellite (ASAT) test and the President’s decision to mitigate the unique hazards to human life.
  2. The United States is not doing this to test an ASAT capability. We are announcing our intentions, and we are conducting the engagement with the goal of preventing hydrazine from causing potential harm on the ground.
  3. In contrast, China deliberately destroyed a satellite in a healthy orbit for the purpose of testing an active ASAT capability. It destroyed the satellite at an altitude of over 800 kilometers, resulting in thousands of pieces of long-lived orbital debris that could remain in orbit for over a century.
  4. Furthermore, China conducted its ASAT test in secret, without notifying other nations of the risk to other nations’ space assets that would be generated by its actions.
  5. We will choose the time and place of this engagement specifically to minimize the risk resulting from space and ground debris.

Und beruhigenderweise wird versichert:

Does this action herald the start of a new arms race in outer space?

No. The Cold War is over.

Möglicherweise hat der Test des Raketenabwehrsystem auch ein wenig dazu beigetragen, dass Polen und Tschechien vermutlich nun doch bereit zu sein scheinen, die Stützpunkte zu genehmigen – zumindest wenn die USA entsprechend freigiebig sind.