Therapievorschlag: Tempolimit 120 auf deutschen Autobahnen

Ein Kommentar

Die nächste Bundestagswahl wird am 26.09.2021 stattfinden. Damit könnte die Epoche der grenzenlosen Raserei und des Drängelns auf deutschen Autobahnen ein für allemal ein Ende haben. Und damit auch die unheilige Allianz von übermotorisierten Autofahrern, toxischen Rasern und der Autolobby in Wirtschaft und Politik entscheidend geschwächt werden.

Es geht ein Gespenst um in der Bundesrepublik - das Gespenst des Tempolimits. Jedenfalls klingt das so, wenn man CDU-, AfD- oder FDP-Männern zuhört.

Quizfrage: Bei welcher Tätigkeit kann man in Deutschland innerhalb einer Stunde mehrere Male Opfer von Straftaten werden, ohne dass dies rechtliche Konsequenzen hat? Antwort: Beim Fahren auf der Autobahn mit einem nicht übermotorisierten PKW.

Ganz normale Überholvorgänge - sagen wir einmal, man überholt einen LKW auf der linken Spur mit Tempo 120 km/h - werden hierzulande zur Falle, wenn anti-soziale Raser und Drängler mit 250 km/h innerhalb weniger Sekunden am Horizont auftauchen und einem an der Stoßstange kleben bleiben. Stets mit der Haltung, immer im Recht zu sein und ohne die Bereitschaft, in friedlicher Koexistenz mit den Mitmenschen fahren zu wollen. Am besten noch mit Lichthupe und aggressiven Rechts-Links-Schwenkern.

Für die Raser selber stellt sich das alles naturgemäß ganz anders dar: Wer mit solch wahnwitzigen Geschwindigkeiten angerast kommt, für den mag das Handeln eines PKW-Fahrers, der mit vermeintlich lächerlichen 120 km/h einen LKW überholt, wie eine versuchte Nötigung vorkommen.

Schon wegen einer solchen Spannweite von Geschwindigkeiten auf der linken Spur von Autobahnen gehört ein Tempolimit eingeführt; denn eine solche Situation ist gefährlich und sehr stressig für alle involvierten Verkehrsteilnehmer.

Es gibt ja durchaus auch ältere Autos, Oldtimer o.ä., die einen LKW nur sagen wir mit 105 km/h überholen können. Und auch die müssen von ihrem Recht Gebrauch machen können, einen langsamer fahrenden LKW zu überholen. Auch wenn die Geschwindigkeitsdifferenz lediglich 5 km/h beträgt, ist das nicht das Problem des "langsam" fahrenden Autos.

Der Raser ist in diesem Fall selbstverständlich dazu verpflichtet, abzubremsen und zwar mit ausreichendem, respektvollem Sicherheitsabstand. Dass man dies hier explizit erwähnen muss, zeigt, dass wir ein Problem in Deutschland haben.

Typische Mentalitäten

Offensichtlich ist für viele aggressive Autobahnfahrer und Raser der Autoverkehr Kompensationsmöglichkeit für Unzulänglichkeiten im eigenen Leben und in der Persönlichkeit. Es haben sich eine Reihe von toxischen Angewohnheiten im bundesdeutschen Verkehr herausgebildet, die hier einmal zusammengefasst seien.

Zu diesen Verhaltensweisen zählt vor allem das ständige Zu-schnell-Fahren und Bedrängen anderer Autofahrer. Typisch ist auch das Beschleunigen vor roten Ampeln, anstatt ausrollen zu lassen, und dann ein aggressives Abbremsen wenige Meter vor der Ampel. Auch das viel zu schnelle Heranfahren an unübersichtliche Kreuzungen ist so eine gefährliche Unart; anstatt sich im Sinne der Sicherheit von Kindern, Fußgängern oder Fahrradfahrern heranzutasten, wie man das nennt.

Der seitliche Sicherheitsabstand zu Fahrradfahrern von mindestens 1,50 m wird auch oft nicht eingehalten, was stark gefährdend (und inzwischen endlich auch illegal) ist.

Besonders schlimm, aber nicht selten, kommt auch die bewusste Gefährdung von Verkehrsteilnehmern vor, wenn Autofahrer etwa stark beschleunigen, oder zumindest nicht den Fuß vom Gas nehmen, wenn Fußgänger vor ihnen "zu Unrecht" (ohne Ampel) die Straße überqueren. Man kann hier auch hupen, um sich zu beschweren. Aber einen Menschen stark zu gefährden, nur weil dieser eine Ordnungswidrigkeit begeht, ist offensichtlich illegal und menschlich das Allerletzte.

Die Regel, dass man freundlicherweise blinkt, um den anderen Verkehrsteilnehmern zu zeigen, was man vorhat, ist ebenfalls längst nicht mehr Standard. Man nennt solche Verhaltensweisen passiv aggressiv.

Andere Autofahrer wiederum drängeln in geschlossenen Ortschaften bei Tempolimit 50 km/h, wenn einer bei zwei Fahrstreifen auf der linken Spur "zu langsam" ist. Obwohl das sein/ihr gutes Recht ist, denn in der Stadt gilt die freie Verkehrsstreifenwahl.

Das Rasen und drängeln auf deutschen Autobahnen ist also nur die Spitze des Eisbergs. Eine Spitze allerdings, um die sich eine ganze toxische "Kultur" herausgebildet hat. Wie dämlich und treffend die Toxizität rund um übermotorisierte Autos in dem Sinne daherkommt, sei mit zwei Zitaten aufgezeigt:

Schon wieder im Maybach / Ich fahre ihn einhand / 500 Pferde / Alles im Einklang, jaja / Wir machen's wie keiner / Komm' in mei'm Maybach / Besser als deiner

Frizzo / Soufian

Oder auch typisch:

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg fährt ’n Daimler - Baschta! Ich nehm nur Daimler S-Klasse; ich kann doch keinen Fiat fahren.

Winfrid Kretschmann, Bündnis 90/die Grünen

Solche einfältigen Haltungen von Vorbildern in Kultur und Politik tragen mit dazu bei, dass andere rückständige Männer meinen, sie müssten sich stets "das größte" Auto zulegen.

Am besten als Firmenwagen, denn dann fragt in Deutschland offenbar kaum einer danach, ob das Teil vielleicht vollkommen überdimensioniert ist. Das Finanzamt stellt auch keine Fragen, denn riesige Firmenwagen werden offenbar vom "System" als Dauer-Konjunkturprogramm gesehen.

Und so fahren viele Berufspendler, ebenso wie Berufspolitiker tagein, tagaus alleine in ihrem PKW - jedoch nicht etwa in einem angemessenen Kleinstwagen, sondern einem fetten SUV oder Stadtpanzer. Man nennt sie auch Statussymbole. Man könnte es auch Ignoranz gegenüber Umwelt, Natur und Mitmenschen nennen.

Aber natürlich bleibt es eben nicht nur bei Angebereien und Drängeleien, sondern es wird in den letzten Jahren immer wieder darüber diskutiert, was passiert, "Wenn das Auto zur Waffe wird", wie bei illegalen Autorennen mit übermotorisierten PKW in deutschen Städten vielfach geschehen.

Bei einem dieser Autorennen mit 160 km/h mitten in der Stadt und mit unbeteiligten Toten als Folge - sowie mit Schuldigen ohne jegliches Schuldbewusstsein oder Reue auf der Anklagebank. Immerhin kam es inzwischen zu Verurteilungen wegen Mordes, zuvor war bei solchen Prozessen im Autoland eher das Urteil der "fahrlässigen Tötung" üblich, häufig mit sehr milden Strafen für die Täter.

Fest steht, dass bei diesem ganzen Geschwindigkeitskult eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Psychopathologie eine Rolle spielt. Die bundesdeutschen Autobahnen sind das Eldorado für Sadisten und Profilneurotiker, toxische Männlichkeit und Ellenbogenmenschen mit zu viel PS unter der Haube.

Seit Jahren ändert sich aber aufgrund einer fundamentalistischen Auto-Politik nichts. Wenn einer für Ruhestörung verantwortlich ist, weil er zu laut Musik hört, kommt die Polizei. Wenn eine dem Fahrrad auf der "falschen" Straßenseite fährt, wird sie angehalten und muss blechen.

Wenn man jedoch motorisierte Gewalt durch extreme Lärmbelästigung ausübt oder Nötigung auf der Autobahn, wenn man Sicherheitsabstände zu Fahrradfahrern nicht einhält, passiert in aller Regel nichts. Das sagt nicht nur etwas über die Toxiker in den Autos selber aus, sondern auch über die allgemeine politische Atmosphäre, in der sie gedeihen können.

Tempolimit im größeren Kontext

Deutschland isoliert sich weltweit zunehmend mit seinem inzwischen grotesken Festhalten am freien Rasen auf öffentlichen Straßen, wie diese Karte zeigt:

Bild: Amateria1121 / CC-BY-SA-4.0

Das Thema polarisiert. Das kann man etwa ganz praktisch an der Flut von Kommentaren unter Artikeln zum Thema ablesen. Etwa auf Heise.de, wo normalerweise meist 50-300 Kommentare unter Artikeln stehen, bei solchen Artikeln es aber fast 2.000 sind.

Die Positionen der Parteien

Abwehrkämpfe im Raserland finden vor allem auch zwischen politischen Parteien statt. 2019 hatten die Grünen einen Antrag in den Bundestag eingebracht, ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen einzuführen.

Ein schöner Coup, dem allerdings lediglich die Grünen und die Linkspartei zustimmten. Die SPD verhielt sich seinerzeit mal wieder passiv bis ablehnend (wie das von einer Partei zu erwarten war, die klare Positionierungen scheut, wie der Teufel das Weihwasser). Die Machtprobe scheiterte also u.a. wegen des unsäglichen Fraktionszwangs - und natürlich sowieso an den konservativ/rechten/neoliberalen Parteien.

Die Abwehrkämpfe werden nun zur Bundestagswahl wilder und die Einsicht, dass das Tempolimit nicht aufzuhalten ist, zeigt sich an den hysterischen Reaktionen auf konservativer Seite. Im Wahlprogramm der CDU heißt es wenig verwunderlich dazu:

Ein Dieselfahrverbot lehnen wir ebenso ab wie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen.

Laschet ist dabei selbsternannter Garant für Weiterrasen wie bisher. Und die CSU hatte auch schon 2020 gegen das Tempolimit "mobil gemacht".

Interessant ist aber, das Verhalten der Parteien, die sich für ein Tempolimit aussprechen. Auf der Internetseite der Grünen schämt man sich offenbar für das Thema, wenn unter der Überschrift "Themen von A bis Z", das "Tempolimit" nicht erwähnt wird. Auch das Suchwort "Tempolimit" ergibt keine Ergebnisse.

Ist das reiner Opportunismus oder ein Zugeständnis an den Auto-Paten und Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann?

Immerhin - im Programmentwurf der Grünen für die Bundestagswahl 2021 steht dann der erwartete Satz, aber ohne das für den Wahlerfolg offenbar als gefährlich angesehene T-Wort:

Für die Autobahnen wollen wir ein Sicherheitstempo von 130 Stundenkilometern.

Auch bei der Linkspartei versteckt man das Thema eher, als es nach vorne zu stellen. Eine Suche nach "Linke" und "Tempolimit" in Kombination in einer Suchmaschine der Wahl ergibt diverse Ergebnisse von 2007 und 2008 und nur auf der Internetseite der Linksfraktion findet sich etwas versteckt dann doch die gesuchte Aussage:

Die Fraktion DIE LINKE setzt sich für ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen ein.

Auch auf den Seiten der Bundes-SPD findet sich bei einer einfachen Suche in der Suchmaschine nichts zu einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Nur über eine Volltextsuche findet man im Wahlprogramm dann die gesuchte Aussage:

Wir werden ein Tempolimit von 130 km/h auf Bundesautobahnen einführen.

Man fragt sich, woher diese Verunsicherung bei den eher links- und ökoorientierten Parteien herrührt, wenn doch ein Anteil von 64 Prozent der Bevölkerung in Meinungsumfragen für ein Tempolimit ist, es keine sachlichen Argumente dagegen gibt und unter den Befürwortern noch mal ein großer Teil AfD-Wähler sind.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein AfD-Sympathisant, der nicht einmal an den menschengemachten Klimawandel glaubt, auf dem Wahlzettel versehentlich bei einer der mehr oder weniger linken Parteien sein Kreuz macht, ist doch höchst unwahrscheinlich.

Ebenso wird der rücksichtslose Raser wohl eher selten grün oder rot wählen. Woher kommt also diese falsch verstandene Rücksichtnahme? Vielleicht ist es eher die Angst vor den pseudogrünen Oberen-Mittelschichtswählern mit Vorstadthaus und einem SUV sowie einem Tesla in der Garage.

Sachliche Argumente

Wenn der sachliche Diskurs ausschlaggebend wäre, dann wäre die Angelegenheit längst entscheiden: Für die Beibehaltung der jetzigen Regelung spricht nur, dass Autokonzerne weiter viele klimafeindliche Groß-PKW und SUV mit Verbrennungsmotor absetzen können. Sonst nichts. Dass das nicht die Zukunft ist, müsste inzwischen allen klar geworden sein.

Das Umweltbundesamt hat die Klimaeffekte eines Tempolimits berechnet und sagt:

Ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Bundesautobahnen mindert die THG-Emissionen um 2,6 Millionen.

Eine Million zusätzliche Elektro-PKW würde zum Vergleich laut Umweltbundesamt eine Million gesparte Emissionen bedeuten.

Das Umweltbundesamt nennt auch die Prognosen für das aktuell am stärksten diskutierte Tempolimit 130, das nur 1,9 Mio. t CO2-Äquivalente bringen würde. 120 wäre besser und am besten für das Klima wäre maximal Tempo 100 (5,4 Mio. t); aber die Einführung von Tempolimit 100 km/h ist wohl sehr unrealistisch in Deutschland.

Auch ein Bündnis aus Umwelt- und Verkehrsverbünden macht vor der Bundestagswahl erneut mobil. Man fordert ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen.

Sicherheit und Klimaschutz sind hier die Hauptargumente. Vor allem auch die geringere Geschwindigkeits-Differenz zwischen unterschiedlichen Fahrzeugen auf der Autobahn, was sonst in der Diskussion selten als Argument genannt wird.

Die Autolobby will natürlich von all dem nichts wissen. Sie macht es sich sehr einfach, indem ihre Vertreter behaupten, es handle sich um "Ideologe" wenn ein Tempolimit gefordert werde. Eine positive Ausnahme macht der Autoclub Europa (ACE), der sich klar für ein Tempolimit ausspricht, da es auf solchen Strecken mit Tempolimit 75 Prozent weniger Unfälle gebe.

Nach wie vor gibt es Jahr für Jahr mehrere Hundert, die hierzulande auf Autobahnen in Unfällen sterben und mehrere Tausend an Schwer- (5.000 bis 6.000) sowie deutlich mehr an Leichtverletzten (30.000 bis 35.000). Diese Zahlen sind recht stabil, im Gegensatz dazu, dass Tempolimit-Gegner immer wieder behaupten, die Autobahnen in Deutschland seien so sicher und würden immer sicherer.

Eine Frage des Patriotismus?

Der VW-Chef Diess ("Ebit macht frei") argumentiert doch ernsthaft gegen das Tempolimit mit "individueller Freiheit". Die Frage ist, Freiheit für wen? Freiheit also ganz offenkundig für die (zu) Schnellfahrer, auf Kosten der Langsamer-Fahrenden.

Einige argumentieren etwas schräg, US-Amerikaner und andere würden "die Deutschen" für ein fehlendes Tempolimit und die vermeintlich "unbegrenzten Möglichkeiten" des Rasens bewundern. Dazu passt das folgende Zitat des Hollywood-Stars Tom Hanks:

If you go passed the sign that says 120 with a line through it, the gloves are off, baby. You can drive - you can drive, the government is off your back in Germany. […] And the only time I got scared was, no matter how fast you are driving in Germany, someone is driving faster then you.

Ja, das Herz des deutschen Patrioten wird ganz groß bei so viel Lob und falscher Glorifizierung des deutschen Rasens. Es handelt sich hier offenbar um unbedachte Aussagen eines Prominenten, der sich mit den Auswirkungen dieser Politik nicht einmal an der Oberfläche beschäftigt hat, und der aus einer rein touristisch-hedonistischen Perspektive spricht (zudem mit einer gewissen Ironie in der Stimme).

Leistungswahn, Statussymbole, Konsumgeilheit

Man könnte sich natürlich die Frage stellen, weshalb gerade in Deutschland die "Kultur" des Rasens und Drängelns so verbreitet und politisch gedeckt ist. Die anderen selbsternannten Auto-Nationen und andere toxisch-männlich dominierte Kulturen haben alle ein Tempolimit.

Der Druck, ständig Leistung erbringen zu müssen, der auf die Menschen im Arbeits- und Privatleben sowie im Bildungssystem ausgeübt wird, dürfte hier eine Rolle spielen. Auch erzwungene Konformität und der Zwang, stets Geld verdienen zu müssen, fördert offenbar Frustration und Aggressivität.

Und da bedarf es der Ventile, um den Druck abzubauen. Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten, um damit umzugehen. Auch in den Ländern, in denen ein Tempolimit in Kraft ist, also in fast allen Ländern. Jedes Spielen ultra-gewalttätiger Ballerspiele ("Killerspiele") ist ein folgenloses und harmloses Ventil gegenüber dem pathologischen "Hobby", Menschen mit einem Auto zu gefährden und zu unterdrücken.

Besser wäre es natürlich, nicht Symptom-, sondern Ursachenbekämpfung zu betreiben, den Druck aus der Gesellschaft zu nehmen und den Wettbewerb zwischen Menschen zu verhindern. Stattdessen wird alles und jeder zu einem Player im großen Marktwettbewerb - entsprechend ökonomisch-kapitalistischer Prinzipien im Zeitalter des Neoliberalismus.

Zum Beispiel soll Bildung im Sinne aktueller polit-elitärer Dogmen zunehmend der optimierten (Selbst-) Ausbeutung des "Humankapitals" dienen. Und immer weitere Möglichkeiten der vermeintlichen Optimierung werden von den Menschen selber auf ihren Körper übertragen (Fitness-Armbänder usw.) - um hier nur zwei Beispiele zu nennen.1

Apropos Entschleunigung - wer einmal in Ländern mit Tempolimit wie Frankreich oder den USA auf einer Autobahn gefahren ist, weiß, wie entspannt und vergleichsweise friedlich eine solche Fahrt abläuft. Die meisten Menschen dürften dieses Lebensgefühl gerne gegen das etwas schnellere Vorankommen eintauschen.

Echte Straftaten

Das fehlende Tempolimit auf vielen Abschnitten deutscher Autobahnen kann als ein De-Facto-Freifahrtschein für Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gesehen werden, denn meisten Vorfälle von Drängeleien auf Autobahnen werden in Deutschland als Kavaliersdelikte gehandhabt:

Begeht der Drängler bei der Aktion einen Abstandsverstoß, kann er für diese Ordnungswidrigkeit einen Bußgeldbescheid kassieren.

Allianz Autowelt

Und das, obwohl es sich häufig um den Straftatbestand der Nötigung handelt:

Eine Nötigung wird aus der Sache erst, wenn der Vorbeifahrende gleichzeitig dicht auffährt oder sich durch permanentes Aufblenden die Spur freidrängeln will, ganz im Sinne von: "Jetzt mach endlich die Bahn frei, du Schnarchnase!"

Allianz Autowelt

Solche Zwischenfälle kennen alle Autofahrer in Deutschland, die auf Autobahnen unterwegs sind.

Andererseits gilt es aber, dass sich das Opfer einer solchen Aktion nicht provozieren lassen darf. Wenn er oder sie den Überholvorgang beendet hat, muss wieder auf die rechte Spur eingeschwenkt werden. Der berechtigten Versuchung, den Drängler auszubremsen, sollte man nicht nachgeben, denn:

Der Tatbestand der Nötigung im Straßenverkehr kann beispielsweise dann erfüllt sein, wenn ein Fahrer einen anderen absichtlich ausbremst, ihm zu dicht auffährt oder ihn grundlos bei einem Überholvorgang behindert. bussgeldkatalog.org

Es ist deprimierend, dass man sich legal scheinbar nicht einmal so richtig zur Wehr setzen kann gegen Drängler, wenn am Ende doch nur Aussage gegen Aussage steht oder man sogar eine ungerechtfertigte Gegenanzeige kassiert.

Es besteht aber doch eine Möglichkeit der Selbstverteidigung, wie solche Anleitungen zum Überführen krimineller Verkehrsrowdys zeigen.

Falls also das Tempolimit 2021 doch nicht kommen sollte: Mithilfe einer hochwertigen Heckscheiben-Dashcam, einer Rechtsschutzversicherung und etwas Verstand, kann man sein Recht und seine Würde zurückerlangen. Starke Nerven und einen streitbaren Charakter vorausgesetzt kann das eine spannende Angelegenheit und ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Kriminalität und anti-soziale Verhaltensweisen auf deutschen Autobahnen sein. Wenn man auf Nummer sicher gehen will, sollte man die Straße aber nicht ständig filmen, sondern nur anlassbezogen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch dieser Hinweis:

Gemäß einem Urteil des BGH vom 15. Mai 2018 (VI ZR 233/17) sind trotz DSGVO-Verstoß die Aufnahmen einer Dashcam als Beweismittel vor Gericht zugelassen, insbesondere nach Unfällen, aber auch bei Nötigung.

Advocado.de

Schlussbemerkungen

Das Tempolimit auf deutschen Autobahnen wird kommen. Vermutlich nach der Bundestagswahl 2021, vielleicht etwas später, spätestens aber, wenn die Verbrenner verdrängt werden. Denn bei Elektrofahrzeugen lohnt sich der Geschwindigkeitsrausch nicht, da dieser zu stark zulasten der Reichweite geht.

Es ist aber schon erstaunlich und deprimierend, wie hartnäckig sich gegen eine so offenkundig sinnvolle Regelung Wirtschaftsinteressen so lange durchsetzen konnten. Das ist Hightech unter der Haube und Steinzeit im Kopf. In einem Weltbild, in dem Beschleunigung als Menschenrecht erscheint und die Mitmenschen wie Hindernisse, die mit den Ellenbogen weggekeilt werden müssen.

Und das alles in vollständiger Ignoranz gegenüber den tödlichen Konsequenzen für die Umwelt, die eigene Sicherheit sowie "schwächere" Verkehrsteilnehmer, die sich vernünftig verhalten, indem sie kleine oder schwach motorisierte (am besten Elektro-) Autos fahren.2