There Is No Sanity Clause

Was sind schon fleischhungrige Zombies? Wahre Alpträume sehen so aus:

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Die Nacht draußen ist finster und stürmisch, die Uhrzeiger haben sich mit hohlem, knöchernem Ticken gerade an halb vier vorbei geschoben, bleich und kalt flackert der Fernsehschirm. Es ist an der Zeit, sich langsam ins Bett zu begeben. Durch schätzungsweise dreiviertel von ETERNAL DARKNESS hat man sich schon gekämpft; jetzt nur noch die jüngsten Fortschritte abspeichern. Mit wenigen Controllerclicks ist das Save-Menü aufgerufen, der richtige Speicherplatz gewählt, das bestätigende OK gegeben. Und dann: Vermeldet da ein flott wachsender Balken "Deleting...", verschwinden sämtliche Save-File-Icons, blinkt munter die Nachricht, dass alle gespeicherten Spiele nunmehr gelöscht seien...Schock! Horror!! "This. Can't. Be. HAPPENING!!!" Das kann nicht wahr sein. Und - Flash! zurück vor Anfang des Speicherprozesses - das ist es auch nicht...

CAN I PLAY WITH MADNESS

Videospiele folgten bisher einem ehernen Gesetz: Die Bilder lügen nicht. Es hatte schon fast komische Züge, diese unbekümmerte Naivität: Kein traditionelles Medium, keine noch so alte Gattung, die in den letzten Jahrzehnten nicht gelitten an, gespielt hätte mit den Zweifeln an der Wahrnehmung, der Verabschiedung von den unverrückbaren, unhinterfragbaren, ewigen und allgemeinverbindlichen Wahrheiten. Allüberall nur noch Kontingenz und Subjektivität, und kein Abbildungsverfahren mehr, dem man wirklich traute, das man nicht als von Ideologie und historischen Bedingungen durchtränkt zu entlarven suchte.

Und dies ganz gleich, wie direkt oder transformiert der Schritt schien von der "Wirklichkeit" (ein Wort, das man sich ohne Anführungszeichen kaum noch zu schreiben wagt) zu ihrer Reproduktion: Den Schriftstellern kommt die Sprache verdächtig vor - die Photographen und Filmer glauben nicht mehr, dass ihre Kameras Realität einfangen können. Und da ist dieses jüngste und hoch technisierteste aller Medien, gezeugt ausgerechnet von jener digitalen Revolution, die den Vertrauensverlust in Sachen Bild-Wahrheiten endgültig von Seminarraum und Avantgardeatelier in jedes Wohnzimmer getragen hat; und es schafft vollkommen künstliche, komplett virtuelle Welten - und stellt sich dann hin und bastelt mit kindlichem Eifer daran, uns die Illusion zu vermitteln, gerade diese Welten könnten wir in theoretisch reibungs- und verlustfreier 1:1-Abbildung sehen. Mit dem Anspruch: Wo immer das nicht perfekt funktioniert, ist es nur eine Frage mangelnder Rechenleistung.

Interaktives elektronisches Entertainment ist eben (nicht nur) in dieser Hinsicht eine Spiel- und keine Kunstgattung: Spiele verlangen eine hinreichende und zuverlässige Information der SpielerInnen über das künstliche System, in dem sie nach den vereinbarten Regeln handeln sollen. So wenig es anginge, dass ein Schachbrett nicht die tatsächliche Stellung einer Partie repräsentierte, so wenig kann es ein Videogame sich üblicherweise leisten, das Vertrauen der Gamer in seine Abbildung der Spielwelt zu enttäuschen. (Die einzige ansatzweise Ausnahme von dieser Regel, an die ich mich momentan erinnern kann, ist das Infocom-Textadventure THE HITCHHIKERS GUIDE TO THE GALAXY. Da gab es eine Stelle, an der man eine Sache - ich weiß nicht mehr genau, was - untersuchte und nichts Bemerkenswertes fand. Erst nach mehrmaligem "Examine"-Befehl gab das Spiel dann schließlich zu, dass es einen angelogen hatte und dort doch etwas Wichtiges zu sehen war.)

Umso verblüffter ist man, wenn bei ETERNAL DARKNESS: SANITY'S REQUIEM für Nintendos Gamecube die Dinge beginnen, aus dem Lot zu geraten. Neben Anzeigen für Kraft- und Magiereserven haben die vom Spieler gesteuerten Charaktere hier auch ein "Sanity Meter", einen Messbalken für die geistige Gesundheit. Je mehr dieser - vornehmlich durch den Anblick der diversen Monster im Spiel - sich dem Nullpunkt nähert, je mehr häufen sich die "Wahrnehmungsstörungen". Es beginnt harmlos, mit zunehmendem Kippen der virtuellen Kamera aus der waagrechten Achse, mit Lautwerden unerklärlicher Schreie, Stöhnen, Wimmern, Klopfen auf der Tonspur. Schon letzteres kann anfangs reichlich verunsichern - ist man es doch nicht gewohnt, dass in einem Game so deutlich wahrnehmbare Elemente auftauchen, die nicht zugleich Hinweise sind auf ein Geschehen in der Spielumgebung.

Dann aber kommen die Momente, in denen die Bildschirmbilder zu lügen beginnen: Man betritt einen Raum, und eine zum Fortkommen nötige Tür, die man beim letzten Besuch des Zimmers noch gesehen hatte, ist plötzlich verschwunden. Oder die eigene Spielfigur zeigt Auflösungserscheinungen, verliert Gliedmaßen, zerfällt. Und mit so etwas noch nicht genug: ETERNAL DARKNESS beschränkt sich nicht auf Halluzinationen, die innerhalb seiner Spielwelt den jeweiligen Protagonisten zugeschrieben werden können. Wie eingangs geschildert - die "vierte Wand" bleibt nicht verschont: Auch Interfaces, Menus - eigentlich vollends heilige Orte der Zuverlässigkeit, da mehr Vermittler zur realen Welt denn Teil der Fiktion - sind vor dem Wahnsinn nicht sicher.

Man sollte meinen, nach ein, zwei Spielstunden ist man ausreichend vorgewarnt, erwartet man die virtuellen Sinnestäuschungen schon genug, um ihnen nicht mehr auf den Leim zu gehen. Aber die Gewohnheit hat das Urvertrauen in Game-Bildschirmbilder inzwischen dermaßen fest verankert, dass man zwar einen Teil der Pixel-Phantasmagorien sehr schnell zu enttarnen lernt - dass aber durchweg bis zum Ende des Spiels einem der andere Teil wieder und wieder kalt erwischt und manch panische Sekunden beschert. Das ist beileibe keine geringe Leistung. Es ist aber leider auch so ziemlich die EINZIGE Leistung von ETERNAL DARKNESS: SANITY'S REQUIEM.

THE HORROR, THE HORROR

Damit wir uns nicht falsch verstehen: ED:SR ist kein schlechtes Spiel - es ist, und das ist kaum besser, ein abgrundtief mittelmäßiges mit Prätentionen. Diese recken ihr Haupt, kaum dass sich die Disc im Gamecube-Laufwerk dreht: Noch vor dem Titelbildschirm ist schon das erste Zitat aus E.A. Poes "The Raven" bei der Hand - und bleibt bezugloses Versatzstück, wie alle Versuche des Spiels, sich als ernst zu nehmende Fortschreibung der schauerromantischen Gothic-Tradition zu positionieren. Mit Poe hat die ganze Chose weiter nichts zu tun, sieht man einmal von den vagen Einflüssen von "Fall of the House of Usher" ab, die mehr oder minder in jeder heutigen Geschichte von grusligen Herrenhäusern weiterwirken.

Der wahre literarische Bezugspunkt für ETERNAL DARKNESS: SANITY'S REQUIEM ist hingegen ganz offensichtlich H.P. Lovecraft. Von seinem verschrobenen Kosmos ist die Grundidee der Spielstory inspiriert: Uralte, glibberige Götter des Bösen mit rätselhaften Apostrophen und zu wenig Vokalen im Namen lauern über Jahrtausende auf Gelegenheit, in die Welt der Menschen einzudringen und sie zu beherrschen; Aufschluss über diese Pläne gibt ein unheimliches, in Menschenhaut gebundenes Buch. Freilich ist das alles im Spiel bereinigt von den überdeutlichen psychosexuellen Untertönen des Vorbilds; die hysterische Leibfeindlichkeit des Einsiedlers Lovecraft, unbewusste Quelle eines Großteil seines Tentakelmonster-Horrors, findet man hier nirgends. (Statt dessen gibt es die ähnlich unreife, unmotivierte Pinup-Erotik, die zum Videospiel-Standard gehört: Die weiblichen Charaktere sind allesamt jung, hübsch, wohlproportioniert und tragen bauchfreie Kostüme.)

Das finale Aufeinandertreffen der Gottmonster verdankt konsequenterweise seine Ästhetik auch deutlich mehr den GODZILLA-Filmen als Lovecraft - wie das Spiel sowieso nicht wählerisch ist, wenn es drum geht, lieber einen Popkultur-Einfluss zuviel als zuwenig aufzunehmen: Die INDIANA JONES-Streifen müssen da ebenso herhalten wie THE MUMMY. Zugleich bleibt Karl der Große ebenso wenig verschont wie Erster Welt- und auch der Golfkrieg, die kurzerhand auch den uralten Glibbergöttern als wahren Verursachern angehängt werden - eine Mystifizierung, die in einem solchen Genrekontext schon durchgeht, aber trotzdem ein gewisses Unbehagen zurücklässt, sind die Mächte des Bösen, die da am Werk waren, doch durchaus historisch benennbar und durch und durch menschlicher Natur.

Nur in einem Aspekt halten die Gamedesigner Lovecrafts Einfluss ziemlich pur - wann immer in ETERNAL DARKNESS Geschriebenes und Gesprochenes auftaucht, ist das stilistische Vorbild eindeutig. Nun ist ja Lovecrafts heillos schwülstige, arachaisierende Prosa aber schon selbst eine an unfreiwillige Parodie grenzende Imitation von Autoren des 19. Jahrhunderts. Die Texte der Erzählerstimme, die schriftlichen Beschreibungen von Gegenständen und Umgebungsdetails in ETERNAL DARKNESS jedoch wirken, als wären sie im Rahmen eines Lovecraft-Nachahmungswettbewerbs für mäßig talentierte Gymnasiasten entstanden. Das hört sich an und liest sich, als hätte jemand eine CD-Rom-Version des "Oxford Dictionary" nach sämtlichen als veraltet markierten, ominös klingenden Adjektiven durchsuchen lassen und diese dann halbzufällig in jeden Satz gestopft, soviel nur ging.

Das hat einigen unfreiwilligen Humor, der dazu angetan ist, einen gnädig zu stimmen - dennoch stößt es oft heftig an die Toleranzgrenze. Schließlich gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen literarischem Vorbild und Bildschirm-Imitation: Lovecraft war ein einsamer, zutiefst neurotischer Mann, der fleißig Kurzgeschichten fabriziert hat für Pulp-Magazine. ED:SR ist ein Multimillionen Dollar teurer Prestige-Gametitel, an dem Horden von Leuten Jahre gearbeitet haben. In der Zeit, die es braucht, ETERNAL DARKNESS durchzuspielen, ließe sich relativ bequem das Gesamtwerk von Lovecraft lesen. Und da klafft dann doch eine arge Kluft zwischen Aufwand und Niveau.

Es ist ja ohnehin ein Phänomen, dass die teuersten und aufwendigsten Games unserer Tage noch immer fast ausnahmslos und mit der Sturheit tiefer Überzeugung nichts besseres zu tun haben, als unablässig den Fundus des B-Picture-Kinos zu plündern und schlechte Imitationen oft ohnehin schon lächerlicher Vorbilder mit großem Ernst und Stolz zu präsentieren. Charme - und nicht selten sogar Genialität - von B-Filmen besteht aber doch gerade darin, dass sie der von niedrigen Budgets bestimmten Realität gegen alle Unbill auf raffinierte Weise Zelluloid-Träume abtrotzen. Was sich oft in einer Ästhetik niederschlägt, die freier ist, spielerischer als die der glatten Hochpreisproduktionen. Solch eine Ästhetik aber mit riesigem digitalem Aufwand zu kopieren (und ihr dabei zwangsläufig auch jene HiFi-Glätte zu verpassen); dabei auch keineswegs die Nonchalance billiger, kleiner Filme an den Tag zu legen, sondern mit dem Gestus des Großen, Bedeutenden daherzukommen - das führt leicht zu Peinlichkeiten.

Wie weit Anspruch und Realität bei ETERNAL DARKNESS auseinanderliegen, zeigt symptomatisch ein Detail: Die Filmsequenz-Einleitung zum ersten Kapitel, im antiken römischen Reich spielend, beginnt mit Dialogen in Latein, die langsam überblendet werden in Englisch. Aber nicht nur ist die Vorstellung amerikanischer Spieldesigner und Voice-Over-Schauspieler von Latein eher Heiterkeit erregend denn beeindruckend - in keinem der späteren Kapitel wird diese Idee je wieder aufgegriffen, weil offensichtlich der Aufwand dann doch zu groß war, sie auch auf Sprachen auszudehnen, von denen man nicht in der Highschool die Grundbegriffe gelernt hat. Leider gibt es auch nur sehr wenige Augenblicke, in denen ETERNAL DARKNESS mal ein Augenzwinkern merken lässt. (Die Unterhaltung zwischen Karim - dem 1001-Nacht entsprungen scheinende Held einer der zahlreichen "Kapitel" (= Level) des Spiels - und dem Geist seiner Geliebten ist einer davon.)

Im Normalfall herrscht ein pompöser Bierernst vor, der in argem Gegensatz steht zur absurden Unbeholfenheit des Skripts. Gleich zur Eröffnung gibt es beispielsweise einen echten Heuler: Die Heldin der Rahmenhandlung - sie findet das Buch, dessen einzelne Kapitel die eigentlichen Level des Spiels darstellen - wird von der Polizei zum Haus ihres Großvaters gerufen, um dessen Leiche zu identifizieren. Das sieht so aus: Vollkommen verdeckt von einem blutbefleckten Tuch liegt der Körper vor ihr, nur eine Hand des Toten lugt hervor. "That's him! He's wearing the family ring!," meint die junge Dame da, aus ein paar Metern Entfernung einen kurzen Blick darauf werfend, und die Polizei ist's zufrieden - der überdies keine andere Möglichkeit als diese taktlose Konfrontation zur Identifizierung einfiel, weil dem Ermordeten der Kopf fehlt...

Nun wäre ich der Allerletzte, der Plausibilität und erst recht "Realismus" im Kino für interessante und angemessene Kategorien der Bewertung hielte. Aber wie gesagt: Bei solch einer Szene aus einem Game wird ja nicht mal eben einen halben Nachmittag irgendwo gefilmt, sondern da sitzen jede Menge Digital-Künstler wochen- und monatelang da, bis alle Räume, Figuren, Gegenstände aus Polygonen zusammengesetzt und texturiert sind, bis die Dialoge aufgenommen, die Animationen erstellt sind, die virtuelle Kamera programmiert. Und bei so viel Mühe und kreativer Kontrolle in allen anderen Bereichen fragt man sich schon, warum das Drehbuch nicht etwas mehr Professionalität aufweisen kann - zumal eben darüber hinaus so ziemlich alles fehlt, was unzählige Filme auch da, wo die Gesetzte der realen Welt und Logik unbeachtet bleiben, charmant, dramaturgisch zwingend und auf eigene Weise stimmig macht.

BITS & PIECES

Freilich hängt es dem Spiel noch sehr nach, dass seine Entwicklung auf dem Nintendo 64 schon recht weit gediehen war, bevor es zum Gamecube-Projekt erklärt wurde. Die gesamte Ästhetik von ETERNAL DARKNESS ist noch arg der Vorgängerkonsole des Spielwürfels verpflichtet - nicht nur in einzelnen, exakt benennbaren Details wie manch niederauflösender Textur, dem ziemlich klobigen Zuschnitt der Charaktere, wenig spekatkulär anmutenden Beleuchtungseffekten, sondern in seinem allgemeinen "Look and Feel".

Das Level-Design mit seiner engen, stets hermetisch geschlossenen Architektur, mit seinem Verzicht auf spektakuläre Ausblicke - diese ganze stark begrenzte, kammerspielartige Welt des Spiels, die so im Gegensatz steht zu seiner zeitübergreifenden, in kosmische Dimensionen gehenden Story, ist wahrscheinlich auch ein Resultat dieser Produktionsgeschichte: Es ist ein Design, das auf den N64 mit seinen notorischen Framerate-Problemen und Textur-Limitierungen zugeschnitten scheint. Die eigentliche Schwäche liegt jedoch nicht begründet in mangelnder Ausnutzung der technischen Möglichkeiten des Gamecubes. Art Direction ist höchstens in zweiter Linie eine Frage von Polygonzahlen und Texturauflösungen. Sie ist eine Frage von bewusster, konsequenter, stimmiger Stilisierung. Genau die fehlt aber ED:SR: Das macht eher den Eindruck, als hätte man auf dem Nintendo 64 so etwas wie Fotorealismus erreichen wollen und wäre dabei nicht nur an weit unzureichenden technischen Voraussetzungen gescheitert sondern auch an der soliden Naivität des eigenen künstlerischen Talents, das auf Mittelfeld-Niveau eines Kunst-Leistungskurses liegt.

Verglichen mit dem, was die Design-Abteilungen japanischer Videospielschmieden ganz unabhängig von Rechenleistung regelmäßig an zwingendem, klar einer Gesamtvision folgendem Stilwillen an den Tag legen, kommen einem diese Bemühungen von Silicon Knights geradezu rührend vor.

In diesem wie in allen Bereichen gilt: Es mangelt ETERNAL DARKNESS: SANITY'S REQUIEM weder an unleugbar guten Absichten und viel, viel Liebesmüh noch an für sich genommen hübschen Ideen - im Gegenteil, sein Hauptproblem scheint zu sein, dass die Designer zu oft einen "Wäre es nicht cool, wenn..."-Einfall hatten und ihn umsetzten, ohne sich um ein stimmiges Ganzes zu kümmern, um einen Kontext, in dem all diese Ideen auch wirklich Sinn und Zweck erhalten. Prinzipiell beispielsweise kein schlechter Gedanke, drei Schauplätze zum Fokus der Geschichte zu machen und sie im Lauf der Jahrhunderte immer wieder aufs Neue zu besuchen. Der offensichtlichen Gefahr dabei - dass der Abwechslungsreichtum leidet - waren sich die Spieldesigner zudem sichtlich bewusst: Wenn Herrenhaus, Kathedrale, Ausgrabungsstätte in einem weiteren Kapitel des Abenteuers wiederkehren, so gibt es kleine bauliche Veränderungen, diverse Verfallserscheinungen und bei jedem Besuch zusätzliches, zuvor unbekanntes Territorium zu entdecken. Aber dennoch schafft es das Spiel nicht, der Gefahr der Eintönigkeit aus dem Weg zu gehen - wie so vieles an ED:SR bleiben auch hier sämtliche Bemühungen auf halbem Wege stecken.

Das Grundproblem ist zunächst, dass sich die drei Schauplätze untereinander schon viel zu ähnlich sind: Alle bestehen sie hauptsächlich aus vielen düster beleuchteten engen Gängen, leeren Kammern, kleinen Zimmern, stets mit Wänden aus Stein. (Selbst das Herrenhaus macht bei letzterem nur mit seinem oberirdischen, kleineren Teil eine Ausnahme.) Keiner der drei Orte entwickelt ein wirklich eigenständiges Profil; grafisches und Level-Design, der dramaturgische Umgang mit Raum schaffen es nicht, dem ohnehin äußerst stumpfen emotionalen Grundklang drei charakteristische Sets von Obertönen hinzuzufügen. Dadurch bringen selbst die Schauplatzwechsel wenig Neuigkeitswert, Entdeckungsfreuden mit sich.

Dazu jedoch sind die Level selbst weitgehend frei von atmosphärischen Spannungsschwankungen, architektonischen Höhepunkten - die Folgen von Gängen, Kammern, Zimmern ziehen stetig vorbei, ohne größeren Eindruck zu unterlassen. Selbst wenn die in neuen Kapiteln hinzukommenden Areale quantitativ ein größeres Gewicht gegenüber den bereits bekannten Abschnitten hätten (tatsächlich schlägt die Ballance deutlich zu Gunsten der Wiederholungen aus) - es wäre fraglich, ob das einen großen Unterschied machen würde. Eindeutig haben die Designer versucht, dem gegenzusteuern. Sie waren zweifelsohne bemüht, den einzelnen Leveln unterschiedliches Gepräge, eine eigene Persönlichkeit zu geben. Mal gibt es merklich mehr Kämpfe, mal mehr "Puzzles", teils auch Sonderaufgaben - der Architekt Roberto hat beispielsweise gewisse Räume auf ihre bauliche Stabilität zu überprüfen. Weil aber weder Kämpfe noch Rätsel für sich je eine besondere Herausforderung darstellen, reicht ein simples "Darf's ein bisschen mehr sein?" auch nie, um ein gesamtes Level zu einer Herausforderung mit individueller Note zu machen.

Und im Falle Robertos beispielsweise sieht die Umsetzung der eigenständigen Aufgaben so aus: Man stapft genauso wie alle anderen Charaktere schön linear zwangsläufig durch sämtliche Räume; in ein paar davon wird man vom Spiel dann gefragt, ob man sie baulich untersuchen möchte, man entscheidet sich für "Jawoll, ich bitte doch sehr darum", und das war's... "Lächerlich" ist noch ein sehr höflicher Ausdruck für so was.

(NO) JOY IN REPETITION

Sich breitmachende Ernüchterung - das ist das Hauptgefühl bei fortschreitendem Spielen von ETERNAL DARKNESS. Für ungefähr 15 Minuten macht zum Beispiel das Kampfsystem alle Anstalten, ziemlich amüsant zu erscheinen: Zusätzlich zu ungerichteten Rundumschlägen hat man die Möglichkeit, gezielt Rumpf, Kopf oder einen Arm der Feinde zu attackieren und dabei auch zu amputieren, was die Monstren nicht sofort tötet sondern lediglich entsprechender Fähigkeiten beraubt. Wenn dann ein enthauptetes Skelett verwundert nach seinem Kopf tastet oder ein Zombie eine äußerst überzeugende Imitation des Schwarzen Ritters aus MONTY PYTHON AND THE HOLY GRAIL vorführt, vermag das die ersten zwei, drei Male durchaus ein schwarzhumoriges Vergnügen zu bereiten, zumal die Darstellung der Gewalttaten sehr spielerisch, puppentheatermäßig, frei von allem Sadismus wirkt.

Dann beginnt man bald, auf einen Kampf zu warten, in dem dieses System mehr wird als nur minimal verkompliziertes Hack'n'Slash, in dem es auf gekonnte, raffinierte, taktisch anspruchsvolle Weise eingesetzt werden will. Und man wartet. Und hackt. Und wartet. Und slasht. Und wartet. Und hackt & slasht. Und wartet. Und erreicht das Spielende.

Es ist in ETERNAL DARKNESS: SANITY'S REQUIEM sehr früh der Punkt erreicht, an dem man alle wesentlichen Elemente zu Genüge kennen gelernt hat und ab dem man es fast nur noch mit wenig spektakulären Detailvariationen dieses Repertoires zu tun bekommt. Das gilt nicht nur für die Level und die Kämpfe, sondern ebenso für das Bestiarium der Feinde: Das beschränkt sich ohnehin auf eine enttäuschend geringe Zahl an Spezies, von denen circa die Hälfte dann auch noch lediglich wenig spannende Varianten untoter Humanoiden darstellen - und die komplett alle eingeführt sind, bevor recht die Hälfte des Spiels erreicht ist.

Das ist nicht nur für sich genommen frustrierend eintönig: Weil die weit überwiegende Zahl der Feinde somit darauf zugeschnitten sein musste, schon mit der recht schwächlichen Bewaffnung der frühen Levels bewältigbar zu sein, macht es auch einen der wenigen Aspekte zunichte, der sich enorm müht, das ganze Spiel über Neues zu bieten. Bei Silicon Knights, der Schmiede des Spiels, muss irgendwo ein kleiner Waffen-Fetischist sitzen, denn jedes Kapitel des Spiels ist mit einem eigenen (vorgeblich historisch korrektem) Arsenal ausgestattet, zu dessen einzelnen Bestandteilen liebevolle Beschreibungen bereitstehen. So weit, so nett, und so bekannt aus diversen Shootern. Bei jedem Shooter (und selbst bei RESIDENT EVIL) aber kommt mit neuen Waffen auch ein Gefühl der Aufrüstung, ist jedes weitere Stück Feuerkraft ein weiteres Machtfantasie-Zuckerl, und verbunden mit erhöhter Zerstörungskraft sind auch erhöhte Anforderungen an die diversen Projektilschleudern.

Aber der Knarren-Fetischist bei Silicon Knights hat sich wohl nie mit dem Monster- oder Leveldesigner getroffen - ETERNAL DARKNESS kümmert sich nicht darum, dem eindrucksvollen Arsenal auch etwas Adäquates zu tun zu geben: Mit Abstand die praktischste und effektivste Waffe ist (mit minimalen Ausnahmen) von Anfang bis Ende des Spiels eine mit Zauberspruch aufgeladene Standard-Hieb- und Stichwaffe. Und da all die restliche Hardware beim Abfeuern einerseits auch nie diesen gewissen Kick oder Thrill geben will, wie es in einem gelungenen Shooter die durchschlagenderen Wummen gern tun, andererseits man auch lange glaubt, sie sich womöglich für widerstandsfähigere Feinde aufsparen zu müssen (die nie kommen), bleibt all das schöne Werf- und Schießzeug zu einem Gutteil unbenutzt im Inventar. Mindestens ein Viertel der zur Verfügung stehenden Waffen habe ich während des gesamten Spiels so nicht ein einziges Mal verwendet.

Überhaupt führt die Weigerung der Designer, ihre hübschen Elemente irgendwie aufeinander abzustimmen und zu einem überzeugend ineinandergreifenden Ganzen zu machen, dazu, dass man nach gar nicht allzu langem Spielen heillos überqualifiziert ist für die anstehenden Aufgaben. Zu den Waffen bekommt man noch ein im Lauf des Spieles stetig sich ausbauendes Magiesystem. (Dass ein vollständiger Zauberspruch jeweils aus einem "Rezept" für den Spruch, einem das Magielevel bestimmenden Kraft-Zirkel, seinen einzelnen Runen und der "Übersetzung" der Runen besteht, ist noch so eine Idee, die nie wirklich zur Entfaltung kommt, weil im Endeffekt die einzelnen Elemente meist innerhalb weniger Minuten in aufeinander folgenden Räumen gefunden werden...) Bald hat man dadurch deutlich mehr Handlungsmöglichkeiten gegen die Bildschirm-Feinde zur Verfügung stehen, als man überhaupt Gelegenheit bekommt, alle einzusetzen. Was bei den meisten Spielern dazu führen wird, dass Heilzauber und Verwünschung der eigenen Klinge regen Gebrauch finden werden, man sich so nach Schema F ohne größere Probleme vorwärts hackt, und die übrige Magie nur bei der Handvoll speziell darauf zugeschnittener Puzzles zum Einsatz kommt.

Und weil bei diesen Puzzles dann auch unbedingt Magie zur Verfügung stehen muss, das Spiel einem aber schlecht deren Einsatz im vorangehenden Teil des Levels verbieten kann, ist es ja durchaus sinnvoll, dass sich die verfügbare Zauberkraft automatisch langsam regeneriert, wenn die Spielfigur sich fortbewegt. Nur leider heißt das zugleich, dass die wenigen Kämpfe, die nicht sowieso im Halbschlaf bewältigt werden können, so aussehen: Wenn die Feinde drohen, Überhand zu gewinnen, flieht man durch die nächstbeste Tür, läuft vor dieser so lange wie eine Tanzmaus im Kreis, bis genug Magie gesammelt ist zur vollständigen Heilung, Verwünschung aller nötigen Waffen und ein paar zünftige Angriffs- und Verteidigungszauber, und geht dann zurück durch die Tür und macht Kleinholz. Das ist, gelinde gesagt, nicht übertrieben förderlich für Herausforderung, Atmosphäre und Rhythmus des Spiels...

PUZZLING EVIDENCE

Weil wir's gerade mit den Puzzles hatten: Bei Silicon Knights scheint auch ein Fan der guten, alten Computeradventures zu sitzen. Und wer mochte sie nicht, die lustigen Tüfteleien von Infocom, Sierra, Lucasarts: Was ein Spaß, allerlei Gegenstände zu finden, deren Zweck auf den ersten Blick völlig rätselhaft schien, und sie dann durch kluge Kombinationsgabe zur Lösung vertrackter Probleme einzusetzen! Nur: Anspruchsvoll und damit unterhaltsam wurde das ja gerade dadurch, dass man jede Menge Gegenstände fand und jede Menge Probleme zu bewältigen hatte, und somit einer erheblichen Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten gegenüberstand, der nur durch Nachdenken Herr zu werden war. Nichts davon bleibt bei ED:SR übrig als die ausgehöhlten, zur reinen Mechanik verkommenen Eckpunkte des Vorgangs: Gegenstände finden, Gegenstände benutzen.

Beispiel: Einen Glücks-Penny zu verwenden, um in einer Stromleitung eine ausgefallene Sicherung zu überbrücken - darauf muss man erstmal kommen! Sollte man meinen... Aber wenn der Penny der einzige benutzbare Gegenstand im Inventar ist, und der Sicherungskasten das einzige Feature aller zugänglichen Räume ist, das auf die Benutzung eines Gegenstandes wartet - dann ist die ganze Sache keinen Mückenfurz weniger eindeutig, als wenn die Designer einen gleich eine Sicherung finden ließen, inklusive Anleitung, wo sie einzusetzen sei.

Und selbst in den wenigen Fällen, wo etwas Kombinationsgabe gefragt sein könnte, tut das Spiel alles, um diese doch überflüssig zu machen: Gleich zu Beginn ist zum Öffnen eines Geheimgangs eine alte Standuhr auf eine Zeit einzustellen, die zuvor von einer anderen Uhr abzulesen war. Schon das bräuchte keinen Einstein - aber dann rasten die Zeiger beim vom Spieler gesteuerten Rotieren sowieso automatisch ein, sobald sie die richtige Uhrzeit streifen, ob mit Absicht oder zufällig. Sowas sind sichere Rezepte, um beim Spielen das ungute Bewusstsein aufkommen zu lassen, dass man seine Lebenszeit gerade damit verbringt, wie die Taube in der Skinnerbox auf eindeutige Reize brav die entsprechenden Schalter zu drücken. Es gibt kaum etwas in ED:SR, das während des Spielens richtig ärgert oder stört - noch weniger aber gibt es etwas, das einer Herausforderung gleichkäme.

Die halbe Handvoll Momente gegen Ende freilich, in denen es mal nicht geradezu schmerzhaft offensichtlich ist, wie ein Hindernis zu bewältigen wäre, kommen dafür doppelt unvorbereitet: Ihre Lösung scheint fast willkürlich, da auf unzureichenden Indizien beruhend. Beispielsweise muss da einmal (es sei nicht zuviel verraten) eine Fähigkeit gegen einen Gegenstand verwendet werden, die bis dahin immer nur gegen Lebewesen einsetzbar war. (Der eklatanteste Fall eindeutig schlechten Gamedesigns begegnet einem allerdings sehr früh im Spiel: Im ersten individuellen Level betritt man einen Raum mit drei Gegenständen, von denen man selbstverständlich annimmt, dass man sie alle an sich nehmen muss - wie ausnahmslos jeden Gegenstand zuvor. Das Grabschen nach dem ersten der drei aber entscheidet sofort, unwiderruflich und sogar ohne, dass es einem explizit gesagt würde, darüber, welchen von drei möglichen - sich freilich nur unbedeutend unterscheidenden - Pfaden man durch's folgende Spiel nimmt.

Gibt es im Gamedesign etwas Amateurhafteres, als Spieler so ohne jede Vorwarnung unbewusst in grundlegende Entscheidungen stolpern zu lassen?) Man könnte zur Verteidigung sagen: Nun gut, die direkten Vorbilder sind eben nicht unter Computer-Adventures klassischer Prägung zu suchen sondern eher bei TOMB RAIDER, RESIDENT EVIL oder gar First Person Shootern. (Aufgrund seiner Horror-Story, aufgrund der Hatz im Herrenhaus und dem Zerstückeln der Zombies scheint die RESIDENT EVIL-Serie (vgl.Resident Evil auf dem Gamecube: Alte Seele in neuem Fleisch.) der naheliegendste Referenzpunkt für ETERNAL DARKNESS zu sein, aber die Gemeinsamkeiten sind nur oberflächlich. Zu unterschiedlich sind Ästhetik, Umgang mit Raum und vor allem Rhythmus der Spiele. ED:SR ist viel eher ein 3D Action-Adventure in der Tradition von TOMB RAIDER und Konsorten, mit übergestülpter Geisterbahn-Drapierung.) Nur: First Person Shooter brauchen freilich keine durchdachten Puzzles sondern lediglich "Finde den Schlüssel und trag ihn zur Tür"-Aufgaben, weil dieses Element lediglich das Vorankommen, die Eroberung des Territoriums etwas strukturieren hilft - und weil dort der Kampf gegen die Gegner, ganz im Gegensatz zu ED:SR, spannend und anspruchsvoll ist.

Die RESIDENT EVIL-Reihe (deren Puzzles sowieso wenigstens teilweise eine minimale Intelligenzleistung verlangen) lässt die Spieler ähnlich brav apportieren, weil die Erkundung des Terrains durch irgendetwas motiviert sein will - aber hier ist der Weg das eigentliche Ziel, schaffen die Umgebungen Atmosphäre, die Feinde Bedrohung und hat die Suche nach den nächsten benötigten Gegenständen viel eher den Charakter wahren Stöberns, weil das Layout der Orte nicht so extrem inear, die Schauplätze selbst weniger leer und aufgeräumt sind. Und bei TOMB RAIDER ist (zumindest im ersten, einzig wirklich gelungenen Spiel der ganzen Reihe) das Entriegeln neuer Levelabschnitte durch die Lösung ziemlich offensichtlicher "Rätsel" - hier ohnehin durch das dazu nötige, hochriskante Herumgehupfe schwer genug - Teil einer Dramaturgie der Räume: Die sich öffnenden Areale bieten etwas zum Gucken, Staunen, Erkunden. Bei ETERNAL DARKNESS folgt nur enger Gang auf engen Gang, leere Kammer auf leere Kammer, kleines Zimmer auf kleines Zimmer.

Es ist, als hätten sich die Designer von ED:SR von anderen Spielen zur Nachahmung Aspekte immer genau so herausgepickt, dass sie ihren Sinn und Kontext verlieren. Noch ein Beispiel: Wie unter anderem auch in GTA III kann die Spielfigur nur eine gewisse Zeit rennen, bevor sich ihr die Erschöpfung bemächtigt und sie eine Weile nur in normalem Gehtempo vorankommt. In GTA III ist dies ein nicht unerheblicher Faktor, wenn man zu Fuß auf der Flucht vor der Polizei oder feindlichen Gangs ist, oder in fließendem Verkehr einem speziellen Vehikel hinterher hechelt. In ETERNAL DARKNESS aber gibt es lediglich zwei Bosskämpfe (und es sind die EINZIGEN zwei echten Bosskämpfe des ganzen Spiels), bei denen das überhaupt merkliche Auswirkungen hat auf die Spielerstrategie - die restliche Zeit, die man hier ja komplett zu Fuß unterwegs verbringt, verzögert es nur nervtötend die ewigen Wege durch Gänge, Kammern, Zimmer.

Dito der Einfall, die verschiedenen im Lauf des Spiels gesteuerten Charaktere durch leicht unterschiedliche Kräftewerte zu unterscheiden. Sanity, Magie, Lebensenergie stehen in variierenden Verhältnissen zur Verfügung, und auch die Ausdauer beim Sprinten, sowie die Grundgeschwindigkeit schwanken zwischen den einzelnen Figuren - was hübsch sein könnte, in einem RPG beispielsweise. Aber hier mal wieder praktisch keinerlei interessanten Effekt zeitigt beim eigentlichen Spielen - der Kräftevorrat reicht allemal bei jedem der Charaktere zum Bestehen der vorkommenden Kämpfe nach dem beschriebenen hieb- und stichfesten Grundrezept, und zwischen den Fights lässt sich, siehe Magiesystem, immer problemlos volltanken. Die unterschiedliche Kondition der Figuren bedeutet nur, dass pummelige Herren wie Maximillian Roivas oder der Architekt Roberto mit einer Behäbigkeit durch die Levels schlurfen, dass man sich die Haare raufen möchte.

Noch schlimmer: Der finale Bossfight - ohnehin einer der einfallslosesten und unspektakulärsten der jüngeren Videospielgeschichte - findet in einer kleinen Arena statt, die aus zwei durch eine Brücke verbundenen Kreisflächen besteht. Dem Oberschurken ausweichend, müssen nun alle dieser Charaktere der Reihe nach eine Essenz des Bösen mit dem Schwert abklatschen, die abwechselnd auf der einen und anderen Rundfläche erscheint. Was eigentlich dramatischer Höhepunkt des Spiels sein sollte, wird nun aber - durch die Langsamkeit einiger dieser Figuren, verbunden mit dem teils schnell verbrauchten Sprint-Potential und der zusätzlichen Bremsung durch Verletzungen - zu einer Art Zeitlupen-Kricket für Fußlahme.

Es mag Gamer geben, denen ein solches heillos uninspiriertes Standard-3D-Action-Adventure reicht, um halbwegs begeistert zu sein. Eins ist aber doch wohl unbestreitbar: Etwas läuft fundamental falsch bei einem Spiel, dessen mit Abstand originellsten und interessantesten Aspekt man überhaupt nur zu Gesicht bekommt, wenn man einigermaßen versagt bei dem, was zum erfolgreichen Vorwärtskommen verlangt wird.

A DREAM WITHIN A DREAM

Denn wie anfangs festgestellt: Das Konzept der abnehmenden Sanity und der daraus resultierenden Trugbilder ist zweifelsohne brillant und, für sich genommen, ein kleiner Meilenstein in der Videospielgeschichte. Nur wurde er dem Rest des Spiels ohne jeglichen tiefer gehenden Konsequenzen schlicht aufgepfropft. Über weite Strecken muss man sich schon enorm dumm anstellen bei den Kämpfen, um das Sanity-Meter überhaupt in die Nähe halluzinogener Werte zu drücken. Und wenn man es dort einmal hat, dann sind die Wahnvorstellungen immer nur sekundenlange Einschübe, die mit einem weißen Aufblitzen und einem "This can't be happening!" getilgt werden, um dem stinknormalen Ablauf des Spiels Platz zu machen.

Das zwingt einen ständig zur Entscheidung: Geistige Gesundheit der Spielfigur hoch halten, flott vorankommen und die dröge Angelegenheit möglichst bald hinter sich bringen - oder sich absichtlich unbeholfen anstellen, dadurch den Ablauf des Spiels eigentlich unnötig bremsen, dafür aber mit Einsprengseln belohnt werden, die wenigsten jene Kreativität aufweisen, die dem gesamten Rest fehlt. Entscheidet man sich für die zweite Alternative, ist man manchmal paradoxerweise geradezu froh, dass ETERNAL DARKNESS insgesamt keinen meisterhaft durchdachten Eindruck macht - viele Schocks, die im ersten Moment nach einem Design- oder Programmierfehler aussehen, würde man dem Spiel sonst ja gar nicht abnehmen.

Es ist freilich durchaus interessant und bezeichnend, dass ETERNAL DARKNESS: SANITY'S REQUIEM keinen Weg gefunden hat, mit seiner - man darf sagen: radikalen - Errungenschaft der lügenden Bilder anders umzugehen, als sie schlicht zu einem aufgesetzten Feature zu machen, das nicht ANSTATT der herkömmlichen Darstellungsweise auftaucht, sondern ZUSÄTZLICH zu ihr - und von dieser auch stets nach wenigen Sekunden wieder negiert wird.

Es ist seltsam: Einerseits leidet darunter die Radikalität des Vorgangs offensichtlich kolossal; andererseits wird sie dadurch erst vollkommen. Denn eine naheliegende Alternative wäre ja gewesen: Ein Gamedesign, bei dem gewisse Puzzles nur zu lösen sind, indem man das Sanity-Meter absichtlich sinken lässt um so Halluzinationen hervorzurufen, die dann Dinge entdecken, die dem ungetrübten Verstand nicht zugänglich waren.

Das Wahnbild als tiefere Wahrheit, somit. (In der Tat gibt es in ETERNAL DARKNESS ein paar fest vorprogrammierte Trugbilder, die nichts anderes sind als die Story vorantreibende Zwischen-Filmsequenzen oder eigentlich reguläre Monster-Fights, die sich lediglich ein paar Elemente des Wahnsinns-Looks ausborgen.) Aber das ist ja nicht sonderlich interessant - selbstverständlich ist es problemlos möglich, in die Story eines Spiels Sequenzen einzuarbeiten, die rein auf der Ebene der Geschichte selbst Lügen, Visionen, Träume sind; die nur aus der Perspektive der Spielfiguren, nicht aber aus der Perspektive der Spieler Täuschungen darstellen. Die spannende Frage ist jedoch, ob es irgendwie vereinbar wäre, Gamer ein Spiel steuern zu lassen und sie selbst dabei mit (nicht bloß dekorativen) Täuschung zu konfrontieren - und zwar, ohne allen Lug und Trug dann immer wieder auszuradieren und mit dem "Wahren" (komischer Begriff in virtuellen Welten...) zu überschreiben. Aber wenn der Irrsinn über die Bildschirmbilder herrscht, wie dann verhindern, dass die Spieler andauernd in die Irre geschickt werden?

Wie sollten Gamer richtige Entscheidungen treffen können auf Grund von falschen Informationen? Wie müsste also eine virtuelle Welt aussehen, damit sie als Spielplatz taugt, selbst wenn wir mit unseren (post)modernen Zweifel an der Weltwahrnehmung auch hier Ernst machten? Fragen, die - wenn überhaupt - garantiert nur Gamedesigner in der Praxis beantworten könnten, die ungleich brillanter, innovativer, genialer sind als die von ETERNAL DARKNESS: SANITY'S REQUIEM.

Hoffen wir mal, dass solche Designer sich eines Tages irgendwo finden. Denn ein Spiel, dem es gelänge, lügende Bilder und Interaktivität auf stimmige, nicht frustrierende Weise zusammenzubringen - das wäre allerdings der Wahnsinn!